OGH 8ObS328/98p

OGH8ObS328/98p29.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Edith Söllner und Norbert Nischkauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Helmut Z*****, Baumeister, ***** vertreten durch Dr. Georg Reiter und Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für Soziales und Behindertenwesen Oberösterreich, Linz, Gruberstraße 63, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld S 986.917,76 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. September 1998, GZ 12 Rs 155/98w-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. April 1998, GZ 14 Cgs 209/97p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers wurde mit Beschluß vom 28. 6. 1994 das Konkursverfahren eröffnet, das sodann am 1. 10. 1994 gemäß § 166 Abs 1 KO wieder aufgehoben wurde. Der (erste) Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld vom 28. 11. 1994, mit dem er Ansprüche aus einem vom Masseverwalter mit Schreiben vom 3. 8. 1994 zum 4. 10. 1994 aufgekündigten Arbeitsverhältnis geltend machte, wurde mit rechtskräftigem Bescheid der beklagten Partei vom 1. 12. 1994 abgelehnt.

Am 29. 8. 1996 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers mangels hinreichenden Vermögens abgelehnt. Der (zweite) Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld vom 28. 2. 1997, mit dem die Gegenstand des Antrages vom 28. 11. 1994 und des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides vom 1. 12. 1994 bildenden Ansprüche neuerlich geltend gemacht wurden, wurde mit Bescheid vom 3. 10. 1997 abgelehnt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 3. 11. 1997 beim Erstgericht eingelangte Klage.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Begründung der Berufungsentscheidung, es sei dem Kläger, dessen erster Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld rechtskräftig abgewiesen worden war, verwehrt, einen neuen Antrag unter Hinweis auf den zweiten insolvenzrechtlichen Tatbestand, nämlich Ablehnung des Antrages auf Konkurseröffnung mangels hinreichenden Vermögens, zu stellen; dadurch werde kein neuerlicher Fristenlauf im Sinne des § 6 Abs 1 Z 1 bis 6 IESG in Gang gesetzt und nach Ablauf der ersten materiell-rechtlichen Ausschlußfrist könne der Kläger seinen Anspruch nicht ein zweites Mal geltend machen, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisonsausführungen ist zu erwidern:

Eine Nachsicht der Fristversäumung zufolge der "Härteklausel" gemäß § 6 Abs 1 (zweiter Unterabsatz) IESG kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger seinen (ersten) Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld rechtzeitig gestellt hat. Die "Härteklausel" ermöglicht unter der Voraussetzung des Vorliegens von berücksichtigungswürdigen Gründen eine Nachsicht der Fristversäumung des nach Ablauf der 6-Monatsfrist des § 6 Abs 1 IESG gestellten Antrages, nicht aber die Nachsicht der Versäumung der Frist für die Einbringung einer, aus welchen Gründen auch immer unterbliebenen Klage gegen den Bescheid, mit dem der erste Antrag abgewiesen wurde. Mag auch die rechtliche Begründung des den ersten Antrag des Klägers ablehnenden Bescheides in Widerspruch zu der Entscheidung des OGH vom 14. 12. 1995, 8 ObS 45/95 (= SZ 68/237), die denselben insolventen Arbeitgeber wie im Falle des Klägers betraf, stehen, so hat der Kläger es unterlassen, innerhalb der Frist des § 67 Abs 2 ASGG gegen den (ersten) Bescheid der beklagten Partei die "Bescheidklage" zu erheben. Das dadurch gegebene Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges kann durch eine Nachsicht der Fristversäumung im Fall einer unzulässigen zweiten Antragstellung nicht beseitigt werden. Wie der Fall der Entscheidung vom 14. 12. 1995, 8 ObS 45/95, denselben Arbeitgeber wie den des Klägers betreffend, zeigt, wäre eine Bescheidklage des Klägers voraussichtlich erfolgreich gewesen. Die Ausschlußwirkung eines materiell-rechtskräftigen abweisenden Bescheides kann aber der Kläger nicht durch eine neuerliche Antragstellung aus Anlaß eines neuen Tatbestandes im Sinne des § 1 Abs 1 IESG beseitigen (vgl E 17. 3. 1993, 9 ObS 15/93 = WBl 1993, 327). Das von Liebeg (IESG2, Rz 11 zu § 6) gebrauchte argumentum ad absurdum ist überzeugend; denn anderenfalls stünde es im Belieben eines Anspruchswerbers, durch neuerliche Anträge auf Konkurseröffnung die Befristung des Antrages auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld gemäß § 6 Abs 1 IESG mühelos zu umgehen und die zeitlichen Beschränkungen der Antragstellung zu vereiteln. Dies zeigt sich überdies auch dadurch, daß der "Härteklausel" (gemäß § 6 Abs 1 zweiter Unterabsatz IESG) ihr Anwendungsbereich weitgehend entzogen wäre, müßte ein Anspruchswerber statt eines Antrages auf Fristnachsicht mit ungewissem Ausgang - abhängig davon, daß die beklagte Behörde (oder im Wege der sukzessiven Zuständigkeit sodann das Gericht) die geltend gemachten Gründe auch als berücksichtigungswürdig ansieht - lediglich einen neuen Antrag auf Konkurseröffnung stellen.

Nur durch eine Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG könne die Rechtskraft des Bescheides vom 1. 12. 1994, womit der erste Antrag des Klägers abgewiesen wurde, und die damit verbundene Ausschlußwirkung beseitigt werden. Eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 1 Z 2 (früher lit b) AVG bildet aber keine geeignete Grundlage dafür, im wiederaufgenommenen Verfahren die ursprüngliche rechtliche Beurteilung eines in Wahrheit unveränderten Sachverhaltes zu ändern (VwGH 29. 5. 1990, Zl 88/04/0033). Der Fall einer anderslautenden Entscheidung des Gerichtes über eine Vorfrage liegt hier nicht vor (§ 69 Abs 1 Z 3 AVG, sogenannter Vorfragentatbestand).

Die Kostenentscheidung gründet sich § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; der Kläger hat die für einen Kostenersatz nach Billigkeit erforderlichen Umstände weder bescheinigt, noch sind solche der Aktenlage zu entnehmen.

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