OGH 8ObA276/94

OGH8ObA276/9415.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie die fachkundigen Laienrichter D.I. Holzer und Hofrat List als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Maria H*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei *****, Allgemeine Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Strommer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert nach RAT 1,441.860 S sA, nach GGG 15.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Februar 1994, GZ 33 Ra 157/93-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22.Juni 1993, GZ 14 Cga 63/93y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin ist seit 1.Juni 1984 bei der beklagten Partei beschäftigt. Auf ihr Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für Versicherungsangestellte im Innendienst (KVI) vom 1.Jänner 1983 anzuwenden, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

"§ 4

Art der Anstellung

(1) Nach ihrer Anstellung im Dienste des Unternehmens werden

unterschieden:.......

a) Angestellte auf bestimmte Zeit

b) Provisorische Angestellte

c) Definitive Angestellte

(2) Das Provisorium dauert fünf Jahre. .......

§ 17

Fortzahlung der Bezüge und Zuschußleistung im

Krankheitsfalle

.............

(4) Nach dem vollendeten 3. Dienstjahr beträgt die Dauer, während

welcher Zahlungen gemäß Abs 1 und sodann bei längerwährender

Dienstunfähigkeit gemäß Abs 2 mit der in Abs 7 angeführten

Einschränkung zustehen, bei einer Dienstzeit (§ 5 Abs 4)

bis zum vollendeten 5. Dienstjahr ............. 4 Monate

vom 6. bis zum vollendeten 10. Dienstjahr ... 9 Monate

.................

vom vollendeten 25. Dienstjahr angefangen .. 18 Monate.

(5) Überschreitet die durch Krankheit oder Unfall verursachte

Dienstverhinderung die im Abs 4 bezeichneten Fristen, steht der

Direktion das Recht zu, das Dienstverhältnis auch von definitiven

Angestellten mit einer Dienstzeit von mehr als 3 Dienstjahren bis zum

vollendeten 10. Dienstjahr unter Einhaltung einer dreimonatigen,

jenes von Angestellten mit einer mehr als zehnjährigen Dienstzeit

unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist, welche mit

Ablauf eines Kalenderquartals zu endigen hat, aufzukündigen.

..............

IV. Der Betriebsrat

§ 19

(1) Der Wirkungskreis des Betriebsrates richtet sich nach den gesetzlichen und den durch diesen Kollektivvertrag festgelegten Bestimmungen.

(2) Wenn in Fällen, in denen nach den Bestimmungen des vorliegenden Kollektivvertrages das Einvernehmen zwischen Direktion und Betriebsrat erforderlich ist, ein solches Einvernehmen nicht hergestellt werden kann, entscheidet endgültig der Vorsitzende des Aufsichtsrates oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Aufsichtsrates, bei ausländischen Unternehmungen ein am Sitz der inländischen Hauptniederlassung entscheidender Delegierter, der jedoch nicht der österreichischen Direktion des ausländischen Unternehmens angehören darf, im Falle des § 33 Abs 9 aber der dortselbst bezeichnete Schiedsmann.

(3) Verfügungen in Personalangelegenheiten, bei denen das

Einvernehmen zwischen Direktion und Betriebsrat erforderlich ist,

sind in schriftlicher Form festzulegen; sie treten erst nach

erfolgter Einigung oder, wenn keine Einigung zustande kam, nach

Erledigung des im vorhergehenden Absatz erwähnten Verfahrens in

Kraft. ......

(4) Die im Sinne der vorhergehenden Absätze getroffenen

Entscheidungen sind sowohl für das Unternehmen als auch für den

Angestellten rechtsverbindlich.

§ 23

Disziplinarstrafen

..........

(2) Disziplinarstrafen sind:

..........

4. Die strafweise Kündigung; .......

IX. Auflösung des Dienstverhältnisses

§ 33

Kündigung

..........

(4) Nach Erlangung des Definitivums kann Angestellten wegen

zweimaliger nicht zufriedenstellender Dienstbeschreibung (§ 20),

sonst nur auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses oder in den Fällen

der Absätze 6, 7, 8 und 9 dieses Paragraphen und der §§ 34 und 35

gekündigt werden. .........

(5) Die Kündigungsfrist für definitive Angestellte beträgt, wenn der Ausspruch der Kündigung vor Vollendung des zehnten Dienstjahres erfolgt, drei, sonst sechs Monate. Die Kündigung kann nur so erfolgen, daß die Kündigungsfrist mit Ende eines Kalendervierteljahres abläuft.

