OGH 9Ob241/97z

OGH9Ob241/97z22.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Steinbauer, Dr.Spenling und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Verlassenschaft nach Gertrude W*****, vertreten durch Dkfm.Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) L*****handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Czinglar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christine H*****, vertreten durch Dr.Roland Hubinger ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. April 1997, GZ 40 R 202/97w-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 20. Dezember 1996, GZ 28 C 1525/96t-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der 1.) klagenden Partei die mit 6802,24 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 1127,04 S USt und 40 S Barauslagen) sowie die mit 4058,68 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 676,68 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der 2.) klagenden Partei die mit 6802,24 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 1127,04 S USt und 40 S Barauslagen) sowie die mit 6038,68 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 676,78 S USt und 1980 S an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die verstorbene Gertrude W***** (im folgenden kurz Erstklägerin) war zu drei Viertel und die zweitklagende Partei ist zu einem Viertel grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****. In diesem Haus befindet sich ein Geschäftslokal, dessen Hauptmieterin die Beklagte ist. Der monatliche Hauptmietzins beträgt ca 2200 S. Ursprünglich befand sich dort ein Friseursalon. Im Jahr 1952 mietete Hermann V***** das Lokal zum Betrieb eines Gummiwarengeschäftes (Gummistiefel, Regenschirme etc), wobei die Vermieter im Mietvertrag ihre Zustimmung zum Betrieb auch eines anderen Handelsgewerbes erteilten; dem Mieter war nach dem Vertrag lediglich verboten, ein Gewerbe auszuüben, das in einem Konkurrenzverhältnis mit einem anderen im Haus betriebenen Geschäft stehen könnte. Dieses andere Geschäft bestand aber im Jahr 1992 nicht mehr. Im Jahr 1969 wurde der Geschäftsgegenstand geändert und im weiteren, letztlich von Gertrude V***** ein Damenmodengeschäft geführt. Mit Kaufvertrag vom 12.2.1992 verkaufte diese das Unternehmen "Gertrude V*****" an die Beklagte. Dabei wurde der Käuferin zugesagt, daß der Mietvertrag vom Jahr 1952 weiter aufrecht bestehe. Ob bei Abschluß des Kaufvertrages über die Art der Verwendung des Geschäftslokales gesprochen wurde, steht nicht fest. Die Beklagte gab den Hauseigentümern bekannt, daß sie das Geschäft übernommen habe und sie es im Sinne der bisherigen Eigentümerin weiterführen werde; tatsächlich betrieb sie bis Mitte 1995 das Damenmodengeschäft weiter.

Da sich der Geschäftsgang verschlechterte, schloß sie das Damenmodengeschäft Mitte 1995, gestaltete das Lokal sowie die Außenfassade um und eröffnete Ende des Jahres 1995 einen "Spiel-Treff" und einen Videokassettenverleih. Vor der Umgestaltung der Fassade befand sich in der Mitte eine Eingangstüre und links und rechts davon ein Schaufenster. Darüber war über die gesamte Länge des Lokales eine Aufschrift "Modewaren" und darunter "V*****" angebracht. Vor Umgestaltung der Fassade wandte sich die Beklagte an die Vermieter. Mit Schreiben vom 17.8.1995 teilte sie der Erstklägerin unter Bezugnahme auf den Mietvertrag aus 1952 mit, daß sie das Lokal künftig für den Verkauf und den Verleih von Videokassetten nützen werde und die Änderung des Geschäftszweiges es notwendig mache, die bestehende Lichtwerbung zu entfernen und durch eine andere zu ersetzen. Da die Erstklägerin auf dieses Schreiben nicht reagierte, wiederholte die Beklagte das Ersuchen um Zustimmung zu der beabsichtigten Änderung, schloß einen Einreichplan, aus dem die vorgesehene Fassadengestaltung ersichtlich war, an und teilte der Erstklägerin mit, die Zweitklägerin habe ihre Zustimmung bereits erteilt. Mit Schreiben vom 24.8.1995 hatte sich die Beklagte mit dem Ersuchen um Zustimmung zur Umgestaltung des Portales an die zweitklagende Partei gewandt und dieser einen Einreichplan, aus dem die Bezeichnung "Spiel-Treff" ersichtlich war, übermittelt. Die zweitklagende Partei erteilte die Zustimmung.

