Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß für den telefonischen Verkauf das Öffnungszeitengesetz, BGBl 1992/50, in der geltenden Fassung anzuwenden sei und auf die Arbeitsverhältnisse der vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer die Bestimmungen des am 1. 1. 1997 in Kraft getretenen Kollektivvertrages betreffend Beschäftigung und Arbeitsleistungen im Rahmen der Regelungen der Öffnungszeiten gemäß dem Öffnungszeitengesetz, abgeschlossen zwischen der Wirtschaftskammer Österreichs, Sektion Handel, und dem österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, anzuwenden seien, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die nachstehend bestimmten Verfahrenskosten
1.) der ersten Instanz von S 18.295,20 (darin S 3.049,20 USt),
2.) des Berufungsverfahrens von S 22.870,80 (darin S 3.811,80 USt und keine Barauslagen) und
3.) des Revisionsverfahrens von S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt)
jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt einen Versandhandel und unterliegt dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte. Sie beschäftigt rund 50 Angestellte im Telefondienst. Die Normalarbeitsstunden und Mehrarbeitsstunden werden von mehreren Arbeitnehmern nach folgender Aufstellung an Werktagen von Montag bis Freitag nach 18.30 Uhr geleistet:
Montag bis Donnerstag: ab 18.30 Uhr ...........11 Personen
ab 19.00 Uhr ............7 Personen
ab 19.30-20 Uhr .........4 Personen
Freitag: ab 18.30 Uhr ............9 Personen
ab 19.00 Uhr ............7 Personen
ab 19.30-20 Uhr . .......4 Personen
Zum Tätigkeitsbereich der im Telefondienst Beschäftigten gehört vor allem die Aufnahme von Bestellungen. Der Kunde erhält auch Auskunft darüber, ob die gewünschten Produkte erhältlich und lieferbar sind. Die Lieferzeit der ca 60.000 im Sortiment angebotenen Artikel beträgt 5 bis 6 Tage.
Der klagende Betriebsrat begehrte die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung mit dem weiteren Vorbringen, daß die Arbeitnehmer im telefonischen Verkauf auch Beratungstätigkeiten entfalteten, Bonitätsentscheidungen träfen, Kontoauskünfte erteilten etc. Beim Telefonservice der Beklagten handle es sich um eine Betriebseinrichtung, bei der Warenbestellungen im Kleinverkauf entgegengenommen würden, weshalb das ÖffnungszeitenG, dem keinerlei Einschränkung auf den unmittelbaren Ladenverkauf zu entnehmen sei, und der Kollektivvertrag betreffend Beschäftigung und Arbeitsleistung im Rahmen der Regelung der Öffnungszeiten gemäß dem ÖffnungszeitenG, der gesonderte Zuschläge bzw Zeitausgleichsansprüche für Arbeitsleistungen von Montag bis Freitag nach 18.30 Uhr vorsehe, anzuwenden seien.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der Versandhandel unterliege nicht dem ÖffnungszeitenG. Die Haupttätigkeit der Arbeitnehmer, die mit der telefonischen Bestellungsannahme befaßt seien, sei die Annahme, das Erfassen von Bestellungen und die Auskunft über die Lieferbarkeit. Der im ÖffnungszeitenG verwendete Begriff "Läden und sonstige Verkaufsstellen" setze einen unmittelbaren persönlichen Kontakt zwischen Kunden und Verkäufer in der Verkaufsstelle voraus, der beim Versandhandel fehle. Das ÖffnungszeitenG regle die Zutrittsmöglichkeit zu Betriebseinrichtungen. Aus dem Fertigbedienungsrecht ergebe sich, daß der Kunde in der Verkaufsstelle anwesend sein müsse. Eine Vollziehung des ÖffnungszeitenG im Versandhandel scheitere an den gebietlichen Sonderregelungen, bei denen der Versandhandel keine Beachtung gefunden habe, und innerhalb des Unternehmens bei der Abgrenzung, welche Bereiche dem ÖffnungszeitenG unterliegen. Weder Lehre noch Rechtsprechung zeigten Anhaltspunkte, daß der Versandhandel unter das ÖffnungszeitenG falle; die Gleichstellung des Versandhandels mit Einkaufszentren sei gleichheitswidrig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zu den eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt stellte es noch weiters fest:
Der Aufnahme von Bestellungen im telefonischen Verkauf geht eine Beratung über die angebotenen Produkte voraus, bei der den Kunden vor allem Informationen, die dem Warenkatalog nicht zu entnehmen sind, übermittelt werden. Diese Informationen werden vom Bildschirm abgelesen. Der Kunde erhält ua Beratung über Größen, Farben und etwaige Ersatzartikel. Anfragen betreffend Bonitätsauskünfte, die Bearbeitung von Zustellungen und Nachsendungen oder von Reklamationen nimmt die Telefonistin an und gibt sie an die Fachabteilung weiter.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß das ÖffnungszeitenG auf den Versandhandel anzuwenden sei, weil dem Begriff "Betriebseinrichtung" nach § 1 Abs 2 ÖffnungszeitenG ein weites Verständnis zugrundezulegen sei. Aus dem Fertigbedienungsrecht nach § 8 Abs 1 ÖffnungszeitenG könne nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber die persönliche Anwesenheit des Kunden in der Verkaufsstelle vor Augen gehabt habe, weil es nur ein Nebenrecht sei. Der eigene Strafttatbestand für das Entgegennehmen von Bestellungen während der Ladenschlußzeiten nach § 9 ÖffnungszeitenG spreche auch gegen diesen Schluß. Der Primärzweck des ÖffnungszeitenG liege in seiner wettbewerbsordnenden Funktion. Während der Versandhandel, bei dem nach Ladenschluß schriftlich oder mittels Band Bestellungen aufgegeben werden könnten, nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führe, sei dies bei einem permanenten Telefondienst, bei dem der Kunde auch außerhalb der Öffnungszeiten Informationen über das Warenangebot erhalte, der Fall. Auch bestehe für das Verkaufspersonal im Telefondienst das gleiche sozialpolitische Schutzbedürfnis wie für das Verkaufspersonal in traditionellen Verkaufsstellen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.
In rechtlicher Hinsicht verwies es auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Da der Geltungsbereich des Kollektivvertrages nach § 1 Abs 2 auf Arbeitsleistungen im Rahmen der Regelung der Öffnungszeiten gemäß ÖffnungszeitenG zur Beratung und Betreuung der Kunden, Warenverkauf und für Tätigkeiten, die mit diesen in unmittelbaren Zusammenhang stehen oder ohne diese nicht durchführbar wären, sowie für sonstige Arbeitsleistungen, die vom Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme erweiterter Öffnungszeiten verlangt werden, beschränkt sei, sei die Einfügung des Satzteiles "im Bereiche des telefonischen Verkaufes" entbehrlich gewesen. Den Bestimmungen des ÖffnungszeitenG sei nicht zu entnehmen, daß dieses einen persönlichen Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer bzw Unternehmer und Warenbesteller voraussetze; zum sachlichen Geltungsbereich werde normiert, daß der Umfang der erfaßten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) sich auch auf solche "Einrichtungen und Veranstaltungen" erstrecke, in denen bloß Bestellungen entgegengenommen würden. Aus der Ausnahme für die Warenabgabe aus Automaten (§ 1 Abs 1 lit a ÖffnungszeitenG) folge, daß nicht nur der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Unternehmer gemeint sein könne. Die Gewerbeordnung 1859 habe noch keine Ladenschlußregelung enthalten, eine solche sei durch das Gesetz 14. 1.1910 betreffend die Dauer und den Ladenschluß in Handelsgewerben und verwandten Geschäftsbetrieben mit der Bestimmung des § 96e erstmals in die Gewerbeordnung eingefügt worden. Diese Bestimmung laute: "Bei Gewerben, deren Warenumsatz sich in für den Kundenverkehr offenen Geschäftsräumlichkeiten (Laden) vollzieht, sind diese Räumlichkeiten samt den zu denselben gehörigen Kontoren und Magazinen in der Zeit von 8.