OGH 9Ob287/97i

OGH9Ob287/97i22.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Wolfgang L*****, kfm. Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Werner Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 75.818,- sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 22. Mai 1997, GZ 15 R 78/97i-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 20. Februar 1997, GZ 11 C 551/96g (11 C 550/96k)-9, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die, soweit damit im verbundenen Verfahren 11 C 551/96g die Klage zurückgewiesen und der beklagten Partei Kosten des Verfahrens erster Instanz von S 4.872,72 (darin S 812,12 Ust) und des Verfahrens zweiter Instanz von S 2.028,09 (darin S 338,01 Ust) zugesprochen wurden, in Rechtskraft erwachsen sind und von dieser Entscheidung unberührt bleiben, werden im übrigen - nämlich hinsichtlich des Verfahrens 11 C 550/96k - dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes werden abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.309,70 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 718,28 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Bei einer Bootsmesse in der Bundesrepublik Deutschland kaufte der in Deutschland wohnhafte Beklagte von der Klägerin, die in Österreich ihren Sitz hat, ein Motorboot. Der Beklagte gab sein altes Motorboot in Zahlung. Im Kaufvertrag wurde die Anwendbarkeit österreichischen Rechtes und die Zuständigkeit des für Linz sachlich zuständigen Gerichtes vereinbart; die Rechnungen seien in Linz zahl- und klagbar.

Die Klägerin begehrt zu 11 C 550/96k des Erstgerichtes vom Beklagten S 75.818 sA für notwendige Reparaturmaßnahmen am vom Beklagten in Zahlung gegebenen Boot. Zu 11 C 551/96g begehrt sie vom Beklagten S

35.325 sA an restlichem Kaufpreis. In beiden jeweils am 19. 6. 1996 eingebrachten Klagen bezeichnet sie den Beklagten als Kaufmann.

Der Beklagte, der sich als Verbraucher bezeichnet, wendete in beiden Verfahren die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes und (erkennbar) mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein. Er berief sich auf § 41 IPRG.

Das Erstgericht, das die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, wies die Klagen wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Beim von den Streitteilen geschlossenen Geschäft handle es sich um einen Kauf einer beweglichen Sache auf Teilzahlung, weshalb iS Art 13 Z 1, Art 14 des Abkommens von Lugano (LGVÜ) der Beklagte, der Verbraucher sei, nur in seinem Wohnsitzstaat geklagt werden könne. Die von diesem Grundsatz abweichende Gerichtsstandsvereinbarung sei iS Art 17 LGVÜ unwirksam.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Revisionsrekurs hinsichtlich des Verfahrens 11 C 551/96g jedenfalls unzulässig, hinsichtlich des Verfahrens 11 C 550/96k aber nicht zulässig sei. Es wies daraufhin, daß das LGVÜ, das in Österreich am 1. 9. 1996 in Kraft getreten sei, auf die beiden vor diesem Zeitpunkt eingebrachten Klagen nicht anzuwenden sei. Auch § 41 IPRG komme nicht zum Tragen, da ihm Regelungen über die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nicht zu entnehmen seien; insofern sei österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden. Erste Voraussetzung für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit sei das Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes. Auch wenn ein inländischer Gerichtsstand gegeben sei, sei die inländische Gerichtsbarkeit trotzdem zu verneinen, wenn keine ausreichende Nahebeziehung zum Inland bestehe. Die zwischen den Parteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung sei ungeachtet der von der Klägerin nicht mehr bestrittenen Verbrauchereigenschaft des Beklagten wirksam, weil das durch § 14 Abs 1 KSchG geschaffene Prorogationsverbot nur gelte, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Arbeitsplatz im Inland habe. Dies sei aber hier nicht der Fall. Es liege demnach ein inländischer Gerichtsstand vor. Dieser ersetze aber nach der überwiegenden Rechtsprechung nicht die fehlende Inlandsbeziehung. Bei der Beurteilung, wie weit die Parteienvereinbarung für die internationale Zuständigkeit beachtlich sein könne, dürften nach der Rechtsprechung auch die Regelungen internationaler Verträge nicht außer acht bleiben, die Österreich bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert habe. Demgemäß sei auch - wie der OGH in vergleichbaren Fällen schon judiziert habe - eine vorwegnehmende Heranziehung des LGVÜ geboten. Nach diesem Übereinkommen sei die von den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam; allerdings liege nicht der vom Erstgericht angenommene Fall des Art 13 Z 1 des Abkommens (Teilzahlungsgeschäft), sondern der des Art 13 Z 3 vor, weil dem Vertragsabschluß im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen sei und der Verbraucher in diesem Staat die zum Vertragsabschluß erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen habe. Durch diesen Umstand seien die für einen Inlandsbezug sprechenden Indizien aufgewogen. Im übrigen solle auch nach der inländischen Gerichtsstandsordnung der einlassungspflichtige ausländische Beklagte vor der Willkür des das Verfahren einleitenden Klägers geschützt werden, was besonders gegenüber einem Verbraucher gelten müsse. Insgesamt sei demnach zwar das Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes zu bejahen, im Hinblick auf das Fehlen einer hinreichenden inländischen Nahebeziehung aber der angefochtene Beschluß zu bestätigen. Im Verfahren 11 C 551/96g sei der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig. Im Verfahren 11 C 550/96k sei er nicht zulässig, weil die zu lösenden Rechtsfragen iS eines Größenschlusses aus der zitierten Judikatur beantwortet worden seien. Die Entscheidungen EvBl 1995/51 und ZfRV 1994, 208, die den Sitz des Klägers in Österreich bzw. die Anlieferung aus Österreich als ausreichenden Inlandsbezug im Zusammenhang mit einer Gerichtsstandsvereinbarung gewertet hätten, seien nicht vergleichbar, weil kein Verbraucher beteiligt gewesen sei. Zudem sei aufgrund der nunmehrigen Geltung des LGVÜ und der damit gegebenen Beschränkung der zu lösenden Rechtsfrage auf einzelne vergangene Fälle die Befassung des Höchstgerichtes nicht gerechtfertigt.