(6) Die Kündigung von erkrankten Angestellten kann nach den Bestimmungen des § 17 ohne Einleitung eines Disziplinarverfahrens erfolgen.

(7) Das Dienstverhältnis von Angestellten, die nach ihrem Lebensalter, wenn sie in keinem versicherungspflichtigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stünden, ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung hätten, kann von der Direktion im Einvernehmen mit dem Betriebsrat oder vom Angestellten zum Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. In diesen Fällen gebührt dem Angestellten neben der gesetzlichen eine weitere Abfertigung in der Höhe der auf die Kündigungsfrist (§ 33 Abs 5) entfallenden Bezüge.

(8) Tritt dauernde Berufsunfähigkeit ein, kann das Dienstverhältnis auch definitiver Angestellter von beiden Seiten mit dem auf die Zustellung des entsprechenden Bescheides der Pensionsversicherung folgenden Monatsletzten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. In diesen Fällen gebührt dem Angestellten neben der gesetzlichen eine weitere Abfertigung in der Höhe der auf die Kündigungsfrist (§ 33 Abs 5) entfallenden Bezüge.

(9) Das Dienstverhältnis definitiver Angestellter, welche das

25. Dienstjahr (§ 5 Abs 1) vollendet oder mindestens 300 Beitragsmonate in der Sozialversicherung (Pensionsversicherung) erworben und bereits das 55.Lebensjahr (Männer) bzw. das 50. Lebensjahr (Frauen) zurückgelegt haben, jedoch nach Ablauf der Kündigungsfrist und so vieler Monate, als der Bemessung der Abfertigung, wobei der gesetzliche Anspruch um 50 % erhöht wird, was eine Verlängerung der Laufzeit der Abfertigung zur Folge hat, zugrundegelegt wurden, noch keinen Anspruch auf die Alterspension, Berufsunfähigkeitspension bzw. Invaliditätspension aus der Sozialversicherung besitzen, kann von dem Unternehmen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gekündigt werden; kommt kein Einvernehmen zwischen Direktion und Betriebsrat zustande, so entscheidet endgültig ein vom Präsidenten des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs und dem Obmann der Sektion Versicherung der Gewerkschaft der Privatangestellten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gemeinsam bestellter Schiedsmann. Kommt keine Einigung über die Person des Schiedsmannes zustande, dann ist dieser über Antrag einer der beiden Parteien vom Präsidenten des örtlich zuständigen Landesgerichtes für Zivilrechtssachen zu bestellen. Solche Personen erhalten nach Ablauf der Kündigungsfrist und des Zeitraumes, für welchen ihnen Abfertigung gebührt, bis zu jenem Zeitpunkte, in dem ihnen ein Anspruch auf eine Pension aus der Sozialversicherung anfällt oder anfallen würde, wenn sie nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stünden oder einen diesem gleichgehaltenen Beruf ausübten, eine 14 mal jährlich auszuzahlende Pension aus Mitteln des Unternehmens in der Höhe der Berufsunfähigkeitspension aus der Sozialversicherung, die ihnen bei Beendigung des Dienstverhältnisses gebühren würde. Der Anspruch auf diese Leistungen ruht während der Ausübung einer Beschäftigung, welche nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften die Einstellung der Sozialversicherungspension bewirkt. Der Pensionsbezieher ist verpflichtet, nach Beendigung des Dienstverhältnisses die gesetzliche Sozialversicherung (Pensionsversicherung) in der Höhe der letzten Bemessungsgrundlage und die Krankenversicherung gegen Ersatz der Beiträge durch das Unternehmen freiwillig fortzusetzen. Er ist ferner verpflichtet, über Aufforderung durch das Unternehmen den Anspruch auf die Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung ohne Verzug gehörig geltend zu machen und alle Vorschriften zu erfüllen, um zum nächstmöglichen Termin in den Genuß der gesetzlichen Pension zu gelangen und in ihrem Genusse zu verbleiben. ......

