OGH 9Ob22/09i

OGH9Ob22/09i26.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann H*****, A*****, 2.) Barbara H*****, ebendort, beide vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger Partnerschaft, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei D***** A*****verein e.V., Sektion M*****, *****, vertreten durch Dr. Andreas König und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung, über die Revision (Revisionsinteresse 5.433 EUR) der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. November 2008, GZ 4 R 442/08s-49, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 6. August 2008, GZ 1 C 384/06b-43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** H*****. Zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehören insbesondere die Wiesengrundstücke Nr 3401/1 und Nr 3426 sowie die Waldgrundstücke Nr 3394/1, 3394/2, 3425/1 und 3425/2. Über diese Grundstücke führt der „A*****bergweg II", der bei der Kreuzung mit dem „W*****weg" Richtung Norden in den „R*****-Almweg" übergeht, der an der vom beklagten Verein betriebenen „Dr.-E*****-B*****-Hütte" (früher „M*****-Hütte") vorbei zu einer Alm der Kläger führt. Die Selbstversorger-Schutzhütte ist auf der im Eigentum des beklagten Vereins stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** H***** mit dem Grundstück Nr 3393/2 errichtet. Die Hütte ist zwar auch vom Norden her über einen Wanderweg erreichbar, der direkt aus H***** heranführende „A*****bergweg II" ist aber gemütlicher und kürzer (eigenes Vorbringen der Kläger AS 61 im Band I) und weist vor Erreichen des strittigen Bereichs auch einen von einem Anrainer errichteten Parkplatz auf. Bis Anfang der 70er-Jahre stellte sich der „A*****bergweg II" in der damaligen Trassierung bis zum Grundstück Nr 3426 der Kläger als begeh- und befahrbarer Weg dar, ab dort war die damalige Trasse bis zum Bereich der nunmehrigen Kreuzung mit dem „W*****-Almweg" ein Karrenweg, der als solcher zwar begehbar war, von den Besuchern der Schutzhütte aber wenig benutzt wurde, weil er in einem schlechten Zustand war, im Bereich der Kreuzung mit dem „W*****-Almweg" endete und die Fortsetzung des Weges zur Schutzhütte daher im freien Gelände zu erfolgen hatte. 1973 oder 1974 wurde der „A*****bergweg II" vom vorgenannten Bereich des Grundstücks Nr 3426 weg soweit verbessert, dass er nicht nur als Karrenweg, sondern als echter Fahrweg benutzbar wurde. Gleichzeitig wurde von der Kreuzung mit dem „W*****-Almweg" aus in Richtung Norden der „R*****-Almweg" gebaut, der, wie schon erwähnt, an der Schutzhütte vorbeiführt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde der verfahrensgegenständliche Weg in der jeweiligen Trassierung regelmäßig von Wanderern begangen. Diese strebten entweder die „W*****-Alm" oder die Schutzhütte (damals noch „M*****-Hütte") an. Viele Wanderer gingen von dem von einem Anrainer errichteten Parkplatz aus, entweder auf dem „A*****bergweg II" oder auf dem schon vor dem strittigen Bereich abzweigenden „H*****bergweg" bergwärts. Ab dem Jahr 2000 widersetzte sich jedoch ein Anrainer des „H*****bergwegs" dessen Benützung durch Wanderer. Die Kläger haben den Umstand, dass der „A*****bergweg II" und der „R*****-Almweg" von Wanderern regelmäßig begangen wurden, beginnend mit der Errichtung und Verbesserung der Wege 1973/1974 auch wahrgenommen.

Mit ihrer Klage vom 28. 6. 2006 begehrten die Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1.) dafür Sorge zu tragen, dass seine Mitglieder und die Besucher des „Dr. E***** B*****-Hauses" das Betreten der vorerwähnten Wiesengrundstücke unterlassen, und 2.) dafür Sorge zu tragen, dass die Mitglieder des Beklagten und die Besucher des „Dr. E***** B*****-Hauses" das Betreten der auf den vorgenannten Waldgrundstücken bestehenden Weganlage vom R*****hof bis zum „Dr. E***** B*****-Haus" als Zugang und Abgang zum und vom „Dr.-E***** B*****-Haus" unterlassen. Sie begründeten ihr Begehren damit, dass der beklagte Verein keinerlei eigene Rechte habe, die seine Mitglieder bzw Besucher berechtigten, diese Weganlage zu benützen, insbesondere sei die Benützung des Weges nicht ersessen worden. Die auf die Waldgrundstücke anzuwendende Bestimmung des § 33 ForstG hindere das Klagebegehren nicht, weil gelegentliches Herumwandern zu Erholungszwecken anders zu beurteilen sei als ein gezielter Zu- bzw Abgang zu bzw von einer in der Nähe befindlichen Schutzhütte. Gerade dazu leite der Beklagte aber seine Mitglieder und andere Besucher an, indem er Wegskizzen verteile, auf denen der über die Grundstücke der Kläger führende Weg ausdrücklich als Zugangsweg zur Schutzhütte eingezeichnet und beschrieben sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete - soweit im Revisionsverfahren noch relevant - ein, dass die Benützung der verfahrensgegenständlichen Weganlage durch ständiges Begehen durch Wanderer (auch) zu Gunsten der „Öffentlichkeit" ersessen worden sei.

