Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt zu GZ 7 P 168/99t-53 gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Mödling wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Gegenstand des seit November 1999 anhängigen Pflegschaftsverfahrens waren zunächst verschiedene Anträge der damals noch verheirateten Eltern auf vorläufige Obsorgeregelungen und auf Regelungen des väterlichen Besuchsrechts.
Am 11. 1. 2002 wurde die Ehe der Eltern im Einvernehmen geschieden. Im anlässlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vereinbarten die Eltern, dass die Obsorge für den Minderjährigen weiterhin beiden Elternteilen zukommen solle und dass er sich (so wie bisher) hauptsächlich im Haushalt der Mutter aufhalten werde. Dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. Mit der Begründung, der Minderjährige sei von einem Besuch beim Vater völlig verstört zurückgekommen, beantragte die Mutter nur wenige Tage nach Abschluss des Scheidungsvergleiches, das dem Vater eingeräumte Besuchsrecht auszusetzen und ihr die alleinige Obsorge zu übertragen. Daraufhin beantragte auch der Vater, ihm die alleinige Obsorge zuzuerkennen. Am 17. 6. 2002 zogen die Eltern sämtliche offenen Anträge zurück und beantragten die pflegeschaftsgerichtliche Genehmigung der anlässlich der Ehescheidung geschlossenen Vereinbarungen. Diese Genehmigung wurde mit Beschluss vom 17. 6. 2002 erteilt.
Am 26. 6. 2002 schlossen die Eltern einen Vergleich, in dem sie übereinkamen, dass der Minderjährige ab sofort im Haushalt des Vaters betreut werde. Der Mutter wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. Mit Beschluss vom 8. 7. 2002 wurde auch diese Vereinbarung pflegschaftsbehördlich genehmigt.
Bereits am 1. 8. 2002 beantragte die Mutter abermals, ihr vorläufig die alleinige Obsorge zuzuteilen, weil der Vater angekündigt habe, mit dem Kind ins Ausland zu übersiedeln und außerdem die im Vergleich vom 26. 6. 2002 geschlossene Unterhaltsvereinbarung nicht einhalte. Diesem Antrag folgte ein Antrag des Vaters, mit dem dieser unter Hinweis auf Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechts durch die Mutter die Aussetzung des Besuchsrechts und die Entziehung der Obsorge beantragte.
Am 11. 11. 2002 gab der Vater bekannt, mit dem Minderjährigen nach Maria Enzersdorf verzogen zu sein, und beantragte, die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das für seinen nunmehrigen Wohnsitz zuständige Bezirksgericht. Mit Beschluss vom 11. 11. 2001 übertrug daraufhin das Bezirksgericht Klagenfurt seine Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache des Minderjährigen an das Bezirksgericht Mödling, in dessen Sprengel der Minderjährige nunmehr seinen Aufenthalt habe.
Das Bezirksgericht Mödling lehnte die Übernahme des Aktes unter Hinweis auf die offenen Anträge der Eltern ab.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist nicht berechtigt.
Für den Obersten Gerichtshof besteht dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen (vgl 3 Nd 517/99; 10 Nd 509/01; 10 Nd 510/02).
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Gericht im Interesse des Pflegebefohlenen seine Zuständigkeit übertragen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Falle der Weigerung des anderen Gerichtes eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht - hier des Obersten Gerichtshofes - erfolgt.
Wesentliches Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit sind die Interessen des Minderjährigen. Offene Anträge bilden im Allgemeinen kein Hindernis für eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht kommt eine besondere Sachkenntnis zu (vgl RIS-Justiz RS0047032; zuletzt 5 Nd 512/00; 5 Nd 517/00; 8 Nd 504/01). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das übertragende Gericht bereits durch unmittelbare Einvernahme der maßgeblichen Personen einen Eindruck gewonnen hat (zuletzt etwa 8 Nd 504/01).
Im hier zu beurteilenden Fall hat das übertragende Gericht ein aufwendiges Verfahren zur Regelung der Obsorge und des Besuchsrechtes geführt, in dessen Verlauf es sich eingehend mit den Beteiligten und mit deren Umfeld auseinandergesetzt hat. Zwar trifft es zu, dass die dieses aufwendige Verfahren auslösenden Anträge bereits (letztlich durch einen Vergleich der Eltern) erledigt sind; die zuletzt gestellten Anträge stehen aber mit den bereits erledigten in einem untrennbaren (sachlichen und zeitlichen) Zusammenhang, was insbesondere auch dadurch deutlich wird, dass die Mutter ihren nunmehrigen Antrag unter anderem damit begründet, die vor kurzem getroffene Obsorgevereinbarung nur auf Grund massiven wirtschaftlichen Drucks des Vaters geschlossen zu haben. Inhaltlich entscheidend für die Erledigung der nunmehrigen Anträge sind zu einem erheblichen Teil nach wie vor die im bisherigen Verfahren von den Eltern aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem Wohl des Minderjährigen, mit denen sich aber das übertragende Gericht bereits ausführlich auseinandergesetzt hat.
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt auf Übertragung der Zuständigkeit war daher nicht zu genehmigen.
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