§ 34

(1) Außer den in § 33 angeführten Gründen können definitive Angestellte inländischer Unternehmen sowie inländischer Repräsentanzen ausländischer Unternehmen mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt werden:

a) Bei Betriebsvereinfachung, räumlicher oder sachlicher Einschränkung des Geschäftsbetriebes im In- oder Ausland, Fusionierung, Eingehung einer Betriebsgemeinschaft, Liquidierung oder Portefeuilleverkauf;

b) im Falle einer durch organisatorische Änderungen im Inland oder Ausland bedingten Verminderung des inländischen Verwaltungsapparates;

c) bei einer Verminderung des Umfanges des Geschäftsstockes;

d) im Falle eines Geschäftsrückganges;

All dies wenn bei einem solchen Anlaß eine Personalreduktion notwendig und zweckdienlich ist.

(2) Die Abfertigung beträgt für definitive Angestellte das gesetzliche Ausmaß zuzüglich einer Erhöhung um 50 %. Hat der Angestellte im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses, im Zweifel also bei Ablauf der Kündigungsfrist, 25 Dienstjahre zurückgelegt und das 50. Lebensjahr überschritten, das 55. Lebensjahr noch nicht erreicht, so erhöht sich die gesetzliche Abfertigung um 100 %, wenn er aber das 55. Lebensjahr überschritten und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, um 150 %. Bei Angestellten von mehr als 55 Lebensjahren steht dem Dienstgeber wahlweise das Recht zu, von der Möglichkeit des § 33 Abs 9 Gebrauch zu machen; in diesem Falle gebührt die Abfertigung in der dortselbst festgesetzten Höhe. Wird die Kündigung zufolge eines wirtschaftlichen Notstandes des Dienstgebers ausgesprochen und dieser Sachverhalt gemäß Abs 3 festgestellt, so kann die Höhe der Abfertigung nach billigem Ermessen unter Bedachtnahme auf alle maßgeblichen Umstände auch in einem geringeren Ausmaße festgesetzt werden, äußerstens jedoch bis zum Ausmaß der Abfertigung nur nach dem Angestelltengesetz reduziert werden; auch kann in diesem Verfahren die Ermächtigung erteilt werden, die Bestimmung des § 33 Abs 9 auch auf männliche Angestellte anzuwenden, die erst das 50. Lebensjahr erreicht haben.

(3) Über das Vorhandensein der im Abs 1 und 2 genannten Tatbestände, ferner über die Zulässigkeit der Vornahme von Kündigungen aus diesem Anlaß, über die Zahl der zu kündigenden Personen und über deren Auswahl entscheidet die Direktion mit Zustimmung des Betriebsrates. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so entscheidet eine Kommission, die aus je zwei Vertretern der Direktion und des Betriebsrates, vermehrt um je einen Vertreter des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs und des Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Versicherung, zusammengesetzt ist. Sie steht unter der Leitung eines stimmberechtigten Vorsitzenden, der gemeinsam von allen Kommissionsmitgliedern mit Stimmenmehrheit gewählt wird. Ergibt sich keine Stimmenmehrheit, pflegen der Präsident des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs und der Obmann der Sektion Versicherung der Gewerkschaft der Privatangestellten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes das Einvernehmen. Kommt auch auf diese Weise keine Einigung zustande, wird der Vorsitzende von der Versicherungsaufsichtsbehörde ernannt. Die Kommission faßt ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit.

.........

§ 35

(1) Sofern auf Leiter von Geschäftsstellen und Angestellte im Außendienst dieser Kollektivvertrag Anwendung findet, können sie jederzeit wegen nicht zufriedenstellender Dienstleistung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gekündigt werden, wenn sie nicht aus dem Bürodienst des gleichen Unternehmens hervorgegangen sind; ausgenommen hievon sind Angestellte im technischen Außendienst.

