OGH 9Ob101/24d

OGH9Ob101/24d21.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Wagner & Wagner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Mag. Hannes Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wegen 16.195 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. August 2024, GZ 2 R 128/24x‑21, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Juni 2024, GZ 77 Cg 3/24y-16, das Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00101.24D.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurswird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Die klagende Gemeinde verfügte mit Mandatsbescheid vom 15. 1. 2021 – gestützt auf die §§ 6 und 12 des Kärntner Landessicherheitsgesetzes (K-LSiG) und § 57 AVG – die Abnahme zweier Hunde der Beklagten sowie deren Unterbringung im Tierschutz-Kompetenzzentrum (TiKo) auf Kosten der Beklagten. Mit Bescheid vom 18. 8. 2021 sprach die Klägerin unter Berufung auf § 12 Abs 5 K-LSiG gegen die Beklagte ein befristetes Hundehalteverbot bis 31. 12. 2022 aus und erklärte die Hunde der Beklagten zugunsten des TiKo für verfallen. Einer Berufung der Beklagten gegen diesen Bescheid wurde nicht Folge gegeben.

[2] Einer der Hunde wurde nach Erlass des Bescheids vom 18. 8. 2021 an eine dritte Person weitergegeben. Der zweite Hund wurde der Beklagten am 31. 12. 2022 zurückgegeben. Für die Verwahrung im Zeitraum 15. 1. 2021 bis 31. 12. 2022 bezahlte die Klägerin insgesamt 16.195 EUR an das TiKo.

[3] Die Klägerin begehrt den Ersatz der von ihr getragenen Verwahrungskosten von 16.195 EUR sA. Die Beklagte sei „als Verursacherin dieser Kosten sowohl aufgrund bestehender gesetzlicher Verpflichtungen als auch genereller schadenersatzrechtlicher Überlegungen“ zum Ersatz verpflichtet. Die Kostenersatzpflicht betreffend das für verfallen erklärte Tier ergebe sich aus § 16 K-LSiG.

[4] Die Beklagte bestreitet. Dass sie für die Kosten der Verwahrung der Hunde aufzukommen habe, sei weder vereinbart gewesen, noch sei ihr dies mitgeteilt worden. Im Rahmen ihrer Schadenminderungspflicht wäre die Klägerin zudem verpflichtet gewesen, die Hunde sofort an dritte Personen weiterzugeben. Mit Bescheid vom 18. 8. 2021 sei einer der Hunde für verfallen erklärt worden, weshalb die Beklagte spätestens mit diesem Zeitpunkt nicht mehr deren Eigentümerin und Halterin gewesen sei. Die Forderung werde auch der Höhe nach bestritten. Verwahrungskosten, die 2020 entstanden seien, seien bereits verjährt.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. Aus dem Bescheid vom 15. 1. 2021 sei die Kostentragungspflicht der Beklagten „klar zu entnehmen“.

[6] Aus Anlass der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung erklärte das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Kompetenz der ordentlichen Gerichte hänge davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht werde, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen werde. Die Klägerin habe die Abnahme und Fremdunterbringung der Hunde der Beklagten mittels Bescheid, daher mit hoheitlicher Gewalt angeordnet. Die maßgeblichen Bestimmungen des K‑LSiG sähen in § 6 Abs 5 und § 16 Abs 3 das Tragen der Verwahrungskosten durch den Eigentümer oder Tierhalter ausdrücklich vor. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten, ihr die im Zuge der behördlich verfügten Abnahme und Verwahrung der Tiere aufgewendeten Kosten zu ersetzen, sei daher ein öffentlich-rechtlicher. Zwar stütze die Klägerin das Klagebegehren auch auf „generelle schadenersatzrechtliche Überlegungen“. Der Umstand, dass die Beklagte die Verwahrungskosten verursacht habe, indem sie gegen die Hundehaltungsvorschriften des K-LSiG verstoßen habe, begründe aber keinen gesonderten bürgerlich-rechtlichen Schadenersatzanspruch. Infolge des hoheitlichen Handelns gegenüber der Beklagten handle es sich daher um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, für dessen Verfolgung der ordentliche Rechtsweg nicht offen stehe.

[7] Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss zu beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, in eventu „in der Sache selbst zu entscheiden“.