Da die Erstklägerin auf beide Schreiben nicht reagierte, stellte die Beklagte einen gegen beide Hauseigentümer gerichteten Antrag gemäß § 9 iVm 37 MRG bei der Schlichtungsstelle, auszusprechen, daß es sich bei der vorgesehenen Änderung um eine wesentliche Verbesserung (Veränderung) gemäß § 9 MRG handle und die Hausinhabung die Zustimmung nicht verweigern könne. Mit Entscheidung vom 18.4.1996 ersetzte die Schlichtungsstelle für den 22.Bezirk die Zustimmung der Vermieter zur Veränderung der Fassade (Leuchtreklame) entsprechend dem einen Bestandteil der Entscheidung bildenden Einreichplan. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Erstklägerin nicht binnen 2 Monaten auf die Ersuchen der Beklagten reagiert habe und daher die Zustimmung als erteilt gelte; die zweitklagende Partei habe ihre Zustimmung erteilt.

Die Umgestaltung der Fassade erfolgte derart, daß im Geschäftsbereich über die gesamte Außenfront bis auf den Eingang eine Lichtreklame angebracht wurde. Die Flächen, die sich seitlich neben dem Eingang befinden, wo zuvor die Auslagen des Damenmodengeschäftes waren, sind mit Reklameaufschriften "K***** Videoverleih" bzw "Qu***** Videoverleih" versehen; dazwischen sind jeweils Spielkarten abgebildet. Über der Eingangstüre befindet sich über die gesamte restliche Fassade eine weitere Lichtreklame mit der Aufschrift "SPIEL TREFF", dazwischen ist ein Joker abgebildet.

Der ca 30 m2 große Raum wurde durch eine Rauchglasscheibe in zwei Räume (im Größenverhältnis ca 2 : 1) geteilt. Ein direkter Zugang von einem in den anderen Raum ist nicht möglich; in die beiden Räume gelangt man von der Straße durch zwei getrennte Eingänge. Vom größeren Raum wurde durch Abteilung ein Personalraum geschaffen. In jedem der beiden Räume sind zwei Münzspielautomaten und jeweils ein Ständer mit Pornovideokassetten aufgestellt. Im größeren der beiden Räume befindet sich auch ein Getränkeautomat. Die vier Münzspielautomaten wurden vor der Eröffnung der Videothek und des "Spiel-Treffs" von Josef M*****, der mit der Beklagten und ihrem Gatten befreundet ist, und der die Automaten angemietet hat, aufgestellt. Ursprünglich war vereinbart, daß M***** für das Aufstellen der Automaten dann die Beklagte monatlich 8.000 S, sohin insgesamt 32.000 S zu zahlen hat und der durch die Automaten eingespielte Gewinn ihm verbleibe. Mit Wirkung ab Juli 1996 vereinbarten die Beklagte und M*****, daß der von den Automaten eingespielte Gewinn monatlich zwischen ihnen zu teilen sei, der Aufsteller aber darüberhinaus nichts zu zahlen habe. Der monatliche Gewinn aus den Automaten liegt zwischen 100.000 S und 120.000 S. M***** kam auch für die Kosten der Umgestaltung der Fassade im Betrag von ca 50.000 S auf.

