European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00208.08V.1106.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung
Im Bereich des strittigen Wegs bestand seit dem Jahr 1942 bis zur Wintersaison 2002/2003 eine Durchgangsmöglichkeit für Fußgänger. Dieser Weg war zunächst lediglich in Form eines nicht geschotterten Trampelpfads ausgestaltet. Ab 1950 bis 1954 fand eine verstärkte Benützung des Fußwegs durch jedermann, welcher an der Benützung des Wegs ein Interesse hatte, statt. 1996 wurde eine Tafel mit der Aufschrift „Durchgang nur bis auf Widerruf gestattet" angebracht. Im November 2002 errichtete die Beklagte über den streitgegenständlichen Weg einen Zaun.
In Abänderung des Ersturteils gab das Berufungsgericht der Klage statt und stellte fest, dass der klagenden Partei die Dienstbarkeit des Gehens an einem im Einzelnen näher bezeichneten Streifen auf dem Grundstück der beklagten Partei zustehe, und verpflichtete die beklagte Partei dazu, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Weiters verpflichtete es die beklagte Partei zur Beseitigung der Verbotstafeln sowie dazu, jede Störung der Dienstbarkeit des Gehens durch Aufstellung von der Dienstbarkeit entgegenstehenden Tafeln oder ähnliche Störungen zu unterlassen.
Die Aufstellung von nicht befolgten Verbotstafeln reiche für eine Freiheitsersitzung (usucapio libertatis) im Sinne des § 1488 ABGB nicht aus.
Über Antrag der beklagten Partei ließ das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 ZPO mit der Begründung zu, die beklagte Partei behaupte ein Abweichen des Berufungsgerichts von der im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs vorgegebenen Rechtsansicht. Außerdem behaupte die beklagte Partei das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit, deren Vorliegen die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertige, wenn diese Behauptung zutreffe. Auch die Frage, ob ein Umweg im Ausmaß von 250 m ein Utilitätserfordernis zu begründen vermöge, bilde eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
Ob das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang von seiner im ersten Rechtsgang überbundenen Rechtsansicht abgegangen ist, ist unerheblich, weil die Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof unabhängig von der Entscheidung der zweiten Instanz zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0042181 [T7, T10]). Eine derartige Abweichung von der überbundenen Rechtsansicht könnte höchstens einen Verfahrensmangel darstellen. Erweist sich aber die vom Berufungsgericht in der nunmehr angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht als zutreffend, so kann darin schon begrifflich kein die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeigneter Mangel erblickt werden.
Im Übrigen ist das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Prüfung der Stichhaltigkeit des Abänderungsantrags nach § 508 ZPO nicht ausreichend nachgekommen, genügt es doch hier nach gefestigter Rechtsprechung nicht, dass die geltend gemachten Gründe nicht als von vornherein völlig aussichtslos angesehen werden (RIS‑Justiz RS0112166). Der bloße Umstand, dass die beklagte Partei eine Aktenwidrigkeit behauptet, reicht daher zur Zulassung der Revision nicht aus.
Bei der Ersitzung eines Wegerechts durch die Gemeinde genügt es nach ständiger Rechtsprechung, wenn der Weg vom Publikum offenkundig zum allgemeinen Vorteil benützt wird. An die Notwendigkeit sind keine strengen Anforderungen zu stellen (RIS‑Justiz RS0010120 [T5, T6]; RS0011698 [T4]). Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist regelmäßig Frage des Einzelfalls. Nur völlige Zwecklosigkeit würde die Servitut vernichten (RIS‑Justiz RS0011589, RS0011582). Davon kann aber bei einer Wegersparnis von 250 m keine Rede sein.
Die Verbotstafel wurde nach den Feststellungen der Vorinstanzen erst nach Ablauf der Ersitzungsfrist aufgestellt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Verbotstafel nicht befolgt. Hat sich aber der Verpflichtete letztlich ohne Erfolg der Ausübung der Servitut widersetzt, kann auch kein Rechtsverlust eintreten (RIS‑Justiz RS0034241 [T3, T6]). Im Übrigen bildet auch die Frage, ob im Einzelfall ein Verlust der Servitut wegen usucapio libertatis eingetreten ist, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Damit bringt die Revisionswerberin aber keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
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