(2) Dagegen können diesem Kollektivvertrag unterliegende Leiter von Geschäftsstellen und Angestellte des Außendienstes, wenn sie aus dem Bürodienst des gleichen Unternehmens hervorgegangen sind, von der Direktion im Einvernehmen mit dem Betriebsrat wegen nicht zufriedenstellender Dienstleistung auf einen internen Büroposten zurückversetzt werden, dessen Versehung ihnen billigerweise zugemutet werden kann; zu dieser Rückversetzung bedarf es bei Angestellten des Außendienstes oder Geschäftsstellenleitern, die weniger als zwei Jahre im Außendienst stehen oder eine Geschäftsstelle geleitet haben, nicht des Einvernehmens mit dem Betriebsrat. Bei Rückversetzung in den Innendienst steht dem Angestellten der Anspruch zumindest auf jene Bezüge zu, welche er vor Übertritt in den Außendienst oder vor Antritt des Postens als Geschäftsstellenleiter hatte; darüber hinaus sind jene tourlichen Avancements zu berücksichtigen, auf die bei unausgesetzter Dienstleistung im Innendienst während der Zeit der Tätigkeit im Außendienst oder als Geschäftsstellenleiter Anspruch bestanden hätte. Nachzahlungen aus diesem Titel gebühren nicht. Weigert sich der Angestellte, den ihm zugewiesenen Dienstposten anzutreten, so steht der Direktion im Einvernehmen mit dem Betriebsrat das Recht der Kündigung des Dienstverhältnisses zu; in diesem Falle hat der Gekündigte Anspruch auf die gesetzliche Abfertigung. - Die Bestimmungen der § 1 Abs 2 lit c und § 2 Abs 2 dieses Kollektivvertrages bleiben unberührt.

(3) Das mit dem Betriebsrat in den obigen Fällen zu pflegende Einvernehmen bezieht sich auch auf die Feststellung der nicht zufriedenstellenden Leistung.

.........".

Im Dezember 1992 trat der Betriebsrat der beklagten Partei ohne Angabe von Gründen geschlossen zurück. Ein neuer Betriebsrat wurde am 5. Mai 1993 gewählt und konstituierte sich am 7.Mai 1993.

Mit Schreiben vom 16.März 1993 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis der Klägerin unter Berufung auf § 33 Abs 7 KVI und für den Fall, daß die Klägerin noch keinen Anspruch auf eine gesetzliche Alterspension haben sollte, gemäß § 33 Abs 9 KVI zum 31. März 1993 auf.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis über den 31.März 1993 hinaus aufrecht sei. Sie sei eine definitiv Angestellte im Sinne des KVI. Die Voraussetzungen des § 33 Abs 7 KVI - Anspruch auf Alterspension und Einvernehmen mit dem Betriebsrat - lägen nicht vor. Auch zur Kündigung nach § 33 Abs 9 KVI sei ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat erforderlich; falls dies nicht zustande komme habe ein vom Präsidenten des Verbandes der Versicherungsunternehmungen und vom Obmann der Sektion Versicherung der Gewerkschaft der Privatangestellten gemeinsam bestellter Schiedsmann zu entscheiden. Da mangels Bestehens eines Betriebsrates kein Einvernehmen zwischen der Geschäftsleitung der beklagten Partei und dem Betriebsrat erzielt worden sei, wäre die Entscheidung des im KVI vorgesehenen Schiedsmannes einzuholen gewesen. Des weiteren seien von der beklagten Partei auch die besondere Formvorschriften nach § 19 KVI nicht eingehalten worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die am 18.August 1934 geborene Klägerin habe insgesamt 401 Beitragsmonate in der Pensionsversicherung erworben; unter Berücksichtigung der als Ersatzzeiten geltenden Studienzeiten sowie der beitragsfreien Anrechnung einer Ersatzzeit für die Kindererziehung seien bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Alterspension wegen langer Versicherungsdauer im Sinne des § 253 b ASVG erfüllt. Als Ausgleich für die nach § 33 Abs 7 KVI verkürzte Kündigungsfrist gebühre dem Angestellten quasi als eine Art Kündigungsentschädigung zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung eine weitere Abfertigung in der Höhe der auf die Kündigungsfrist entfallenden Bezüge. Diese zusätzlichen Bezüge seien der Klägerin ausbezahlt worden. Das in § 33 Abs 7 KVI geforderte Einvernehmen mit dem Betriebsrat setze voraus, daß ein Betriebsrat existiere; wähle die Belegschaft keinen Betriebsrat, dokumentiere sie damit, daß sie auf ihre Mitspracherechte verzichte. Falls die Klägerin noch keinen Anspruch auf vorzeitige Alterspension habe, könne die Kündigung auf § 33 Abs 9 KVI gestützt werden, da die Klägerin mindestens 300 Beitragsmonate in der Pensionsversicherung erworben und das 50. Lebensjahr vollendet habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte zur Begründung aus, die beklagte Partei habe die die Herstellung eines Einvernehmens mit dem Betriebsrat voraussetzenden Bestimmungen des § 33 Abs 7 und 9 KVI unzulässig umgangen, indem sie ein relativ kurzzeitiges Nichtbestehen eines Betriebsrates dazu benützt habe, um ohne Mitsprache der Belegschaftsvertretung einen so schwerwiegenden Schritt wie die Auflösung eines Dienstverhältnisses zu setzen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige. Völlig zu Recht mache die Klägerin geltend, daß die §§ 19 Abs 2 und 3 iVm § 33 Abs 9 KVI für alle jene Fälle die Vorgangsweise bestimmten, in denen nach den Bestimmungen des KVI das Einvernehmen zwischen Direktion und Betriebsrat erforderlich sei und ein solches Einvernehmen nicht hergestellt werden könne. Wenn man hingegen davon ausgehe, daß die Betriebsverfassung gesetzlich abschließend und absolut zwingend geregelt sei und daher Bestimmungen in einem Kollektivvertrag, wonach für eine Kündigung eines Dienstnehmers das Einvernehmen mit dem Betriebsrat herzustellen sei, nichtig seien, wäre die gegenständliche Kündigung ohne Rechtsgrundlage und damit nicht rechtswirksam erfolgt.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionswerberin führt vor allem ins Treffen, daß es sich bei dem in § 33 Abs 7 und 9 KVI normierten Erfordernis des Einvernehmens mit dem Betriebsrat bezüglich der Kündigung um eine unzulässige Erweiterung der im II. Teil des ArbVG absolut zwingend festgelegten Mitwirkungsrechte des Betriebsrates handle.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der kollektivvertraglichen Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Entlassung in der Entscheidung DRdA 1990/9 (krit. Jabornegg) auseinandergesetzt.