Seit der Umgestaltung des Lokales führt die Beklagte dort einen "Spiel-Treff" und einen Videoverleih. Die tägliche Öffnungszeit beträgt 24 Stunden. Um in das Lokal bzw einen der beiden Räume zu gelangen, muß man an der Eingangstüre läuten, Personen unter 18 Jahren ist der Zutritt verboten. Im Rahmen des Videoverleihs werden nur Pornovideokassetten angeboten. Die Zahl der Kunden, die sich Kassetten entlehnen, entspricht etwa der Zahl der Personen, die das Lokal zum Automatenspiel aufsuchen. Sämtliche Kosten für den Betrieb des Unternehmens, deren Höhe nicht feststeht, werden von der Beklagten getragen. M***** kann über das Bestandobjekt nicht verfügen, er hat auch keinen Schlüssel zum Lokal.

Die Beklagte ist seit 29.9.1995 im Besitz eines Gewerbescheines für den Verleih von Videokassetten. Mit 2 Bescheiden vom 31.8.1995 wurde Josef M***** die Konzession zum Betrieb von je zwei Münzgewinnspielautomaten für den Standort des Lokales der Beklagten verliehen. Es liegen alle Genehmigungen zum Betrieb der vier Automaten vor. Illegale Geldauszahlungen sind bisher nicht erfolgt.

Gespräche zwischen den Streitteilen vor der Umgestaltung der Fassade und der Änderung des Geschäftszweiges, insbesondere über die Art der geschäftlichen Verwendung, fanden nicht statt. Vor Einbringung der Kündigung kam es zu einer Korrespondenz über eine einvernehmliche Bereinigung der offenen Fragen. Dabei lehnte die Beklagte, die grundsätzlich Interesse an der Anmietung weiterer Räumlichkeiten für Geschäftszwecke im Haus bekundet hatte, das Verlangen der Hauseigentümer auf Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses für das gemietete Lokal auf 20.000 S ab.

Die klagenden Parteien kündigten den Mietvertrag am 19.9.1996 unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31.12.1996 unter Heranziehung der Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3, 4 und 7 MRG auf. Das Lokal sei für die Führung eines Handelsgewerbes vermietet worden, tatsächlich führte die Beklagte dort aber einen schwunghaften Betrieb mit Spielautomaten. Der Videoverleih sei nur ein Feigenblatt, mit dem sie versuche, den Geschäftszweck zu verschleiern. Es käme offensichtlich auch zu illegalen Geldauszahlungen. Der Betrieb eines Spielsalons, in dem es auch zu illegalen Geldauszahlungen komme, stelle einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietobjektes dar, weil dadurch der Ruf und die wirtschaftlichen Interessen der Hauseigentümer gefährdet würden. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG liege vor, weil die Beklagte einer konzessionierten Firma das Aufstellen von vier Spielautomaten gegen Platzmiete gestattet habe. Das Lokal werde dadurch zum größten Teil einem Dritten überlassen und es werde auch im Verhältnis zu der von der Beklagten gezahlten Miete ein unverhältnismäßig hoher Betrag vereinnahmt. Der Tatbestand des § 30 Abs 1 Z 7 MRG sei erfüllt, weil die Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung verwendet würden. Die Beklagte sei in den Vertrag eingetreten, der mit der Voreigentümerin des Geschäftes bestanden habe. Gegenstand dieses Vertrages sei die Vermietung zum Zweck des Betriebes eines Textilgeschäftes gewesen. Es sei zwischen den Parteien des Vertrages völlig klar gewesen, daß ein anderer Geschäftsgegenstand nicht statthaft sein sollte; hierüber sei zumindest schlüssig eine Vereinbarung zustande gekommen. Der Betrieb eines "Spiel-Treffs" sei nicht im Vertrag bedungene oder eine gleichwertige geschäftliche Betätigung.

