Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Nach der 1992 erfolgten Scheidung der Ehe der Eltern verblieben die dieser Ehe entstammenden Kinder F*****(geb. 25. 10. 1978), R*****(geb. 2. 9. 1981), M*****(geb. 20. 7. 1984) und K*****(geb. 24. 8. 1986) in der Obsorge der Mutter. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11. 9. 1997 wurde die Obsorge für F*****dem Vater übertragen, bei dem er sich seit Mai 1996 befindet.
Die Mutter verdient durchschnittlich S 16.330,85 netto monatlich. Der Vater leistet für die in ihrer Obsorge befindlichen drei Kinder Unterhalt von zuletzt (seit 1. 4. 1997) insgesamt S 11.300,-
monatlich.
Mit Beschluß vom 9. 10. 1997 verpflichtete das Erstgericht die Mutter zu monatlichen Unterhaltsleistungen für den (damals noch minderjährigen) F*****von S 2.600,- ab 1. 5. 1996; ein Mehrbegehren des Kindes von S 1.610,- wies es ab. Es ging von einem Anspruch F*****s auf 16 % des Einkommens der Mutter (22 % abzüglich je 2 % für die von ihr betreuten Kinder) aus.
Das vom Vater angerufene Rekursgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung iS der Festsetzung der von der Mutter zu leistenden Unterhaltsbeiträge mit S 3.600,- ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da der Vater für die von der Mutter betreuten Kinder Unterhalt leiste, der etwa deren Regelbedarf entspreche, komme die Geldunterhaltspflicht der Mutter für diese Kinder kaum zum Tragen. Für die Sorgepflicht der Mutter für die von ihr betreuten Kinder sei daher kein Abzug vom für F***** anzuwendenden Belastungsprozentsatz von 22 % vorzunehmen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, die Entscheidung der ersten Instanz wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil sich die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, die darauf hinausläuft, die Sorgepflichten der Mutter für die von ihr betreuten Kinder bei der Bemessung des von ihr für ein weiteres Kind zu leistenden Geldunterhaltes nicht zu berücksichtigen, aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht ableiten läßt. Er ist auch berechtigt.
Bei der Unterhaltsbemessung kommt es vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an; es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern (JBl 1991, 40; RZ 1991/26 und 50). Auch andere gesetzliche Unterhaltspflichten des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners werden daher - zur Wahrung der Gleichmäßigkeit aller im Prinzip gleichberechtigten gesetzlichen Unterhaltsansprüche - von der Rechtsprechung bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt (EFSlg
67.721 uva; Schwimann/Schwimann, ABGB**2 I, § 140 Rz 40).
Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Unterhaltsbemessung im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle nach der auch von den Vorinstanzen angewendeten "Prozentsatzmethode" erfolgen kann, die für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe gibt, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (JBl 1991, 40; RZ 1991/26 und 50; RZ 1992/48; RZ 1993/94; Ris-Justiz RS0047427). Diese Methode trägt auch den Grundsätzen einer angemessenen Berücksichtigung konkurrierender Unterhaltspflichten Rechnung, indem die in der Rechtsprechung entwickelten und vom Schrifttum gebilligten Berechnungsformeln für konkurrierende Unterhaltspflichten Abzüge vom anzuwendenden Belastungsprozentsatz in der Höhe von 1 % für jedes Kind unter und von 2 % für jedes Kind über 10 Jahren sowie von 0 % bis 3 % für einen Ehegatten, je nach dessen Eigenverdienst (Pichler in Rummel, ABGB**2, Rz 5 a zu § 140; Schwimann aaO, Rz 39 zu § 140 jeweils mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung) vorsehen. Dabei wurde bislang bei der Vornahme von Abzügen für Sorgepflichten für Kinder nicht danach unterschieden, ob die zu berücksichtigenden weiteren Sorgepflichten in Geld oder - wie hier - durch Betreuung iS des § 140 Abs 2 ABGB erfüllt werden. Eine derartige Differenzierung wäre auch nicht sachgerecht. Abgesehen davon, daß der betreuende Elternteil häufig Kosten für die teilweise Delegierung von Betreuungsaufgaben an Dritte aufwenden muß oder wegen der Betreuung in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist, stellt die Betreuung eines Kindes in jedem Fall eine vermögenswerte Leistung dar, welche die bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Lebensverhältnisse des betroffenen Elternteiles entscheidend prägt und die daher bei der Bemessung der Unterhaltspflicht gegenüber einem geldunterhaltsberechtigten Kind nicht vernachlässigt werden kann. Es besteht daher kein Grund, die Betreuung weiterer Kinder durch den in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung anders zu berücksichtigen, als die Leistung von Geldunterhalt, zumal § 140 Abs 2 ABGB zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber die Betreuung des unterhaltsberechtigten Kindes iS der zitierten Gesetzesstelle der Erfüllung der Sorgepflicht durch Geldleistungen gleichstellt.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
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