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr morgens geschlossen zu halten...". 1919 sei die Bestimmung durch das Gesetz vom 15. 5. 1919 über die Mindestruhezeit, den Ladenschluß und die Sonntagsruhe in Handelsgewerben und anderen Betrieben neu gefaßt worden. Im Jahr 1958 sei mit dem Ladenschlußgesetz der Ladenschluß für den Einzelhandel einer eigenständigen Regelung außerhalb der Gewerbeordnung unterworfen worden. Sein Geltungsbereich umfasse gemäß § 1 des Ladenschlußgesetzes "alle ständigen und nicht ständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen" von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen (Grabenwarter, Ladenschluß im Großhandel, ZfV 1990, 129). Die vom Gesetzgeber mit der Erlassung des Ladenschlußgesetzes verfolgte Absicht sei es gewesen, einerseits den Verbrauchern den Einkauf zu einer Zeit zu ermöglichen, in der sie nicht selbst berufstätig seien, und andererseits, die Gewerbetreibenden nicht wettbewerbsbedingt zu überlangen Geschäftszeiten zu nötigen, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären. Zweck des Gesetzes sei es, den Zutritt von Personen im Geschäftslokal zum Zweck des Abschlusses oder auch nur der Anbahnung von Geschäften zu verhindern (ÖBl 1981, 17 f).
Der Ladenschluß für den Einzelhandel sei nunmehr im Öffnungszeitengesetz 1991 geregelt. Der sachliche Geltungsbereich werde in § 1 ÖffnungszeitenG umschrieben. Gemäß § 1 Abs 1 ÖffnungszeitenG gälten die Bestimmungen des ÖffnungszeitenG - von den Ausnahmen des § 1 Abs 4 leg cit abgesehen - für alle ständigen und nicht ständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen und sonstigen Verkaufsstellen von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 unterliegen. In dieser Vorschrift werde nicht an eine bestimmte Tätigkeit, sondern an den Ort der Ausübung der dem Gesetz unterliegenden Tätigkeit angeknüpft, der nach folgenden Kriterien näher umschrieben werde. Es müsse sich um 1. eine Betriebseinrichtung handeln, 2. die ständig oder nicht ständig sei, 3. die für den Kleinverkauf von Waren bestimmt sei und
4. einer Unternehmung diene, welche der Gewerbeordnung unterliege. Unter Betriebseinrichtungen verstehe man alle Einrichtungen und Vorkehrungen, die der Entgegennahme von Warenbestellungen dienten. Die in Klammer gesetzte Wendung "Läden oder sonstige Verkaufsstellen" verdeutliche, daß dem Begriff "Betriebseinrichtung" ein weites Verständnis zugrundezulegen sei (Grabenwarter, Ladenschlußrecht, 40 f). Daher könne ein Telefondienstbüro eines Versandhandels durchaus eine Betriebseinrichtung sein, die ständig sei, die für den Kleinverkauf von Waren bestimmt sei, die einer Unternehmung diene, die der Gewerbeordnung 1994 unterliege, und die für die Entgegennahme von Warenbestellungen eingerichtet sei. Versandhandel sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Betriebsform des Einzelhandels also eine Form des Verkaufes von Waren an Letztverbraucher, bei der das Anbieten von Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolge und die schriftlich (oder telefonisch) bestellten Waren den Käufern im Versandweg (meist Postversand) zugestellt werden (Kinscher/Sedlak, GewO6, Anm 20 zu § 50). Einzelhandel und Versandhandel seien daher nicht verschiedene Betriebssysteme. Die von der beklagten Partei als Einzelhandel benannte Betriebsform meine offenbar (auch nur) den Ladenverkauf. Es sei unerheblich, ob der Kunde im Versandhandel beim Anruf bereits entschlossen sei, zu bestellen, zumal auch Kunden im Ladenverkauf zumeist beim Betreten des Ladens entschlossen seien, eine Ware zu kaufen.
