European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00037.19B.1216.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger war vom 1. 11. 1998 bis 31. 1. 2017 Vertragsbediensteter der Beklagten.
Ab 15. 9. 2011 war der Kläger im Krankenstand. Vom 1. 8. 2012 bis zur Aufllösung mit 31. 1. 2017 war sein Dienstverhältnis über seinen Antrag gemäß § 28 Abs 1 des Gesetzes über das Dienst- und Gehaltsrecht der Vertragsbediensteten der Landeshauptstadt Graz (G‑VBG) karenziert. In dieser Zeit bezog der Kläger eine befristete Invaliditätspension. Das Dienstverhältnis wurde per 31. 1. 2017 über Ansuchen des Klägers aufgelöst.
Strittig ist, ob der Kläger bei Beendigung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf Ersatzleistung gemäß § 26 G-VBG für seinen offenen Erholungsurlaub aus den Jahren 2010 bis 2012 hat. Die Beklagte wandte den Verfall des Urlaubsanspruchs ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Karenzierung des Klägers während des Bezugs einer Invalidiätspension sei dem Fall einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit gleichzuhalten. Beide hätten die Hemmung des Verfalls bis zum Ende des Dienstverhältnisses bewirkt.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten Folge, wies das Klagebegehren ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Regelung des § 25 Abs 8 G-VBG über den Verfall des Urlaubs nehme auf die Möglichkeit einer Karenz Bedacht, sehe aber nur für den Fall der Mutterschaftskarenz auch eine Hemmung des Urlaubsverfalls vor. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zu 8 ObA 24/09a bei einem gleichartigen Sachverhalt, in dem eine vergleichbare Regelung der Wiener VBO zu prüfen war, eine Hemmung des Verfalls verneint. Dieses Ergebnis stehe auch mit der ArbeitszeitRL 2003/88/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH nicht im Widerspruch. Die Karenzierung nach § 28 Abs 1 G-VBG könne nur auf Antrag des Vertragsbediensteten erfolgen und liege ausschließlich in dessen Interesse. Während der Karenzierung bestehe bei gleichzeitigem Entfall der Bezüge keine Arbeitspflicht, sodass eine Urlaubsvereinbarung nicht in Betracht komme und der Arbeitgeber den Vertragsbediensteten überhaupt nicht in die Lage versetzen könnte, den Urlaub zu verbrauchen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei macht keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend.
Nach § 28 Abs 1 G‑VBG kann dem Vertragsbediensteten auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Gemäß § 22 Abs 10 G-VBG endet das Dienstverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn Dienstverhinderungen (ua) wegen eines Unfalls oder einer Krankheit ein Jahr gedauert haben, mit Ablauf dieser Frist.
Für den Kläger hätte die letztere Bestimmung bedeutet, dass sein Dienstverhältnis nach einjähriger Dauer des Krankenstands mit Ablauf des 15. 9. 2012 ex lege geendet hätte, wenn die Beklagte nicht in seinem Interesse seinem Antrag auf Karenzierung nach § 28 Abs 1 G‑VBG stattgegeben hätte.
Nach § 28 Abs 1 G‑VBG hat der Vertragsbedienstete in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub. Nach Abs 8 leg cit verfällt der Anspruch auf Erholungsurlaub, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres ein.
Hat der Vertragsbedienstete eine Karenz nach dem Steiermärkischen Mutterschutz- und Karenzgesetz in Anspruch genommen, dann wird der Verfallstermin um den Zeitraum dieser Karenz hinausgeschoben.
Nach § 26 Abs 5 G‑VBG gebührt dem Vertragsbediensteten bei Beendigung des Dienstverhältnisses für nicht verbrauchten Erholungsurlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren eine Ersatzleistung. Für bereits verfallenen Erholungsurlaub gebührt keine Ersatzleistung.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 8 ObA 24/09a in Anwendung der mit § 28 Abs 8 G‑VBG fast wortidenten Regelung des § 25 Abs 3 Wiener VBO (idF vor LGBl 20/2009) über einen vergleichbaren Fall entschieden. Auch die Klägerin jenes Verfahrens war auf eigenen Antrag während des Bezugs einer Invaliditätspension über mehr als zwei Jahre durchgehend karenziert und machte bei Beendigung des Dienstverhältnisses Ersatzansprüche für Urlaub aus früheren Urlaubsjahren geltend. Der Oberste Gerichtshof bejahte einen Verfall dieser Ansprüche. Da der Gesetzgeber für verschiedene Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen habe, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindere, sei auch davon auszugehen, dass er für den streitgegenständlichen Fall der Karenz eben kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollte. Dies sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die gesundheitliche Nichteignung des Vertragsbediensteten einen gesetzlichen Kündigungsgrund bilde. Während der Karenzierung sei ein Urlaubskonsum nicht wegen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin infolge Krankheit, sondern von vornherein mangels Bestehens einer Arbeitspflicht ausgeschlossen gewesen. Im Hinblick auf die ausdrücklichen Regelungen des Landesgesetzgebers komme in diesem Fall ein Heranziehen der allgemeinen Regelungen des ABGB über die Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen nicht in Betracht.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Grundsätze.
