Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen S 61.118,-- (netto) zu bezahlen, abgewiesen wird.
Der Kläger hat seine Verfahrenskosten selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 1.1.1990 aufgrund eines mit 31.12.1994 befristeten Arbeitsverhältnisses Angestellter der Gemeinschuldnerin. Am 23.2.1993 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet; der Kläger erklärte hierauf am 22.3.1993 seinen vorzeitigen Austritt (§ 25 KO idF vor dem IRÄG 1994).
Mit Bescheid vom 29.10.1993 lehnte die beklagte Partei die Forderung des Klägers auf Zahlung von Insolvenzausfallgeld im Betrag von S 61.118,-- im Ausmaß eines Monatsentgeltes des Klägers als Teilforderung der Abfertigung - für einen Teil der Abfertigung im Ausmaß von zwei Monatsentgelten wurde mit gesondertem Bescheid Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt - ab, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers nur wenig mehr als drei Jahre gedauert habe.
Der Kläger begehrte in seiner Klage Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe des Klagsbetrages - das überdies in erster Instanz noch erhobene Zinsenbegehren wurde vom Berufungsgericht nach Nichtigerklärung des diesbezüglichen Verfahrensteiles rechtskräftig zurückgewiesen und ist daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens - mit dem Vorbringen, ihm gebühre zufolge der vereinbarten fünfjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung von drei Monatsentgelten. Der Masseverwalter habe die angemeldete Abfertigungsforderung auch anerkannt.
Die beklagte Partei - nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, vormals Arbeitsamt Graz - beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil das Arbeitsverhältnis nur drei Jahre gedauert habe. Den (ehemaligen) Arbeitgeber treffe kein Verschulden an der Vertragsauflösung. Das der materiellen Rechtslage zuwiderlaufende Anerkenntnis des Masseverwalters sei nicht bindend.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aufgrund des eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhaltes mit der Begründung statt, die beklagte Partei sei an die rechtskräftige Anmeldung im Konkursverfahren (gemäß § 61 KO iVm § 7 Abs 1 IESG) gebunden. Diese Bindung könne nicht nachträglich gemäß § 1 Abs 3 Z 2 IESG behoben werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei - mit Ausnahme des Zinsenzuspruches - nicht Folge. Die beklagte Partei sei an die konkursrechtliche Feststellung gebunden; es handle sich nicht um einen nach § 1 Abs 3 Z 2 lit a IESG ausgeschlossenen Anspruch. Dem Anerkenntnis durch den Masseverwalter liege keine "Einzelvereinbarung" zugrunde.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Masseverwalter ist gemäß § 25 Abs 1 KO berechtigt, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Durch das IRÄG 1994 ist insoweit keine Änderung eingetreten, daß nämlich der Masseverwalter an Befristungen ebensowenig gebunden ist, wie an längere vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen und abweichende Kündigungstermine (Arb 10.328; 9904). Damit ist nicht nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf sogenannte Kündigungsentschädigung - diese ist nicht Verfahrensgegenstand - begrenzt, es muß vielmehr auch der Berechnung des Abfertigungsanspruches dieser fiktive Kündigungstermin zugrundegelegt werden (Arb 10.328 mwN).
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch seinen vorzeitigen Austritt am 22.3.1993. Auch unter Hinzurechnung des Zeitraumes, für den ihm Kündigungsentschädigung gemäß § 29 AngG gebührt, wird die zeitliche Bedingung für den um den Klagsbetrag höheren Anspruch auf Abfertigung nicht annähernd erfüllt.
In der Beurteilung von Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüssen bleibt die beklagte Partei in allen Fragen, die im gerichtlichen Verfahren (als dort nicht anspruchsbegründend) von vornherein nicht zu prüfen waren oder (mangels Einwendung) nicht geprüft wurden, frei; auch bei einem Anerkenntnis des Masseverwalters sind Anspruchsbegrenzungen und Ausschlüsse selbständig zu prüfen (9 Ob S 26/93). Soweit das Anerkenntnis des Masseverwalters hinsichtlich der Klagsforderung den weitergehenden, ausgeschlossenen Teil der Abfertigung betrifft, besteht somit keine Bindung im Sinne des § 7 Abs 1 IESG. Gemäß § 25 KO idF vor dem IRÄG 1994 besteht kein Anspruch des Klägers auf weitergehenden Schadenersatz, zumal ein "Anlaßfall" im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG nicht vorliegt. Des hilfsweisen Größenschlusses, daß der Begriff der Einzelvereinbarung gemäß § 1 Abs 3 IESG auch die einseitige, prozessuale Willenserklärung des Masseverwalters, die zum Anerkenntnis führte, umfaßt, bedarf es nicht mehr, zumal dieser gerichtlichen Entscheidung "kein streitiges Verfahren" vorangegangen ist (vgl § 7 Abs 1 zweiter Satz IESG). Da der (weitergehende) Schadenersatzanspruch des Klägers gemäß § 25 Abs 2 KO idF des IRÄG für den Kläger nicht besteht, bewirkt dies keinesfalls die fiktive Verlängerung des am 22.3.1993 beendeten Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.1994. Die vom Kläger zitierte Entscheidung Arb 10.407 betraf einen besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmer (Mitglied des Betriebsrates). Von dieser Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof später abgegangen (WBl 1994, 23).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; besondere Billigkeitsgründe sind im Hinblick auf das Ausmaß des mit gesonderten Bescheid anerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes nicht gegeben.
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