OGH 8ObS208/02z

OGH8ObS208/02z19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Ing. Wilhelm Sturm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Daniela S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei IAF-Service Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 2.659,82 Insolvenz-Ausfallgeld (Revisionsinteresse EUR 2.132,21) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Oktober 2002, GZ 11 Rs 211/02g-12, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Juni 2002, GZ 18 Cgs 38/02b-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 28. 3. 2001 ist über das Vermögen des Arbeitgebers der Klägerin der Konkurs eröffnet worden; ihr Arbeitsverhältnis endete per 28. 2. 2001.

Streitgegenständlich ist die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für "Diäten" (Reisekosten- und Reiseaufwandentschädigung) hat, die außerhalb des Sechsmonatszeitraums des § 3a Abs 1 IESG vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen.

Die Vorinstanzen sprachen der klagenden Partei lediglich die innerhalb der letzten sechs Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses fällig gewordenen Taggelder für 22 Tage, insgesamt EUR 527,61 zu und wiesen das Mehrbegehren auf weitere EUR 2.132,21 für Taggelder für außerhalb dieser Zeitspanne liegende weitere 89 Tage ab. Die Revision wurde zugelassen, weil zur Frage, ob sich die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche vor der Konkurseröffnung gemäß § 3a Abs 1 IESG auch Aufwandersätze strecke, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Den Revisionsausführungen, die sich gegen die aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. 2. 2001, 8 ObS 293/00x, WBl 2001, 438, abgeleitete Argumentation mangels angeblicher Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles richtet, ist zu erwidern:

Es ist zwar richtig, dass nach dem im Arbeitsrecht herrschenden Entgeltbegriff Reisekosten - als Aufwandersatz - nicht als "Entgelt" zu qualifizieren sind (DRdA 1993, 387 = RIS-Justiz RS0030847). Die in der oben zitierten Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt einerseits und Aufwandersatz andererseits findet ihre Ursache in der Notwendigkeit einer Differenzierung der entsprechenden Ansprüche, etwa im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, beim Urlaubsentgelt oder bei der Abfertigung. Dort muss aus sachlich zwingenden Gründen sichergestellt sein, dass bei der Bemessung der entsprechenden Arbeitnehmeransprüche Leistungen, durch die lediglich ein tatsächlich entstandener Aufwand abgegolten wurde, unberücksichtigt bleiben. Auch im Sozialversicherungs- und Steuerrecht muss gewährleistet sein, dass echter Aufwandersatz bei der Beitrags- oder Steuerbemessung nicht berücksichtigt wird (vgl etwa § 49 Abs 3 ASVG).

Der erkennende Senat hat in der genannten Entscheidung 8 ObS 293/00x (= WBl 2001, 438) betreffend die Ausfallshaftung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß § 3 Abs 2 Z 5 und Abs 4 IESG für Aufwandersatz (Reisekosten) für vom Masseverwalter angeordnete Tätigkeiten ausgesprochen, dass unter "laufendem Entgelt" iSd § 3a IESG auch der durch die Arbeitsleistung laufend entstehende Anspruch auf Aufwandersatz zu verstehen sei, weil es anderenfalls zu dem nicht gerechtfertigten Ergebnis käme, dass zwar das dem Kläger zustehende laufende Entgelt (im Wege der Ausfallshaftung) gesichert sei, nicht aber die im gleichen Zeitraum durch vom Masseverwalter angeordnete Tätigkeiten aufgelaufenen Reisekosten. Die vom allgemeinen Arbeitsrecht angestellten, oben ausgeführten Überlegungen können im vorliegenden Zusammenhang nicht zum Tragen kommen, in dem es vielmehr dem Gesetzgeber durch die in § 3a für "laufendes Entgelt" geschaffene Ausfallshaftung erkennbar darum ging, die unmittelbar durch die weiter erbrachte Arbeitsleistung laufend entstehenden Arbeitnehmeransprüche zu sichern.

Zu Recht ging das Berufungsgericht davon aus, dass dann, wenn wegen der Interessenlage eine Differenzierung zwischen Entgelt und Reisekosten im Hinblick auf die Ausfallshaftung nicht zulässig ist, eine Differenzierung auch hinsichtlich deren zeitlicher Begrenzung nicht gerechtfertigt ist. Dieser Sicht wird durch den Normzweck des § 3a IESG gestützt, mit dessen Einführung die Kreditierung von Entgeltansprüchen durch Arbeitnehmer eingeschränkt werden sollte (RV 737 BlgNR 20. GP, 8). Es wäre nicht vertretbar, Entgeltansprüche einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen nur für einen sechsmonatigen Zeitraum vor der Konkurseröffnung bzw vor der früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Ansprüche auf Aufwandentschädigung aber ohne zeitliche Beschränkung zu sichern. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer in der Regel auf Ersatz des Aufwands besonders dringen. Es ist ihnen daher jedenfalls zumutbar, Ansprüche auf Aufwandersatz innerhalb des Zeitraums geltend zu machen, der ihnen für die Geltendmachung des laufenden Entgelts vom Gesetzgeber des IESG zur Verfügung gestellt wurde.

Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus, dass sich die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld gemäß § 3a Abs 1 IESG auch auf die hier strittigen Taggelder, sowie Nächtigungsgelder, Reisekosten und Diäten, also Aufwandsentschädigungen im weiteren Sinn erstreckt und diese nicht als sonstige Ansprüche iSd § 1 Abs 2 Z 3 IESG gegen den Arbeitgeber zeitlich unbeschränkt rückwirkend geltend gemacht werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG.

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