Die Beklagte erhob gegen die Kündigung Einwendungen und beantragte deren Aufhebung. Es treffe nicht zu, daß der Videoverleih nur zur Verschleierung des wahren Geschäftszweckes betrieben würde. Der Inhalt des vorgesehenen Geschäftsbetriebes sei den klagenden Parteien bereits vor der Umgestaltung bekannt gewesen. Die zweitklagende Partei habe der entsprechenden Gestaltung des Portales zugestimmt, die Erstklägerin sei durch ein Schlichtungsstellenverfahren zur Zustimmung verhalten worden. Der Betrieb der Spielautomaten erfolge mit behördlicher Genehmigung; illegale Geldauszahlungen erfolgten nicht. Für die Annahme eines erheblich nachteiligen Gebrauches des Mietobjektes durch die Beklagte bestehe keine Grundlage. Ein Untermietvertrag mit M***** sei nicht abgeschlossen worden, diesem sei keinerlei Verfügungsmöglichkeit über die Räumlichkeiten eingeräumt worden. Es liege vielmehr zwischen diesem und der Beklagten ein Vertrag sui generis vor, nach dem gegen die Genehmigung der Aufstellung der Automaten eine Einnahmeteilung erfolge. Auch die Voraussetzungen des § 30 Abs 1 Z 7 MRG seien nicht erfüllt. Die Beklagte sei im Rahmen des bestehenden Vertrages berechtigt, ein Unternehmen mit dem nunmehrigen Geschäftszweck zu betreiben.

Der Mietvertrag enthalte keine Einschränkungen auf den Betrieb eines Textilhandelsgewerbes; auch eine schlüssige Vereinbarung in diesem Sinne sei nicht zustandegekommen. Einer solchen Einschränkung hätte sich die Beklagte bei Erwerb des Unternehmens auch niemals unterworfen. Die klagenden Parteien hätten auch im Rahmen der Vorgänge vor Umgestaltung der Fassade, als ihnen aus dem Inhalt der vorgesehenen Leuchtreklame der Gegenstand der Geschäftstätigkeit bekannt sein mußte, keine Einwendungen erhoben.

Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung des Lokales. Da der Betrieb der Spielautomaten mit behördlicher Genehmigung erfolge und auch illegale Gewinnauszahlungen nicht erfolgten, könne von einem erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes keine Rede sein. Die Beklagte habe auch das Bestandobjekt oder Teile davon nicht an M***** weitergegeben oder ihm zum Gebrauch überlassen, sondern diesem gegen entsprechende Beteiligung für die Aufstellung der Automaten gestattet, wobei sie alle Kosten des Betriebes trage; M***** habe keinerlei Verfügungsmöglichkeit über das Lokal. Die Kündigungsgründe nach § 30 Abs 1 Z 3 und 4 MRG lägen daher nicht vor. Hingegen sei der Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 7 MRG erfüllt. Im schriftlichen Mietvertrag aus 1952 sei festgehalten, daß die Vermietung zum Betrieb eines Gummiwarengeschäftes erfolge, wobei sich die Vermieterseite grundsätzlich auch mit dem Betrieb eines anderen Handelsgewerbes einverstanden erklärt habe. Im Bestandobjekt sei auch tatsächlich von 1952 bis 1995, sohin durch 43 Jahre, ein Verkaufslokal betrieben worden. Damit sei sowohl durch die ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag sowie durch die langjährige tatsächliche Nutzung von einer Verwendung des Lokales als Verkaufslokal als bedungenem Verwendungszweck auszugehen. Hieran sei auch die Beklagte gebunden. Beim Betrieb eines "Spiel-Treffs" handle es sich nicht um eine dem gleichwertige Verwendung des Geschäftslokales. Völlig verschieden seien etwa die Öffnungszeiten - das Lokal sei gegenüber früher, als die üblichen Ladenöffnungszeiten eingehalten worden seien, nunmehr rund um die Uhr geöffnet -, in der Zusammensetzung des typischen Kundenstockes sowie in der Art der Führung des Betriebes und der Beschaffenheit der geschäftlichen Tätigkeit. Gegenstand der Tätigkeit in einem Verkaufslokal sei die Befassung mit den Kunden und die An- und Verkaufstätigkeit, während beim Betrieb von Spielautomaten die Überwachung der Kunden im Mittelpunkt stehe, allenfalls auch Geld gewechselt und Getränke verkauft würden. Dadurch, daß die Beklagte in dem Lokal neben einem Videoverleih - der durch den vereinbarten Verwendungszweck noch gedeckt wäre - auch einen "Spiel-Treff" als wesentlichen Bestandteil ihrer Geschäftstätigkeit betreibe, benütze sie das Lokal nicht zu der bedungenen geschäftlichen Verwendung oder zu einer gleichwertigen Verwendung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob die Aufkündigung auf und wies das Begehren der klagenden Parteien, die Beklagte zur geräumten Übergabe des Geschäftslokales zu verpflichten, ab. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 Z 3 MRG werde im Berufungsverfahren nicht mehr releviert. Der Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 Z 4 MRG nicht vorliege, sei beizutreten. Nicht zu folgen sei allerdings der vom Erstgericht vertretenen Ansicht, daß die Voraussetzungen des § 30 Abs 1 Z 7 MRG erfüllt seien. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur sei die Gleichwertigkeit der Verwendung unter Bedachtnahme auf das Wesen dieses Kündigungsgrundes, das im Wegfall eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses bestehe, zu beurteilen. Weder geänderte Öffnungszeiten noch ein anderes Zielpublikum hätten zur Folge, daß die geschäftliche Betätigung nicht als gleichwertig anzusehen sei. Auch der Umstand, daß die Eingangstüre verschlossen gehalten und den Gästen nur geöffnet werde, wenn sie eine Klingel betätigen, habe die Ungleichwertigkeit der geschäftlichen Betätigung nicht zur Folge. Ein Videoverleih und ein Spielautomatenbetrieb seien zwar ein anderer Unternehmensgegenstand als der Warenhandel. Die Geschäftstätigkeit in dem Lokal sei aber nach wie vor eine regelmäßige und diene nach wie vor zentralen und keineswegs bloß peripheren geschäftlichen Zwecken. Es finde nach wie vor Kundenverkehr statt, der mit dem eines Verkaufslokales vergleichbar sei. Die derzeit im aufgekündigten Bestandobjekt entfaltete geschäftliche Tätigkeit sei daher im Sinne der Judikatur als durchaus gleichwertig anzusehen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei, weil die wesentlichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gedeckt seien.

Gegen dieses Urteil richten sich die außerordentlichen Revisionen der klagenden Parteien aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - zu dem von der erstklagenden Partei benannten Grund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und dem (im Revisionsverfahren nicht zulässigem) Grund der unrichtigen Tatsachenfeststellung enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen - mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise stellen beide Revisionswerber einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, weil das Berufungsgericht dadurch, daß es die Gleichwertigkeit der geschäftlichen Tätigkeit ausschließlich an deren Regelmäßigkeit und der Tatsache gemessen hat, daß weiterhin Kundenverkehr stattfinde, der gesetzlichen Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG sowie der dazu ergangenen Judikatur nicht Rechnung getragen hat.

Die Revisionen sind auch berechtigt.

Hinsichtlich der Kündigungsschutzbestimmungen wurden vom MRG im wesentlichen das frühere System und auch weitgehend die Einzelbestimmungen des MG übernommen (425 BlgNR 15, GP, 42). Dem früheren Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 14 MG entspricht die Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG. Die Vorgängerbestimmung wurde ausgehend von ihrer Formulierung von der Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß der Kündigungsgrund nur bei völligem Fehlen eines schutzwürdigen Interesses des Mieters, insbesondere bei völligem Stillstand jeder regelmäßigen geschäftlichen Betätigung angenommen wurde (MietSlg 32.406 ua). Durch die Formulierung "zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung" sollte einer Umwandlung von Räumlichkeiten, die zur regelmäßigen geschäftlichen Betätigung gemietet wurden, in nicht gleichwertige Verwendungsformen entgegengewirkt werden (vgl auch 880 BlgNR 15, GP, 5). Der Kündigungsgrund liegt schon dann vor, wenn in den Mieträumen weder die im Vertrag bedungene noch eine gleichwertige Tätigkeit ausgeübt wird (Würth/Zingher; MRG 1982, 106, Anm 8 zu § 30). Der Mieter hat jetzt die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen (MietSlg 39.457/41), mit der die Gleichwertigkeit der Verwendung eines für geschäftliche Zwecke vermieteten Magazins zur Lagerung privater Gegenstände verneint wurde).