Der Oberste Gerichtshof hatte gegen die Zulässigkeit der Beschränkung

des Entlassungsrechtes des Arbeitgebers durch die Pflicht, vorher den

Betriebsrat anzuhören, keine Bedenken; dies nehme dem Arbeitgeber

nicht die Befugnis, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, sondern

verpflichte ihn nur, dem Betriebsrat Gelegenheit zur Äußerung zur

beabsichtigten Maßnahme zu geben. Die Argumentation Jaborneggs in

seiner Kritik dieser Entscheidung basiert vor allem darauf, daß in

der einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen Regelung des § 106

ArbVG anders als in dem vom Obersten Gerichtshof zur Beurteilung der

geltend gemachten entlassungsabhängigen Ansprüche anzuwendenden

Kollektivvertrag eine Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der

Entlassung nicht vorgesehen ist. Soweit hingegen Jabornegg auch die

in diesem Kollektivvertrag vorgesehene Anhörung des Betriebsrates vor

Ausspruch der Kündigung in seine Kritik einbezieht, setzt er sich

nicht damit auseinander, daß auch § 105 ArbVG eine Verständigung des

Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung und - auf Verlangen des

Betriebsrates - eine Beratung darüber vorsieht und daß in

Kollektivverträge häufig auch gesetzliche Regelungen übernommen werden.

Das Fehlen des im § 33 Abs 7 KVI geforderten Einvernehmens mit dem

Betriebsrat hat gemäß § 19 Abs 2 KVI allerdings zur Folge, daß der

Vorsitzende des Aufsichtsrates des Unternehmens oder eine andere in

dieser Bestimmung genannte Person über die Maßnahme zu entscheiden

hat. Bei dieser Entscheidung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates

handelt es sich nicht bloß um eine allenfalls mit § 95 Abs 5 AktG

vereinbare Beschränkung der - nur das Innenverhältnis zwischen

Gesellschaft und Organen betreffenden - Geschäftsführung des

Vorstandes (vgl. Strasser in Schiemer-Jabornegg-Strasser AktG3 §§ 95

bis 97 Rz 4), sondern - in diesem Zusammenhang sei insbesondere auf §

19 Abs 4 KVI hingewiesen - um eine gemäß § 74 Abs 2 AktG unzulässige

Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes im

Außenverhältnis gegenüber den Angestellten des Unternehmens (vgl.