Richtig sei, daß Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs 2 ÖffnungszeitenG die Verhinderung von Umgehungen des ÖffnungszeitenG gewesen sei. Dies könne den Erläuternden Bemerkungen zum Ladenschlußgesetz 1958 entnommen werden, womit der Forderung Rechnung getragen werden sollte, auch sogenannte "Verkaufsausstellungen oder Basare" den Ladenschluß- bestimmungen eindeutig zu unterstellen. Daraus folge aber noch nicht die Unanwendbarkeit auf den Versandhandel, im besonderen auf den mit telefonischer Bestellannahme verbundenen Versandhandel. Keineswegs habe das ÖffnungszeitenG einen einheitlichen Gesamtvorgang im Sinne von Betreten des Ladens, Verkaufsgespräch, Kauf der Ware, Entgegennahme der Ware, Entfernung auf dem Laden vor Augen, weil diesfalls § 1 Abs 2 ÖffnungszeitenG ohne Sinn wäre und für Verkaufsstellen mit nicht mitnehmbarer Ware (zB Möbel) oder nicht lagernder Ware dann das ÖffnungszeitenG nicht gelten würde. Richtig sei, daß der Versandhandel im ÖffnungszeitenG nicht erwähnt sei. Der Versandhandel, bei dem die Bestellungen nur schriftlich oder über einen Anrufbeantworter erfolgten, unterliege nicht dem Ladenschlußgesetz (seit 1991 ÖffnungszeitenG; Korinek, Rechtsprobleme des Ladenschlußrechtes ÖZW 1978, 1), weil noch keine "entgegengenommenen Bestellungen" vorlägen und dies auch der Zwecksetzung des Ladenschlußgesetzes entspreche. Durch diese Ausdehnung der Bestellmöglichkeiten werde in kein vom Ladenschlußgesetz geschütztes Rechtsgut eingegriffen. Den Verbrauchern werde der Einkauf erleichert, ohne daß der Wettbewerb verzerrt werde und ohne daß die Gefahr für eine Verletzung von Arbeitszeitvorschriften vergrößert werde. Anders sei die Situation, wenn eine Betriebseinrichtung im Sinne des ÖffnungszeitenG durch einen permanent mit Angestellten besetzten Telefondienst, der eingehende Bestellungen entgegennimmt, offengehalten werde. Auf die Zustellung der Ware (vgl 4 Ob 308/69 = ÖBl 1969, 63 f) komme es jedoch nicht an, sondern auf die telefonische Entgegennahme außerhalb der Öffnungszeiten. Nicht berücksichtigt werden könne, ob die Anwendung des ÖffnungszeitenG auf den Versandhandel, der mit Angestellten in Form eines Telefondienstes arbeite, zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem Einzelhandel (gemeint Ladenverkauf), gegenüber ausländischem Versandhandel oder anderen Vertriebsformen, Call-Center, Tele-Shop oder Bestellung über Internet führe. Das fehlende Schutzbedürfnis von Telefonistinnen, die es bevorzugten, in den Randzeiten zu arbeiten, könne nicht begründen, warum diesen Arbeitnehmern nicht die Vorteile des hier anzuwendenden Kollektivvertrages zukommen sollten. Es sei daher zusammenfassend von der Geltung des ÖffnungszeitenG und des genannten Kollektivvertrages auf die vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer auszugehen.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt sowie angeregt, die Aufhebung des § 1 ÖffnungszeitenG wegen Verstoßes gegen Art 6 Staatsgrundgesetz (Grundrecht der Erwerbsfreiheit) beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 zulässige Revision ist berechtigt.
Die wörtliche Auslegung des Begriffes "Laden" und "Ladenschluß" (vgl
zur historischen Entwicklung des Ladenschlußrechts in Österreich,
Grabenwarter, Ladenschlußrecht, 1992, 6 f) ergibt zu der hier zu
entscheidenden Rechtsfrage, ob unter dem Begriff "Laden" bzw
"sonstige Verkaufsstelle" auch "virtuelle" im Sinne von durch Mitteln
der Elektrotechnik, insbesondere der Computertechnik ermöglichte
Läden zu verstehen sind, keine überzeugenden Ergebnisse.