[8] Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs ist nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

[10] 1. Für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist die Natur des geltend gemachten Anspruchs maßgebend (RS0045644; RS0045718; RS0045584). Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte hängt davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird (RS0045644 [T12]). Es ist unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will (RS0102497 [T3]). Dabei sind insbesondere auch die dem Verwaltungshandeln zugrunde liegenden konkreten Rechtsvorschriften und die mit diesen verfolgten Ziele zu beachten (RS0102497 [T7]; vgl RS0049882 [T8, T14]). Dass an dem Rechtsverhältnis ein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger beteiligt ist, ordnet eine Sache noch nicht zwingend dem öffentlichen Recht zu; entscheidend ist vielmehr, ob an einem rechtlichen Vorgang ein mit Hoheitsgewalt ausgestattetes Rechtssubjekt in Ausübung dieser Hoheitsgewalt beteiligt ist (RS0045438 [T5]). Zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, dass auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen (RS0045438).

[11] 2. Die Klägerin stützte ihren Bescheid auf Abnahme der Hunde auf §§ 6, 12 des Kärntner Landessicherheitsgesetzes (K-LSiG).

[12] § 6 Abs 5 leg cit lautet:

„Werden Tiere entgegen dem Gebot des Abs. 2 gehalten, hat die Gemeinde mit Bescheid die zur Abwehr oder Beseitigung von Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen erforderlichen Aufträge zu erteilen. Kann einer Gefahr in anderer Weise nicht wirkungsvoll begegnet werden, hat die Gemeinde mit Bescheid die Abnahme und sichere Verwahrung des Tieres auf Kosten und Gefahr des Eigentümers […] zu verfügen. […]“

[13] 3. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass einerseits die Abnahme von Tieren durch die Gemeinde mit Bescheid, also mittels öffentlich-rechtlichem Akt vorzunehmen ist, als auch, dass die Verwahrung (durch die Gemeinde) auf Kosten des Eigentümers zu erfolgen hat. Die Abnahme eines Tieres begründet eine behördliche Gewahrsame, die „sichere Verwahrung“ – in der Regel durch Übergabe an geeignete Personen – ist die Aufrechterhaltung der behördlichen Gewahrsame (vgl 1 Ob 172/23k Rz 13, 15 zu § 30 TSchG; RS0134615). Indem das Gesetz vorsieht, dass die Kosten dieser behördlichen Gewahrsame vom Eigentümer zu tragen sind, regelt es die Kostentragung für einen von einem übergeordneten Rechtssubjekt gesetzten einseitigen Gestaltungsakt und nicht die Kosten aus einem (privatrechtlichen) Rechtsverhältnis, in dem sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen.

[14] Mit dem Berufungsgericht ist daher davon auszugehen, dass ein öffentlich‑rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird.

[15] 4. Auch für ähnliche Regelungen, wie etwa § 30 Abs 3 TSchG („erfolgt die Unterbringung auf Kosten und Gefahr des Tierhalters“) wird vertreten, dass die Vorschreibung der Kostentragung durch Bescheid zu erfolgen hat (vgl VwGH 2012/02/0252). Warum diese Bestimmung, bei der auch der Rekurs davon ausgeht, dass es sich in diesem Fall „von selbst verstehe, dass die entsprechendem Kosten mit Bescheid vorzuschreiben seien“, mit der vorliegend zu beurteilenden Regelung nicht vergleichbar sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

[16] 5. Wenn die Klägerin in ihrem Rekurs ausführt, dass sich in dem die Aufgaben der Gemeinden betreffenden Abschnitt des K-LSiG keine Verpflichtung zum Kostenersatz finden, übersieht sie den zuvor zitierten § 6 Abs 5. § 16 K‑LSiG regelt Befugnisse der Bezirksverwaltungsbehörde, ist also vorliegend nicht anwendbar.

[17] 6. Allein, dass die Klägerin den Anspruch aus dem von ihr vorgetragenen Sachverhalt auch darauf stützt, dass die Beklagte aus „generellen schadenersatzrechtlichen Überlegungen“ zum Ersatz verpflichtet sei, ändert an dieser Beurteilung nichts. Wie dargelegt ist für die Zulässigkeit des Rechtsweges die Natur des geltend gemachten Anspruchs und nicht die Beschaffenheit seines Rechtsgrundes maßgebend (RS0045644).

[18] 7. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

[19] 8. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

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