OGH 9Ob59/11h

OGH9Ob59/11h25.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR; Gesamtstreitwert 36.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Juli 2011, GZ 2 R 223/10v-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. August 2010, GZ 30 Cg 29/10g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 8. 11. 2011 in der Rechtssache 10 Ob 31/11y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung

Die Beklagte ist ein bundesweit operierendes Mobilfunkunternehmen. Sie tritt im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Verträge. In den aktuellen „AGB Mobil für Privatkunden“ (Stand: 6. 11. 2009) findet sich unter Punkt 20.9 folgende Klausel:

„Sie können Ihre Rechnung mit Einzugsermächtigung, Zahlschein oder sonstiger Überweisung bezahlen. Ohne Einzugsermächtigung können wir ein Entgelt für die Bearbeitung Ihrer Zahlung („Zahlschein-Entgelt“) nach unseren Entgeltbestimmungen verrechnen. Bei manchen Leistungen und Tarifen ist nach den Entgeltbestimmungen eine Einzugsermächtigung erforderlich.“

Wählt ein Kunde eine andere Zahlungsart als die Einzugsermächtigung, nämlich eine Zahlung mittels Zahlschein oder sonstiger Überweisung, so hat er pro Rechnung ein zusätzliches Entgelt in der Höhe von 2,50 EUR zu entrichten.

Der Kläger ist eine gesetzliche anerkannte Konsumentenschutzeinrichtung. Seiner Aufforderung, die Beklagte möge hinsichtlich der vorgenannten Klausel eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung iSd § 28 Abs 2 KSchG abgeben, ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Der nach §§ 28a, 29 KSchG klageberechtigte Verein begehrt mit der vorliegenden Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der vorerwähnten Klausel oder sinngleicher Klauseln sowie die Berufung darauf, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden seien, zu unterlassen. Weiters begehrt der Kläger, dass es die Beklagte im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen habe, Entgelte für die Durchführung von Zahlungen an die Beklagte mit bestimmten Zahlungsarten zu erheben, insbesondere ein Entgelt von 3 EUR pro Zahlung für „Entgelt für die Bearbeitung Ihrer Zahlung (vorm. Zahlscheinentgelt)“. Schließlich begehrt der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Der Kläger begründet sein Begehren im Wesentlichen damit, die beanstandete Klausel verstoße gegen die zwingende Bestimmung des § 27 Abs 6 Satz 2 Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG). Danach sei die Erhebung von Entgelten durch die Beklagte als Zahlungsempfängerin im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass es sich bei einem unterschriebenen Zahlschein und bei einer Onlinebanking-Überweisung um keine Zahlungsinstrumente iSd § 3 Z 21 ZaDiG handle. Die Beklagte hebe kein Zahlscheinentgelt ein; verrechnet werde vielmehr ein Bearbeitungsentgelt, das jedoch bei jenen Kunden, die sich der Einzugsermächtigung bedienen, auf Null ermäßigt werde. Die Umsetzung des Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG durch § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG sei nicht richtlinienkonform erfolgt, weil der österreichische Gesetzgeber ein generelles, nicht zwischen verschiedenen Zahlungsinstrumenten differenzierendes Verbot der Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger vorgesehen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte die Anwendbarkeit des ZaDiG auf die Beklagte als Zahlungsdienstnutzer und führte aus, dass ein vom Zahler ausgefüllter und unterschriebener Zahlschein sowie die Onlinebanking-Überweisung Zahlungsinstrumente iSd Art 4 Z 23 der Richtlinie 2007/64/EG bzw des § 3 Z 21 ZaDiG seien. § 27 Abs 6 ZaDiG stehe auch im Einklang mit der Bestimmung des Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG .

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und gab der Berufung im Übrigen nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht bejahte ebenfalls die Anwendbarkeit des ZaDiG. Es vertrat die Auffassung, dass der unterschriebene und dadurch personalisierte Zahlschein und die Online-Überweisung Zahlungsinstrumente seien. Da die Bestimmung des Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG von der Vollharmonisierung ausgenommen sei, könne der nationale Gesetzgeber ein Verbot für die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments auch im Verhältnis zum Zahler vorsehen. Damit werden sowohl die Preistransparenz und der Wettbewerb als auch die effizienten Zahlungsinstrumente gefördert.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Revisionsverfahren ist zu unterbrechen.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof am 8. 11. 2011 zu 10 Ob 31/11y folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 13. 11. 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt dahin auszulegen, dass er auch auf das Vertragsverhältnis zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinen Privatkunden (Verbraucher) als Zahler Anwendung zu finden hat?

2. Sind ein vom Zahler eigenhändig unterschriebener Zahlschein bzw das auf einem unterschriebenen Zahlschein beruhende Verfahren zur Erteilung von Überweisungsaufträgen sowie das zur Erteilung von Überweisungsaufträgen im Onlinebanking (Telebanking) vereinbarte Verfahren als 'Zahlungsinstrumente' iSd Art 4 Z 23 und des Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG anzusehen?

3. Ist Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG dahin auszulegen, dass er der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegensteht, die ein generelles und insbesondere nicht zwischen verschiedenen Zahlungsinstrumenten differenzierendes Verbot der Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger vorsehen?“

Die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird über den Anlassfall hinaus zu beachten sein (Kohlegger in Fasching/Konecny² II/2 Anh § 190 Rz 351 mwN). Ein späteres Verfahren, das wie das vorliegende Verfahren die gleichen Rechtsfragen betrifft, ist daher nach ständiger Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (10 ObS 23/10w; RIS-Justiz RS0110583 ua).

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

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