Bei der historischen Auslegung ergibt sich aus dem Umstand, daß das
Ladenschlußgesetz durch das Öffnungszeitengesetz abgelöst wurde,
insoweit ein Auslegungshinweis, als ein behutsamer Paradigmenwechsel
eingetreten ist, indem das Sachgebiet nicht von seiner negativen
Seite (Ladenschluß), sondern von der positiven (Öffnungszeit)
geregelt werden soll. Der "Funktionswandel" (vgl F. Bydlinski in
Rummel ABGB2 I Rz 26 zu § 6) der Begriffe "Läden" und Verkaufsstellen
könnte in gleicher Weise "reale" und "virtuelle" des Handels bzw
Versandhandels umfassen. Die Nähe von Titel und Modus beim Barkauf
ist gegenüber dem Versandhandel mit einem zeitlichen Abstand zur Abgrenzung des Handels gegenüber dem Versandhandel nicht hilfreich, da auch im Handel - etwa bei Kauf nach Muster oder Katalog - die Ware nicht sogleich übergeben wird.
Auch aus dem Gemeinschaftsrecht läßt sich nichts für eine Auslegung der nationalen Ladenschlußregelungen gewinnen, da der EuGH in ständiger Rechtsprechung (zuletzt vom 20. 6. 1996, WBl 1996, 310; vgl auch Egger, EuGH zum Ladenschluß, WBl 1991, 661) die Auffassung vertritt, daß Ladenschlußregelungen nicht geeignet sind, den Marktzutritt für ausländische Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist. Derartige Regelungen fielen deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Art 30 EGV.
Ein Vergleich mit dem deutschen Gesetz über den Ladenschluß (in Neumann/Biebl Arbeitszeitgesetz12 [Beck, München 1995] 211 ff) ergibt nun, daß nach § 1 von dessen Geltungsbereich neben Ladengeschäften nur sonstige Verkaufsstände erfaßt sind, in denen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden, wobei dem Feilhalten das Zeigen von Mustern, Proben uä gleichsteht, wenn Warenbestellungen in der Einrichtung entgegengenommen werden; da beim Versandhandel ein Feilhalten von Waren im Sinne dieser Bestimmung nicht erfolgt, ist er von der deutschen Ladenschlußregelung nicht erfaßt. Ein Vergleich mit den Ladenschlußregelungen anderer europäischer Länder (siehe Schneider,
Das Ladenschlußgesetz im europäischen Vergleich, Arbeit und Arbeitsrecht 1996, 410 ff) zeigt, daß dort teils gar keine (etwa in Frankreich), teils liberalere als die österreichischen Regelungen gelten.
Da nun - wie die Revisionswerberin zutreffend ausführt - der Versandhandel an österreichische Kunden einschließlich telefonischer Bestellung problemlos auch vom europäischen Ausland aus getätigt werden kann, wobei durch Zwischenschaltung einer österreichischen Telefonnummer für den österreichischen Kunden der mit dem Herstellen einer Telefonverbindung ins Ausland verbundene zusätzliche Kosten- und Zeitaufwand vermieden wird, hätten nicht an Ladenschlußregelungen gebundene ausländische Versandhäuser einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, wäre auf die im Inland tätigen Mitbewerber das ÖffnungszeitenG anzuwenden. Im Ladenhandel mit unmittelbarem Kundenverkehr wird hingegen der mit längeren Öffnungszeiten verbundene Wettbewerbsvorteil des im Ausland ansässigen Händlers durch längere Anfahrtswege des österreichischen Kunden ausgeglichen; dort, wo dies infolge der Nähe zur Grenze nicht ausreicht, ermächtigt etwa § 3 Abs 3 ÖffnungszeitenG den Landeshauptmann, mit Verordnung Ausnahmen von der Begrenzung der Öffnungszeit am Samstagnachmittag anzuordnen.