Strasser aaO Rz 41 und 82). Die im § 19 KVI vorgesehene Einschränkung

der Vertretungsbefugnis des Vorstandes verstößt daher gegen zwingende

Vorschriften des AktG. Darüber hinaus sind die Mitwirkungsrechte der

Belegschaft als Bestandteil des Betriebsverfassungsrechtes gesetzlich

abschließend und absolut zwingend geregelt und schon dadurch

grundsätzlich der Gestaltung durch Kollektivvertrag entzogen (siehe

DRdA 1994/3 [zustimmend Jabornegg]; Jabornegg, Absolut zwingendes

Arbeitsverfassungsrecht, FS Strasser [1983], 367 ff [379 f; 383 f];

Tomandl, Arbeitsrecht3 I 128 f; Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II 62 f). Da die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrates zum Übergang der Entscheidungsbefugnis auf den Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder eine andere im § 19 Abs 2 KVI genannte Person führt, verstößt diese kollektivvertragliche Regelung daher auch gegen absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht. Die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats in einem Konflikt zwischen Vorstand und Betriebsrat über die vom Vorstand beabsichtigte Kündigung eines Angestellten kann schließlich nicht als Regelung der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers iS des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG angesehen werden und ist auch nicht typischer Inhalt des Einzelarbeitsvertrages, sodaß die Bestimmung des § 19 KVI auch nicht von der den Kollektivvertragsparteien eingeräumten Regelungsbefugnis gedeckt ist (Strasser, Arbeitsrecht3 II 139 f; Jabornegg, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtsetzung und richterliche Kontrolle JBl 1990, 205 ff [210 f]; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 89 f; Mayer-Maly-Marhold aaO 62 f).

Auch in der von der beklagten Partei subsidiär zur Begründung der

Kündigung herangezogenen Bestimmung des § 33 Abs 9 KVI wird das

Einvernehmen des Betriebsrates zur Kündigung gefordert; die

Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat führt jedoch nicht

zur Befassung eines weiteren Organs der beklagten Partei sondern zur

Entscheidung eines von den Kollektivvertragsparteien gemeinsam,

mangels Einigung auf Antrag einer Kollektivvertragspartei vom

Präsidenten des örtlich zuständigen Landesgerichtes für

Zivilrechtssachen zu bestellenden Schiedsmannes. Damit führt die

Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat zur Entscheidung

eines von dritter Seite bestimmten Schiedsmannes über die Ausübung

des nach § 105 ArbVG sowohl bei Unterbleiben einer Stellungnahme des

Betriebsrates als auch bei ausdrücklichem Widerspruch des

Betriebsrates an keine Zustimmung Dritter oder einer Behörde

gebundenen Kündigungsrechtes des Dienstgebers. Dadurch wird die

Ausübung des Kündigungsrechtes des Dienstgebers zwar nicht - wie etwa

bei den Gegenstand der Entscheidung DRdA 1994/3 (zust Jabornegg)

bildenden personellen Maßnahmen im Einzelfall - nur an die Zustimmung

des Betriebsrates gebunden, aber die Wirkung der in § 105 ArbVG

vorgesehenen Stellungnahme des Betriebsrates durch die Bindung des

Arbeitgebers an den Spruch eines Schiedsmannes für den Fall der nicht

ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrates erheblich verstärkt. Geht

man davon aus, daß einerseits die Mitwirkungsrechte der Belegschaft

als Bestandteil des Betriebsverfassungsrechtes gesetzlich abschließend und absolut zwingend geregelt und schon dadurch grundsätzlich der Gestaltung durch Kollektivvertrag entzogen sind und darüber hinaus von der den Kollektivvertragsparteien in § 2 Abs 2 ArbVG übertragenen Regelungsbefugnis nicht umfaßt sind , verstößt auch die im § 33 Abs 9 KVI vorgesehene Mitwirkung des Betriebsrates gegen zwingendes Recht, was zur Nichtigkeit dieser Regelung führt.