Ausgehend von seinen - gegenüber den Feststellungen des Berufungsgerichts noch anderslautenden - Feststellungen gelangte das Erstgericht zur Rechtsauffassung, dass ein Wegerecht nicht ersessen worden sei und der Beklagte somit in das Eigentumsrecht der Kläger eingreife, indem er Vereinsmitglieder und Touristen auffordere, den verfahrensgegenständlichen Weg zum Zu- und Abgang zu und von seiner Schutzhütte zu benützen.

Das Berufungsgericht wies in Abänderung des Ersturteils das Klagebegehren ab. Es traf nach einer Beweiswiederholung die oben wiedergegebenen wesentlichen Feststellungen zur Benützung des streitgegenständlichen Weges während einer Zeit von mehr als 30 Jahren vor Klagseinbringung und über die Kenntnisnahme durch die Kläger. Ausgehend von diesen Feststellungen gelangte das Berufungsgericht zur Rechtsauffassung, dass mangels Besitzhandlungen des Beklagten eine Ersitzung zwar nicht zu seinen Gunsten, jedoch zu Gunsten der örtlich zuständigen Gemeinde erfolgt sei, wie sich - entgegen dem Revisionsvorbringen - unschwer aus S 22 im Berufungsurteil ON 49 ergibt. Es sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Abänderungsantrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene Revision der Kläger aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und mit einer Rechtsrüge. Das Berufungsgericht änderte seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die Revision zuließ.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist die Revision der Kläger nicht zulässig.

Worin die Nichtigkeit des Berufungsverfahrens bestehen soll, wird auch nicht annähernd ausgeführt, der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch sonst vermögen die Kläger eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung nicht aufzuzeigen.

Entgegen der Meinung der Revisionswerber kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit seinem Einwand der Ersitzung „durch die Öffentlichkeit" (AS 28 im Band I) die Ersitzung durch die örtliche Gemeinde meint. Das Berufungsgericht hat das Beklagtenvorbringen jedenfalls vertretbar dahin ausgelegt. Wenngleich das Berufungsgericht den Namen der Gemeinde, zu deren Gunsten ersessen wurde, nicht ausdrücklich genannt hat, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass damit nur die Gemeinde bzw die Gemeinden gemeint sind, in deren Gebiet sich der verfahrensgegenständliche Weg befindet.

Die Kläger vermissen Feststellungen zur Redlichkeit und zum Besitzwillen der begünstigten Gemeinde.

Bei der Ersitzung wird aber die Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet (RIS-Justiz RS0010185; RS0034237 [T5] uva). Die Unredlichkeit der in Frage kommenden Gemeinde bzw deren Organe wurde durch die Kläger nicht behauptet.

Zum Besitzwillen einer Gemeinde: Nach neuerer Rechtsprechung genügt es hiefür, dass Gemeindeangehörige und/oder Touristen den Weg so benützen, als handelte es sich um einen öffentlichen Weg. In diesem Fall wird der Besitzwille der Gemeinde vermutet (9 Ob 122/06s; 1 Ob 77/04b; 4 Ob 96/04b; SZ 72/136 uva).

Auch mit der Frage der Notwendigkeit eines Weges für die Allgemeinheit, die bei Ersitzung eines Wegerechts zu Gunsten einer Gemeinde erforderlich ist, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen befasst. Es wurde bereits ausgesprochen, dass für die Ersitzung von Wegedienstbarkeiten durch Gemeinden mit bedeutendem Fremdenverkehr der Bedarf nach geeigneten Wanderwegen in ausreichender Zahl genügt (SZ 72/136 mwN). Bei der Ersitzung eines Wegerechts durch die Gemeinde genügt es nach ständiger Rechtsprechung, wenn der Weg vom Publikum offenkundig zum allgemeinen Vorteil benützt wird. An die Notwendigkeit sind keine strengen Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0010120, zuletzt 6 Ob 208/08v). Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist regelmäßig Frage des Einzelfalls. Nur völlige Zwecklosigkeit würde die Servitut vernichten (RIS-Justiz RS0011589; RS0011582). Davon kann aber bei der hier zugestandenen Wegersparnis mit dem Vorteil einer Zufahrtsmöglichkeit bis zum Beginn des Weges keine Rede sein (vgl 6 Ob 208/08v). Es entspricht auch der ständigen Judikatur, dass die Eigentumsfreiheitsklage gegen Maßnahmen, die sich im Rahmen des Gemeingebrauchs halten, versagt (RIS-Justiz RS0009787), dh, dass sich auch ein Privater bei Berufung auf ein ihm untersagtes Wegerecht auf eine öffentliche Wegeberechtigung stützen kann (RIS-Justiz RS0011738). Nicht zielführend sind letztlich die Hinweise der Kläger auf unzureichende Feststellungen betreffend den Umfang der Servitut, weil sich das von ihnen angestrebte Unterlassungsgebot gegen den Zu- und Abgang richtet, diesbezüglich aber ausreichende Feststellungen vorliegen.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage erweist sich daher die Revision als unzulässig.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei weist auf den Umstand der Unzulässigkeit hin, diente somit der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung und ist daher gemäß § 41 ZPO iVm § 50 ZPO zu honorieren.

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