Gegen diesen Beschluß, und zwar insoweit, als er das Verfahren 11 C 550/96k betrifft, richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, ihn im Sinne der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Der Beklagte beantragt, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes durch die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht gedeckt ist. Dies wahrzunehmen ist trotz des Inkrafttretens des LGVÜ schon deshalb von Bedeutung, weil außerhalb des Anwendungsbereiches dieses Abkommens die autonome inländische Zuständigkeitsordnung weiterhin maßgebend bleibt.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

In den zeitlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens von Lugano (LGVÜ) fallen nur Rechtssachen, die nach Inkrafttreten des Übereinkommens im Ursprungsstaat anhängig werden (Art 54 Lugano-Übereinkommen). Das Lugano-Übereinkommen wirkt daher nicht zurück (4 Ob 86/97v; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5 Art 54 Rz 2ff mwN; Mayr, Ab wann ist das Lugano-Übereinkommen anzuwenden?, WBl 1996, 381 [382] mwN). Da in Österreich das LGVÜ erst mit 1. 9. 1996 in Kraft getreten ist (BGBl 1996/448), ist es daher hier nicht anzuwenden; vielmehr ist die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) nach dem autonomen inländischen Zuständigkeitsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen.

Nach dieser Rechtsprechung besteht die inländische Gerichtsbarkeit für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv - gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland, zB einen inländischen Gerichtsstand, vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Wenn ein inländischer Gerichtsstand vorliegt, eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland aber fehlt, ist die inländische Gerichtsbarkeit dennoch zu verneinen (ZfRV 1994/46; SZ 65/141; SZ 62/101; SZ 60/277 uva; zuletzt 1 Ob 2343/96g).

Im hier zu beurteilenden Fall haben die Parteien die Prozeßführung vor einem bestimmten österreichischen Gericht vereinbart. Diese Vereinbarung ist nach dem hier maßgebenden österreichischen Verfahrensrecht trotz der von den Vorinstanzen angenommenen Verbrauchereigenschaft des Beklagten wirksam, weil das Prorogationsverbot des § 14 Abs 1 KSchG nur zugunsten von Verbrauchern gilt, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder im Inland beschäftigt sind. Fehlt dieser Inlandsbezug, ist die Möglichkeit des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung mit einem Verbraucher durch autonome innerstaatliche Vorschriften nicht beschränkt (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 4 vor § 83a JN; Fasching, Lehrbuch**2 Rz 293).

