OGH 9Ob41/98i

OGH9Ob41/98i11.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer, Dr.Spenling, Dr.Hradil und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard H*****, Servicetechniker, ***** vertreten durch Dr.Walter Mardetschläger und Dr.Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gertrude H*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13.November 1997, GZ 43 R 883/97i-24, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Vorinstanzen schieden die 1975 geschlossene Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten. Die anwaltlich vertretene Beklagte hatte im Verfahren erster Instanz nur die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und keinen ausdrücklichen Mitschuldantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Ausspruch einer überwiegenden Mitschuld des klagenden Ehegatten, den die Beklagte mit ihrer Revision anstrebt, setzt einen entsprechenden Antrag des beklagten Ehegatten in erster Instanz voraus (§ 60 Abs 3 EheG; EFSlg 54.451 f). Ein derartiger Antrag wurde von der Beklagten allerdings nicht gestellt, wie schon die Vorinstanzen zutreffend hervorhoben. Ein bloßer Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens reicht nicht aus (EFSlg 34.055). Richtig weist nun die Beklagte darauf hin, daß unter Umständen auch im Vortragen von Eheverfehlungen des Klägers durch die Beklagte ein Mitschuldantrag erblickt werden kann (EFSlg 78.672); der Antrag muß sich aber, wenn er nicht ausdrücklich gestellt wird, dem Vorbringen zweifelsfrei entnehmen lassen (Schwimann/Gruber, ABGB2 I, § 60 EheG Rz 19; EFSlg 60.240, 57.205). Eine derartige, über einen Zweifel erhabene Annahme ist hier jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte selbst bekannte, zunächst ganz gezielt keinen Mitschuldantrag gestellt zu haben, da sie sich "eine Widerklage vorbehalten wollte". Nach ihrem Selbstmordversuch (16.11.1996, Beilage ./31) hätte sich jedoch ergeben, daß sie schon aus wirtschaftlichen Gründen "die Aufrechterhaltung der Ehe anstreben muß" (ON 20, AS 151). Ab diesem Zeitpunkt wurde von der Beklagten im Prozeß allerdings kein Vorbringen mehr erstattet, das als Mitschuldantrag gedeutet werden könnte (ON 14, AS 59). Bei dieser Prozeßlage, dem Vorbringen der Beklagten dennoch die Stellung eines Mitschuldantrages zu unterstellen, hieße, sich über ihren ausdrücklich erklärten Willen hinwegzusetzen. Eine Umdeutung ist daher ausgeschlossen (8 Ob 660/86).

Ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (hier: Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 182), kann im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden, wenn er bereits vom Gericht zweiter Instanz verneint wurde (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503).

Daran, daß die Ehe der Streitteile spätestens beim Auszug des Klägers am 27.7.1996 aus der Ehewohnung objektiv unheilbar zerrüttet war, kann nach den erstgerichtlichen Feststellungen kein Zweifel bestehen. Dem Auszug des Klägers gingen eine ehewidrige Beziehung der Beklagten vom Sommer 1991 bis Sommer 1993, laufende Streitigkeiten mit wechselseitigen Beschimpfungen ab Ende 1993, die Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Beklagte und die Weigerung, dem Kläger die Wäsche zu besorgen, ab März 1996 (wobei die Beklagte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berufstätig war), die Aufforderung an den Kläger "zu verschwinden, sonst würde etwas passieren", und verschiedene Handlungen der Beklagten, den Kläger am Schlafen zu hindern, jeweils ab Mai 1996 voraus. Die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten hat damit nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv zu bestehen aufgehört (Schwimann/Schwimann, ABGB2 I, § 49 EheG Rz 2; EFSlg 69.215, 63.383, 60.177).

Die Beklagte vermag letztlich auch im Zusammenhang mit der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens des Klägers keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihr Verhalten rechtfertigt in seiner Gesamtheit keine Berufung auf die Verwirkungsklausel des § 49 Satz 2 EheG. Im übrigen geht die Beurteilung dieser Frage in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus; eine grobe Fehlbeurteilung der Vorinstanzen ist nicht zu erkennen.

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