Die Revision erblickt einen Widerspruch der Berufungsentscheidung zu Art 7 der RL 2003/88/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH, insbesondere den Entscheidungen C‑684/16, Shimizu und C‑619/16, Kreuziger . Ansprüche auf Urlaub in Natura bzw auf Urlaubsabgeltung könnten danach nur dann untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen und ihn über den drohenden Verfall aufgeklärt habe.
Auch zu diesem Einwand hat bereits das Berufungsgericht Stellung genommen und darauf verwiesen, dass der Kläger nicht durch eine mangelnde Mitwirkung des Arbeitgebers oder eine fehlende Aufklärung über die drohende Verjährung an der Stellung eines Urlaubsantrags gehindert, sondern durch die von ihm beantragte und in seinem Interesse gelegene Karenzierung . Welche Schritte die beklagte Partei dennoch unternehmen hätte können, um trotz Fehlens einer Arbeitsverpflichtung einen Erholungsurlaub zu ermöglichen, führt auch die Revision nicht aus.
Der EuGH hat im Urteil C‑214/10, KHS (Rn 35), entschieden, dass bei arbeitsunfähigen Arbeitnehmern in Bezug auf den Übertragungszeitraum, nach dessen Ende der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlöschen kann, in Anbetracht von Art 7 der RL 2003/88/EG zu beurteilen ist, ob dieser Zeitraum vernünftigerweise als Zeitraum eingestuft werden kann, bei dessen Überschreitung der bezahlte Jahresurlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat (damals 15 Monate ausreichend, KHS Rn 43).
Schon nach § 28 Abs 8 G‑VBG steht dem Vertragsbediensteten jeweils ein Zeitraum von zwei Jahren für den Verbrauch von je mindestens fünf Wochen Jahresurlaub zur Verfügung. Hier kann von einem zu kurzen Übertragungszeitraum im oben dargestellten Sinn nicht gesprochen werden.
Wäre das Dienstverhältnis des Klägers bei Antritt der befristeten Invaliditätspension ab 1. 8. 2012 beendet worden oder hätte es wegen Fortdauer des Krankenstands bis zum 15. 9. 2012 ex lege geendet, wäre dem Kläger mit der Beendigung auch ein Anspruch auf Urlaubsabfindung für den strittigen Zeitraum zugestanden. Es war allein die Folge der auf Antrag und im Interesse des Klägers anstelle der Beendigung vereinbarten bloßen Karenzierung des Dienstverhältnisses, dass weder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abfindung zu diesem Zeitpunkt vorlagen, noch ein Verbrauch des Urlaubs in den Folgejahren möglich war. Aus dem Entgegenkommen des Arbeitgebers, der keine zwingenden dienstlichen Gründe im Sinn des § 28 Abs 1 G-VBG gegen die bloße Karenzierung geltend gemacht hat, kann nicht der Vorwurf abgeleitet werden, dass er den Kläger nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu verbrauchen (vgl C‑684/16, Shimizu ).
Es liegt hier vielmehr eine Situation vor, in dem es der Arbeitnehmer selbst war, der durch die von ihm gewünschte Gestaltung seines Rechtsverhältnisses auf die sofortige Entstehung eines Abfindungsanspruchs für den angesammelten Urlaub verzichtet (idS C‑619/16, Kreuziger ) und damit für den Fall einer länger dauernden Karenzierung den möglichen Verfall von Ansprüchen in Kauf genommen hat.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht damit im Einklang. Insgesamt zeigt die Revision somit keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinaus erheblichen Rechtsfragen auf.
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