OGH 8ObS240/97w

OGH8ObS240/97w7.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Johann Meisterhofer und Mag.Christa Marischka als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerald B*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Thomas Stampfer und Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark, Graz, Babenbergerstraße 35, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld (S 68.187,-- netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Mai 1997, GZ 8 Rs 20/97s-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.November 1996, GZ 37 Cgs 164/96k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war als Angestellter rund 17 Jahre bei einer Bank beschäftigt, über deren Vermögen am 17.3.1996 das Konkursverfahren eröffnet wurde; sein Arbeitsverhältnis endete durch Austritt gemäß § 25 KO. Die beklagte Partei gewährte dem Kläger Insolvenz-Ausfallgeld unter anderem für sechs Monatsentgelte Abfertigung, nicht aber für eine zusätzliche Abfertigung von zwei Monatsentgelten gemäß § 13 Abs 2 des Kollektivvertrages für die Angestellten der Banken und Bankiers (zusätzliche Abfertigung von zwei Monatsentgelten bei einer mehr als fünfjährigen Dienstzeit im Bankbetrieb).

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsurteils, dem Kläger gebühre gemäß § 1 Abs 4 a IESG nur eine Abfertigung nach den §§ 23 und 23a AngG (im Ausmaß von sechs Monatsentgelten) und nicht im höheren kollektivvertraglichen Ausmaß (gemäß § 13 Abs 2 des Kollektivvertrages von acht Monatsentgelten), denn der Kollektivvertrag sei keine "andere gleichartige österreichische Rechtsvorschrift", ist zutreffend (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist zu entgegnen:

Schon das Erstgericht hat auf die Bestimmung des § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG verwiesen, wonach der Gesetzgeber hinsichtlich der höheren Entgeltvereinbarungen den durch unterschiedliche Rechtsquellen bestimmten Standard mit der Aufzählung vom Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung (und Betriebsübung) so unterscheidet, daß im Sinne einer systematischen Auslegung zu folgern ist, daß mit dem Ausdruck "Anspruch auf Abfertigung nach den §§ 23 und 23a AngG oder einer anderen gleichartigen österreichischen Vorschrift "nur eine gesetzliche Regelung (vgl Schwarz/Reissner/Holzer/Holler, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz-Nachtrag 1995, 21) zu verstehen ist. Die unterschiedliche Rechtssatzqualität von Gesetz und Kollektivvertrag, die der Gesetzgeber im Bereich des IESG keinesfalls übersehen hat, wird durch die Auslegung des normativen Teiles des Kollektivvertrages nach den Bestimmungen der § 6 f ABGB (vgl E 60 zu § 6 ABGB in MGA34; Posch in Schwimann, ABGB2 I Rz 39 zu § 6 ABGB) nicht verwischt, wie dies durch den unterschiedlichen Rang der Rechtsquellen (im Stufenbau) bei der Prüfung der Gesetzwidrigkeit von Kollektivverträgen gemäß § 879 Abs 1 ABGB (vgl Krecji in Rummel ABGB2, § 879 Rz 178), bei der unterschiedlichen Rechtsgrundlage von Sonderzahlungen gemäß § 16 AngG - das Gesetz enthält nur die Aliquotierungsregelung, Ausmaß und Höhe von Sonderzahlungen ist regelmäßig den einzelnen Kollektivverträgen zu entnehmen - uva, erkennbar ist.

Die Annahme, § 1 Abs 4 a IESG sei gegenüber § 1 Abs 2 Z 1 IESG als Ausnahmsregelung teleologisch zu reduzieren, ist verfehlt. Nicht nur zufolge der systematischen Auslegung ergibt sich schon, daß ein Kollektivvertrag nicht eine den §§ 23 und 23a AngG "gleichartige" Rechtsvorschrift ist; das alte Rezept, "Ausnahmsvorschriften seien jedenfalls eng auszulegen" (JBl 1976, 200 ua, abgelehnt in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 10.7.1996 3 Ob 34/94 = JBl 1996, 646) wird wegen der vorrangigen Beachtung der Teleologie nunmehr abgelehnt [siehe auch Bydlinski, Methodenlehre2, 440 FN 61]. Die Orientierung am Versicherungsprinzip in Korrelation zu durch die Höchstbeitragsgrundlage bestimmten Versicherungsbeiträgen (§ 2 Abs 1 AMPFG verweist auf § 45 ASVG) und der Anspruchsbegrenzung für Abfertigungen gemäß § 1 Abs 4 lit a IESG macht deutlich, daß für über das gesetzliche Vielfache hinausgehende Abfertigungsansprüche kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld besteht, auch nicht im Rahmen der durch die gesetzliche Abfertigung noch unausgeschöpft gebliebenen Differenz auf den sich durch die Anspruchsbegrenzung ergebenden (höheren) Betrag. Zwar kann eine kollektivvertragliche (höhere)

Abfertigung nicht mit einer freiwilligen Abfertigung (SSV-NF 10/62 =

RdW 1997, 32 = ZIK 1997, 69) gleichgesetzt werden, dennoch wäre es

verfehlt und mit der Teleologie des IESG nicht zu vereinen, die über § 23 Abs 1 AngG hinausgehenden kollektivvertraglichen Vielfachen des Monatsentgeltes zur Auffüllung der niedrigeren Monatsentgelte bis zum Ausmaß der Höchstbeitragsgrundlage heranzuziehen.

Die Deutung des Kollektivvertrages als "sektoral delegierte Gesetzgebungsbefugnis" (hinsichtlich der Entgeltbestimmung) läßt außer acht, daß eine solche Delegation verfassungswidrig wäre (zur "formalgesetzlichen Delegation" vgl Mayer B-VG2 Art 18 II. 1.), ebenso wie eine dynamische Verweisung auf Normen einer anderen Rechtsetzungsautorität (Mayer aaO Art 18 II. 3.; vgl zum Kollektivvertrag SZ 66/48). Zur Begrenzung der Abfertigungsansprüche durch den gesetzlichen Multiplikator hat der Oberste Gerichtshof schon Stellung dahin genommen (8 ObS 21/94 = WBl 1995, 160), daß der Gesetzeszweck durch die Einbeziehung einer freiwilligen Abfertigung in Form weiterer Monatsentgelte umgangen würde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; Billigkeitsgründe für einen Kostenzuspruch trotz Unterliegens liegen nicht vor, zumaldem Kläger rund das Fünffache des aberkannten Betrages für unstrittige Ansprüche zuerkannt wurde.

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