Da der Versandhandel demnach mühelos nationale Grenzen überschreitet, während im Ladenhandel unterschiedliche nationale Ladenschlußregelungen nur im grenznahen Bereich zu - durch die Möglichkeit gebietlicher Sonderregelungen auszugleichenden - Wettbewerbsverzerrungen führen können, ist eine enge Auslegung des in § 1 ÖffnungszeitenG gebrauchten Begriffes "für den Kleinverkauf von Waren bestimmte Betriebseinrichtungen" geboten, um die sich ansonsten für den Versandhandel ergebende Inländerdiskriminierung zu vermeiden, die die Regelung zwar nicht gemeinschaftsrechtswidrig, aber nach der Rechtsprechung des VfGH (B 592/96 vom 17. 6. 1997) gleichheitswidrig bzw zu einem unverhältnismäßigen, sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit (V 76/97; V 92/97 vom 7. 10. 1997) macht (siehe auch 4 Ob 364/97a; 3 Ob 27/98m; 4 Ob 48/98g; 4 Ob 138/98t). Dies gebietet eine nach dem Wortsinn noch mögliche (RIS Justiz RS0008796; zuletzt 5 Ob 240/97y) verfassungskonforme Auslegung (vgl VfGH B 592/96; 4 Ob 364/97a). Zieht man die den Begriff der Betriebseinrichtung näher determinierenden, in Klammer gesetzten Begriffe "Läden und sonstige Verkaufseinrichtungen" heran, dann erscheint eine Orientierung am Begriff des Ladens auch für die "sonstige Verkaufseinrichtung" insofern naheliegend, als es dort ebenso wie in einem Laden zu einem persönlichen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer zu kommen hat. Nimmt man auch noch darauf Bedacht, daß die in § 6 ÖffnungszeitenG getroffenen gebietlichen Sonderregelungen und das Fertigbedienungsrecht gemäß § 8 leg cit auf den Versandhandel nicht anwendbar sind und insbesondere die letztgenannte Bestimmung auf die persönliche Anwesenheit der Kunden im Laden oder bei der sonstigen Verkaufsstelle abstellt, ist eine verfassungskonforme, eine Diskriminierung inländischer gegenüber ausländischen Versandunternehmen vermeidende enge Auslegung des Begriffes "sonstige Verkaufseinrichtungen" ohne Verstoß gegen Wortlaut und Zweck des Gesetzes möglich. Der Schutz der Arbeitnehmer vor übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme wird bei der erheblichen Diskrepanz zwischen der höchstzulässigen Öffnungszeit von 66 Stunden pro Woche und der kollektivvertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden nicht durch das ÖffnungszeitenG, sondern durch die im AZG und ARG getroffenen Regelungen über die Arbeitszeit gewährleistet.
Obwohl aus einer Verordnung abzuleitende Wertungen nicht zur Auslegung von Gesetzesrecht herangezogen werden können, sei schließlich noch auf die Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales BGBl II 92/1997 verwiesen, womit der Betrieb von Call Centers in Ausnahme von den Beschränkungen der Wochenend- und Feiertagsruhe ermöglicht wird, wobei diese den Dienstleistungen und nicht dem Handel zugeordnete gewerbliche Tätigkeit sowohl bezüglich der den Kunden gebotenen Leistungen als auch bezüglich der Inanspruchnahme der Arbeitnehmer(innen) weitgehende Ähnlichkeiten mit dem Telefondienst der beklagten Partei aufweist. Ist daher der Telefondienst im Rahmen des Versandhandels nicht als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 ÖffnungszeitenG zu qualifizieren, ist auf diesen Telefondienst auch nicht der Kollektivvertrag betreffend Beschäftigung und Arbeitsleistung im Rahmen der Regelung der Öffnungszeiten nach diesem Gesetz anzuwenden.
In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Gerichtsgebühren sind gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG in Verbindung mit der Anmerkung 8 zu TP 1 für arbeitsrechtliche Streitigkeiten, soweit nicht ein Geldbetrag verlangt wird, nicht zuzusprechen.
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