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Gleichwertigkeit der Verwendung wiederholt auseinandergesetzt. In der Entscheidung 8 Ob 512/93 wurde die Gleichwertigkeit bei Verwendung des Lokals, in dem bisher ein Textilgeschäft betrieben wurde, für den Verleih von Videokassetten bejaht. Dabei wurde ausgesprochen, daß weder geänderte Öffnungszeiten noch ein anderes "Zielpublikum" der Annahme der Gleichwertigkeit entgegenstehen. In der Entscheidung 4 Ob 2261/96w wurde die Gleichwertigkeit bei Verwendung eines Lokales, in dem zuvor ein Teehaus betrieben wurde, für den Betrieb einer Pizzeria bejaht. In der Entscheidung 2 Ob 553/89 (MietSlg 41352) wurde die Verwendung eines Lokales zum Betrieb eines nur Männern zugänglichen Clublokales anstelle des früheren Espressos als gleichwertig angesehen. Von Instanzgerichten wurde die Gleichwertigkeit der Verwendung bei Benützung von für den Betrieb eines Baubüros gemieteten Räumen für den Ausschank von alkoholischen Getränken (MietSlg 42.342), bei Verwendung von für den Betrieb eines Kaffeehauses gemieteten Räumen für einen Hostessenbetrieb und als Bordell (MietSlg 43.268), bei Benützung eines als Büroraum gemieteten Bestandobjektes als Bordell und von für den Betrieb einer Imbißstube gemieteten Räumen als Animierbar (MietSlg 39.460) verneint und das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG angenommen (siehe dazu auch Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 282, Anm 44 zu § 30 MRG).

In der Entscheidung MietSlg 47.399 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß eine gleichwertige Tätigkeit insbesondere dann erlaubt ist, wenn sie für den Vermieter nicht belastender ist, sondern - wie in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall - für ihn mit geringeren Belästigungen verbunden ist. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß bei Prüfung der Gleichwertigkeit der geschäftlichen Betätigung auch das Interesse des Vermieters an Form und Umfang der Benützung der gemieteten Räumlichkeiten ein Beurteilungskriterium zu bilden hat. Ist die neue Verwendung gegenüber der vereinbarten wesentlich belastender und mit einer größeren Belästigung verbunden, so liegt eine gleichwertige geschäftliche Betätigung nicht vor. Diese Kriterien haben zweifellos die Instanzgerichte zur Verneinung der Gleichwertigkeit in den Fällen des Hostessen-, Bordell- und Animierbarbetriebes veranlaßt.

Wohl steht im Sinne der oben dargestellten Judikatur nicht jede Änderung der Öffnungszeiten oder des Zielpublikums der Annahme der Gleichwertigkeit der Verwendung entgegen; in einem bestimmten Rahmen muß der Vermieter auch diesbezügliche Änderungen des Betriebes im Mietobjekt hinnehmen. Daß eine Videothek längere Öffnungszeiten hat und einen anderen Kundenkreis anspricht, steht der Gleichwertigkeit der Verwendung daher nicht entgegen; der Betrieb einer Videothek ist einer Verkaufstätigkeit auch dem Inhalt nach sehr ähnlich. Gegenstand der Entscheidungen 2 Ob 553/89 und 4 Ob 2261/96w waren jeweils Mietobjekte, die zum Betrieb von gastgewerblichen Betrieben (Teehaus bzw Espresso) vermietet waren, wobei auch Gegenstand des geänderten Betriebes wieder eine gastgewerbliche Tätigkeit, wenn auch in geänderter Form war. Da bis in die Nacht reichende Öffnungszeiten für das Gastgewerbe typisch sind, kann auch dann, wenn der neue Betrieb länger offenhält, diesbezüglich von einem wesentlichen Unterschied nicht gesprochen werden.

