OGH 9Ob240/00k

OGH9Ob240/00k28.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und beklagten Partei Elisabeth Maria T*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in Stainz, wider die beklagte und klagende Partei Andreas Karl T*****, Gendarmeriebeamter, *****Lannach, vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Scheidung und Aufhebung der Ehe (Streitwert S 120.000 sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 10. Juli 2000, GZ 1 R 171/00z-65, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden und beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Der Revisionswerberin gelingt es in ihrer Zulassungsbeschwerde nicht, eine Frage der vorstehenden Qualität aufzuzeigen, da das Berufungsgericht entgegen den Revisionsausführungen nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. So führte das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zutreffend aus, dass der Lauf der Einjahresfrist des § 40 EheG beginnt, wenn dem anderen Ehegatten so wesentliche Tatsachen bekannt geworden sind, dass sie bei vernünftiger Überlegung für die Geltendmachung der Aufhebung als ausreichend angesehen werden können (EFSlg 11.840, 57.076; 9 Ob 271/99i; RIS-Justiz RS0056328, RS0056339).

Die Frist des § 40 EheG beginnt erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ehegatte den Irrtum oder die Täuschung erkannte. Dazu bedarf es nicht der Kenntnis des Aufhebungsgrundes selbst, sondern der Kenntnis aller Umstände, die bei vernünftiger Überlegung für die Geltendmachung der Aufhebungsklage als hinreichend angesehen werden können (Schwimann/Schwimmann, ABGB2 I, 496; EFSlg 8.481). Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus (Hopf/Kathrein, Eherecht, 195; EFSlg 4.789, 36.278).

In welchem Zeitpunkt konkret von einem "Entdecken" des Irrtums oder der Täuschung im Sinne des § 40 EheG gesprochen werden kann bzw ob ein bestimmtes Ereignis als fristauslösend anzusehen ist, ist eine Beurteilung, die nur im Einzelfall getroffen werden kann, zumal - wie auch der vorliegende Fall deutlich macht - die Grenzen zwischen dem auftauchenden und allmählich stärker werdenden Verdacht und der Erkenntnis der Wahrheit fließend sein können (Schwind in Klang, Bd I, 669 und 696). Diese Beurteilung hat in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, sodass nach ständiger Rechtsprechung in einem solchen Fall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage zu bejahen ist, wenn eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die zu einem unvertretbaren Ergebnis führt (RIS-Justiz RS0042405).

Die vom Berufungsgericht, gestützt auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung, vorgenommene rechtliche Beurteilung, wonach - ausgehend von den Feststellungen, das der Beklagte und Kläger sich auf Grund des (vermeintlich) gemeinsamen Kindes zur Ehe entschlossen habe und somit die Vaterschaft zu diesem Kind im Vordergrund gestanden sei - im konkreten Fall von einem "Entdecken" der Täuschung erst durch das Sachverständigengutachten im Dezember 1998, das seine Vaterschaft ausgeschlossen habe, gesprochen werden könne, ist keineswegs unvertretbar.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene und von der Revisionswerberin gerügte Subsumtion des Sachverhaltes unter § 38 EheG steht ebenso im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach eine arglistige Täuschung im Sinne obiger Bestimmung nicht nur dann vorliegen kann, wenn ein Ehepartner vor Eingehung der Ehe bewusst falsche Angaben machte, sondern auch dann, wenn er bewusst eine ihn treffende Mitteilungspflicht verletzte. Mit Rücksicht auf das in der Ehe notwendige innige Vertrauensverhältnis hat jeder Verlobte Anspruch darauf, alle Umstände, die für die Ehe objektiv von Bedeutung sind, zu kennen. Eine schwangere Frau hat, auch ohne dass sie in dieser Richtung von ihrem Bräutigam ausdrücklich befragt worden wäre, von sich aus zutreffendenfalls klarzulegen, dass sie innerhalb der Empfängniszeit auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt hatte, sodass auch diese jeweils als Vater des zu erwartenden Kindes in Betracht kämen. Die Täuschungshandlung des Verlobten kann also auch durch Verschweigen oder Geheimhalten relevanter Umstände erfolgen (SZ 42/192, JBl 1985, 611 [zust Pichler]).

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