In der Parteienvereinbarung auf die Prozeßführung vor einem bestimmten inländischen Gericht liegt eine Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte, die aber iS der dargelegten Rechtslage nur dann anzuerkennen ist, wenn auch eine hinreichende Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien besteht. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung reicht hiefür der - den allgemeinen Gerichtsstand begründende - Sitz oder Wohnort des Klägers aus (vgl dazu die ohnedies vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen EvBl 1995/51 und ZfRV 1994/46; ferner JBl 1994, 343; RdW 1995, 426; zuletzt 4 Ob 604/95).

Die Meinung des Rekursgerichtes, der vorliegende Fall, in dem der im Ausland wohnhafte Beklagte Verbraucher ist, sei anders zu beurteilen, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Zwar trifft es zu, daß die vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen (und auch die Entscheidungen JBl 1994, 343 und RdW 1995, 426) Fälle betreffen, in denen der Beklagte kein Verbraucher war. Dessen ungeachtet ist keiner dieser Entscheidungen zu entnehmen, daß die dort vertretene Auffassung für Verfahren, in denen ausländische Verbraucher geklagt sind, nicht gelten soll. Auch in der Entscheidung 4 Ob 604/95, die - soweit erkennbar - einen Fall betrifft, in dem der Beklagte Verbraucher war, wird nicht in diesem Sinne differenziert. Schließlich lassen auch die Ausführungen Faschings zu § 14 Abs 1 KSchG (aaO Rz 293) erkennen, daß er im Falle einer ein österreichisches Gericht betreffenden Gerichtsstandsvereinbarung mit einem Verbraucher, dem der in § 14 Abs 1 KSchG geforderte Inlandsbezug fehlt, die inländische Gerichtsbarkeit als gegeben erachtet.

Richtig ist allerdings, daß der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Beurteilung der inländischen Gerichtsbarkeit schon mehrmals das (damals noch nicht in Kraft befindliche) LGVÜ als Auslegungskriterium herangezogen hat (JBl 1994, 343; WBl 1995, 165; SZ 65/141), nach dem aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen die von den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam wäre. Eine derartige Bedachtnahme auf die diesem Abkommen zugrunde liegenden Wertungen kann aber nicht so weit gehen, seine Geltung in Fällen, die außerhalb seines zeitlichen Anwendungsbereiches liegen, vorwegzunehmen und Regelungen anzuwenden, die in Widerspruch zu den in Betracht kommenden Normen des (in diesen Fällen maßgebenden) autonomen inländischen Rechtes stehen. Nach dem hier anzuwendenden inländischen Recht - nämlich nach § 14 Abs 1 KSchG - ist aber die von der Klägerin mit dem Beklagten geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung uneingeschränkt zulässig und wirksam, sodaß keine Veranlassung besteht, ihre Beachtlichkeit für die inländische Gerichtsbarkeit anders zu beurteilen, als oben dargestellt.

Auch in der hier geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung liegt daher eine Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte, die im Zusammenhalt mit dem Sitz der Klägerin im Inland, zu dem noch die Vereinbarung der Anwendung inländischen Rechtes tritt, die inländische Gerichtsbarkeit begründet. Damit ist aber auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen iS der Abweisung der Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit abzuändern.

Diese Entscheidung betrifft aber nur das Verfahren 11 C 550/96k. Soweit die Beschlüsse der Vorinstanzen hingegen das Verfahren 11 C 551/96g betreffen - also auch hinsichtlich eines Zuspruches von Kosten in der Höhe von S 4.872,72 für das Verfahren erster Instanz und in der Höhe von S 2.028,09 für das Verfahren zweiter Instanz (jeweils 32 % der von den Vorinstanzen für beide Verfahren insgesamt zugesprochenen Kosten) - sind sie in Rechtskraft erwachsen und werden daher von dieser Entscheidung nicht berührt.

Im von dieser Entscheidung betroffenen Verfahren 11 C 550/96k sind in erster Instanz, in dem über die Prozeßeinreden in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt wurde, keine gesonderten Kosten des Verfahrens über die in Rede stehenden Einreden des Beklagten entstanden.

Die Entscheidung über die Kosten zweiter und dritter Instanz gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Klägerin, die in einem Zwischenstreit obsiegt hat, sind die das Verfahren 11 C 550/96k betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens - dies sind 68 % der Rekurskosten und die gesamten Kosten des Revisionsrekurses - zuzusprechen.

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