Vor der Prüfung, ob der Zweck der Verbotsnorm die Aufrechterhaltung

der übrigen Teile des § 33 Abs 9 KVI gestattet (siehe Koziol-Welser

Grundriß9 I 148), ist zu prüfen, ob es nicht auch bezüglich der für

den Fall des fehlenden Einverständnisses des Betriebsrates

vorgesehenen Entscheidung durch einen von dritter Seite bestellten

Schiedsmann an der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien

fehlt. Anders als die von der Judikatur (Arb 8.483; Arb 9.322; die Frage der Regelungsbefugnis offenlassend Arb 10.250 = DRdA 1984/14 [krit. Binder] = ZAS 1984/30 [krit. Rummel]) und der herrschenden Lehre (Strasser ArbVG Handkommentar 27; derselbe Arbeitsrecht3 II 137; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 86; Cerny in Cerny-Haas - Laßnigg-Schwarz Arbeitsverfassungsrecht II § 2 Anm 7; Binder aaO; Rummel aaO; aM Kuderna, Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis DRdA 1978, 3 ff [10 f]; Jabornegg, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richtlicher Kontrolle, JBl 1990, 205 ff [213]) als zulässiger Inhalt von Kollektivverträgen angesehenen Zwangsschlichtungsklauseln, die lediglich die Aufgabe haben, eine einvernehmliche Beilegung eines Streites über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis herbeizuführen, ist durch den hier vorgesehenen Schiedsmann ein Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Ausübung des Kündigungsrechtes zu entscheiden. Eine derartige Klausel kann nicht als Regelung der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG angesehen werden und ist auch nicht typischer Inhalt eines Einzelarbeitsvertrages. Darüberhinaus ist darauf hinzuweisen, daß die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu vom Arbeitgeber geplanten Maßnahmen - durch die nach den §§ 144 ff ArbVG jeweils im Bedarfsfall einzurichtenden Schlichtungsstellen - im ArbVG abschließend geregelt ist und daher mit der im § 33 Abs 9 KVI vorgesehenen Entscheidung durch einen Schiedsmann unzulässigerweise in absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht eingegriffen wird.

Da der Schutzzweck der Normen über die Rechtssetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien sowie der absolut zwingenden Normen des Betriebsverfassungsrechtes (siehe Koziol-Welser Grundriß des bürgerlichen Rechts9 I 148; Krejci in Rummel ABGB2 I § 879 Rz 250) weder für noch gegen eine Rechtsgültigkeit bzw. gänzliche Unwirksamkeit des § 33 Abs 7 und Abs 9 KVI spricht, hängt es vom hypothetischen Parteiwillen ab, ob die Bestimmung teilweise aufrecht bleibt oder nicht (siehe Apathy in Schwimann ABGB IV/1 § 879 Rz 26). Es ist daher durch Vertragsauslegung zu ermitteln, ob die Parteien auch ohne den ungültigen Teil kontrahiert hätten (siehe Apathy aaO § 878 Rz 3). Hiebei sind die Kündigungsbestimmungen des KVI als notwendiges Gegenstück zur grundsätzlichen Einschränkung des Kündigungsrechtes des Dienstgebers bezüglich definitiv Angestellter durch den KVI anzusehen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Arbeitgeberseite diesen kollektivvertraglichen Kündigungsschutz nur unter der Voraussetzung zugestand, daß ihr die Kündigungsmöglichkeit in den ihr aus personenbezogenen oder betrieblichen Gründen als erforderlich erachteten Fällen gewahrt blieb. Führte daher die Nichtigkeit der in § 33 Abs 7 und 9 KVI getroffenen Verfahrensregelungen - die zu § 33 Abs 7 und 9 KVI angestellten Erwägungen gelten im übrigen auch für die wichtigen Kündigungsgründe nach den §§ 34 und 35 KVI - zu einer Nichtigkeit auch des die jeweiligen materiellen Voraussetzungen für die Kündigung normierenden Teiles und damit zum völligen Entfall dieser Kündigungsmöglichkeiten, wäre damit die Gültigkeit des kollektivvertraglichen Kündigungsschutzes insgesamt in Frage gestellt, da der Arbeitgeberseite nicht unterstellt werden kann, dem Definitivum auch ohne Einräumung dieser wesentlichen Kündigungsmöglichkeiten zugestimmt zu haben. Aus der Sicht der Arbeitnehmerseite erscheint hingegen die Aufrechterhaltung des Definitivums unter Einräumung bestimmter Kündigungsgründe auch ohne Beibehaltung der dem Betriebsrat, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates (sowie den anderen im § 19 KVI genannten Personen) und Dritten durch den Kollektivvertrag eingeräumten Mitwirkungsrechte günstiger als der völlige Entfall des Definitivums.

Da die Vorinstanzen, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung, nicht geprüft haben, ob die im § 33 Abs 7 oder Abs 9 KVI normierten materiellen Voraussetzungen für die Kündigung - Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit oder Erwerb von mindestens 300 Beitragsmonaten in der Pensionsversicherung - zum Kündigungstermin 31. März 1993 vorlagen, bedarf es einer Ergänzung des Beweisverfahrens über die diesbezüglichen Behauptungen der beklagten Partei.

Der Revision war daher im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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