OGH 9Nc23/10x

OGH9Nc23/10x28.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander L*****, vertreten durch Plankel, Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 10.727,84 EUR brutto sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Arbeitsrechtssache wird an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht überwiesen.

Text

Begründung

Der in ***** wohnhafte Kläger macht mit seiner beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachten Klage offene Gehaltsansprüche aus einem mit der Beklagten vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007 bestehenden Agenturvertrag geltend. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe ein „echtes“ Arbeitsverhältnis bestanden, sodass dem Kläger noch unbeglichene Ansprüche auf Differenzzahlungen auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn, Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung zustehen. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines unselbständigen Dienstverhältnisses.

Nach dem Einspruch der Beklagten und einem Schriftsatzwechsel stellte der Kläger am 30. 6. 2010 einen Antrag auf Delegierung der Arbeitsrechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht. Er selbst und die von ihm beantragten sechs Zeugen haben ihren Wohnsitz im Sprengel dieses Gerichts, während der einzige von der Beklagten genannte Zeuge in Wien aufhältig sei. Durch eine Delegierung werde diesen Zeugen und ihm selbst ein Erscheinen vor dem erkennenden Gericht erleichtert, was zu einer wesentlichen Kostensenkung führe.

Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus. Dem Kläger sei von Anfang an bewusst gewesen, dass er die Klage fernab von seinem Wohnsitz einbringe. So wie der Kläger habe auch eine Reihe anderer früherer Mitarbeiter der Beklagten unter Einschaltung desselben Rechtsvertreters ihre Ansprüche beim Arbeits- und Sozialgericht Wien geltend gemacht. Ein Delegierungsantrag sei aber nur in jenen Verfahren gestellt worden, in denen dem Klagevertreter offenbar nicht genehme Richter zuständig seien. Da die Beklagte einen Zeugen mit Wohnsitz in Wien angeboten habe, sei die Übertragung der Rechtssache nicht im überwiegenden Vorteil beider Parteien gelegen.

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist gerechtfertigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Der Beklagten ist beizupflichten, dass eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen darf und nicht zu einer Durchbrechung der an sich maßgeblichen gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen soll. Gegen den Willen der anderen Partei kann die Delegierung daher nur dann ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589 ua).

Neben dem Kläger hat die weit überwiegende Anzahl der bisher angebotenen sieben Zeugen ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Dass die Beklagte bisher einen Zeugen mit Wohnsitz in Wien beantragt hat, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Im Fall der beantragten Delegierung kann der überwiegende Teil des Beweisverfahrens vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden, ohne dass der Großteil der Zeugen eine weite und kostspielige Anreise in Kauf nehmen müsste. Auf diese Weise werden durch die kürzeren Anreisewege sowohl Reisezeit als auch Reisekosten gespart. Dies dient jedenfalls der Erleichterung des Gerichtszugangs und der Kostenersparnis und entspricht daher den Zielsetzungen der Delegierung. Die auf diese Weise erzielbare Verfahrenskonzentration samt der damit verbundenen Kosten- und Zeitersparnis ist im Interesse beider Parteien gelegen. Es überwiegen daher die für eine Delegierung sprechenden Gründe.

Für die Behauptung der Beklagten, der Kläger bzw seine Rechtsvertreter würden nur in Ansehung unangenehm erscheinender Richter die Delegierung beantragen, bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist zwar richtig, dass der Kläger gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASGG die Klage bereits von Anfang an beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht hätte einbringen können und diese Vorgangsweise auch zweckmäßiger gewesen wäre. Dieser Umstand ändert aber nichts an der Beurteilung, dass die Delegierung zweckmäßig ist. Es besteht kein Grundsatz, demzufolge eine Delegierung ausgeschlossen wäre, wenn der Kläger die Unzweckmäßigkeit seiner Vorgangsweise hätte voraussehen können (9 Nc 5/10z mwN).

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