Anders ist es im vorliegenden Fall. Es steht außer Zweifel, daß Gegenstand des Vertrages die Miete des Lokales zum Betrieb eines Verkaufsgeschäftes war. Dies ergibt sich einerseits aus dem Vertrag wie auch daraus, daß das Lokal jahrzehntelang in dieser Form betrieben wurde; auch die Beklagte hat bei Erwerb des Unternehmens ausdrücklich erklärt, daß sie es in der bisherigen Form weiterführen werde. Der Betrieb des "Spiel-Treffs" unterscheidet sich von dem früheren Geschäftsgegenstand wesentlich. Das Erstgericht hat bereits zutreffend darauf verwiesen, daß diese Tätigkeit mit dem Geschäftsgegenstand in einem Verkaufsladen nicht vergleichbar ist; ob dies allein die Annahme der mangelnden Gleichwertigkeit rechtfertigt, kann jedoch unerörtert bleiben. Entscheidend ist der Umstand, daß das Lokal rund um die Uhr in Betrieb ist. Bei Vermietung zum Zweck des Betriebes eines Handelsgeschäftes kann der Vermieter davon ausgehen, daß die üblichen Öffnungszeiten eingehalten werden. Eine Änderung in zumutbarem Umfang muß er wohl dulden, nicht aber eine Ausdehnung auf einen 24-Stundenbetrieb. Auch bei der Änderung des Zielpublikums handelt es sich im Vergleich zum Betrieb eines Textilgeschäftes geradezu um eine Totaländerung. Personen, die in der Nacht und bis in die frühen Morgenstunden einen "Spiel-Treff" aufsuchen, sind von den Kunden eines Textilgeschäftes völlig verschiedenen und es muß als gerechtfertigtes Interesse des Vermieters angesehen werden, einen derartigen Verkehr in seinem Haus zu unterbinden. Insgesamt ergibt sich daher, daß der jetzige Betrieb der Beklagten nicht als gleichwertig mit dem Zweck, zu dem das Lokal vermietet wurde, angesehen werden kann. Eine Zustimmung zur Änderung des Geschäftsbetriebes wurde von den klagenden Parteien nicht erteilt. Ob die Erklärung der zweitklagenden Partei im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Beklagten, die Neugestaltung der Fassade zu genehmigen, als Zustimmung zur Änderung des Geschäftszweckes zu werten ist, braucht nicht untersucht werden; die zweitklagende Partei konnte als Minderheitseigentümer durch eine Zustimmung keine Vertragsänderung bewirken. Gegenstand des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle war nur die Neugestaltung des Portales. Durch die Erteilung der Genehmigung im Sinne des Antrages der Beklagten wurde der Mietvertrag nicht berührt.

Die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 7 MRG sind daher erfüllt. Da sich das Begehren der klagenden Parteien schon aus diesem Grund als berechtigt erweist, erübrigt sich das Eingehen auf die Frage, ob die weiter geltend gemachten Kündigungsgründe vorliegen.

Den Revisionen der klagenden Parteien kommt daher Berechtigung zu, so daß das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Streitgenossenschaft lag nur auf Klagsseite vor. Da die klagenden Parteien durch je einen Anwalt vertreten waren, liegen die Voraussetzungen des § 15 RATG nicht vor; Anspruch auf den verzeichneten Streitgenossenzuschlag besteht daher nicht.

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