Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (einschließlich S 676,48 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid des Einigungsamtes I***** vom 5.5. 1986, Re 10/86-4, wurde festgestellt, daß die von der Stadtgemeinde I***** betriebene Musiklehranstalt (Konservatorium einschließlich Musikschule am Konservatorium) einen dem zweiten Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes unterliegenden Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG darstellt.
Das Land T***** (klagende Partei) hat aufgrund eines mit der Stadtgemeinde I***** abgeschlossenen Vertrages mit Wirkung vom 1.9. 1990 das Konservatorium als Schulerhalter übernommen. Im Rahmen der Übernahme des Konservatoriums durch die klagende Partei wurde mit den dort Beschäftigten ein Dienstverhältnis zur klagenden Partei gegründet.
Gemäß § 1 des Landes-Personalvertretungs- gesetzes, LGBl Nr.61/1981 in der Fassung der Gesetze LGBl Nr.46/1990 und 12/1993 sind vom Geltungsbereich dieses Gesetzes alle in öffentlich-rechtlich und privatrechtlichen Dienstverhältnissen zum Land T***** stehenden Personen (Bedienstete, die an einer Dienststelle tätig sind) erfaßt. Am 27. und 28.4. 1992 fanden die Wahlen zur Dienststellen- und Zentralpersonalvertretung statt. Die Wahl zur Zentralpersonalvertretung wurde im T***** Landeskonservatorium ordnungsgemäß durchgeführt. Die Wahl einer Dienststellen-Personalvertretung wurde auch im T***** Landeskonservatorium ausgeschrieben, die Dienststellen-Personalvertretung konnte jedoch aufgrund eines Verfahrensmangels - der Wahlvorschlag der dort gebildeten "gemeinsamen Liste" wurde verspätet eingebracht - nicht gewählt werden.
Der Betriebsrat des T***** Landeskonservatoriums wurde von der klagenden Partei zweimal darauf hingewiesen, daß die neuerliche Wahl eines Betriebsrates gesetzwidrig sei, weil das Arbeitsverfassungsgesetz nicht anwendbar sei. Der Wahlvorstand vertrat jedoch die Ansicht, daß die Geltung des Arbeitsverfassungsgesetzes nur aufgrund eines Feststellungsverfahrens beim Arbeitsgericht beseitigt werden könne. Am 3.2. 1994 fand im T***** Landeskonservatorium die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates statt, wovon die Dienstbehörde am 14.2. 1994 verständigt wurde.
Mit der am 9.3. 1994 eingebrachten Klage begehrt das klagende Land, die am 3.2. 1994 vorgenommene Wahl eines Betriebsrates am T***** Landeskonservatorium für ungültig zu erklären.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß hinsichtlich des Konservatoriums eine rechtskräftige Entscheidung des Einigungsamtes I***** vom 5.5. 1986 vorliege, wonach es sich beim Konservatoriunm um einen dem zweiten Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes unterliegenden Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG handle. Diese Entscheidung habe gemäß § 34 Abs 2 Satz 2 ArbVG bindende Wirkung, zumal sich die Voraussetzungen, welche für diese Entscheidung maßgeblich gewesen seien, bis auf den Umstand, das nunmehr das Land T***** Betriebsinhaber sei, nicht geändert hätten. Durch den Wechsel eines Betriebsinhabers werde aber die Betriebsidentität nicht berührt, weshalb das Konservatorium einen dem zweiten Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes unterliegenden Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG darstelle. Das Konservatorium falle auch nicht unter den Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes, weil gegenüber den Schülern oder den dort Lehrenden keine hoheitlichen Befugnisse bestünden und von der klagenden Partei auch gar nicht behauptet würden. Das Konservatorium sei daher keine Dienststelle im Sinn des T***** Personalvertretungsgesetzes, sondern vielmehr ein Betrieb im Sinn des § 1 Abs 2 lit a T***** Personalvertretungsgesetz.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-
nicht übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei. Sie macht Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag; in eventu begehrt sie, die Klage als unzulässig zurückzuweisen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar im Hinblick darauf, daß zum Zeitpunkt ihrer Erhebung die streitentscheidende Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof noch nicht geklärt war, zulässig, sie ist aber nicht berechtigt; die behauptete Nichtigkeit (Verletzung der Bindungswirkung der Entscheidung des Einigungsamtes) liegt, wie sich aus den nachstehenden Rechtsausführungen ergibt, ebenfalls nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitig in seiner E vom 26.4. 1995, 9 ObA 54/95, ARD 471418/96, die die Feststellung der Unwirksamkeit des Entzugs der Funktion eines Abteilungsleiters am streitgegenständlichen Konservatorium mangels Zustimmung des Betriebsrates betraf, zu den hier strittigen Fragen ausführlich, im Ergebnis im Sinn der Entscheidung der Vorinstanzen, Stellung genommen und dort ausgeführt:
"Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers erfaßt die bindende Wirkung des Bescheides des Einigungsamtes Innsbruck vom 5.5. 1986 nicht die Beurteilung der Frage der Anwendbarkeit des zweiten Teiles des ArbVG. Wenn der Revisionswerber auf § 34 Abs 2 ArbVG verweist, wonach die Entscheidung des Einigungsamtes solange bindende Wirkung habe, bis sich die Verhältnisse wesentlich geändert hätten und dies in einem neuerlichen Verfahren nach § 34 Abs 2 Satz 1 ArbVG festgestellt worden sei, ist ihm zu erwidern, daß es im vorliegenden Fall nicht um eine organisatorische, den Betriebsbegriff im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG berührende Änderung der Verhältnisse geht, sondern um eine Änderung, die die im Bescheid des Einigungsamtes lediglich als Vorfrage für die Zulässigkeit der Feststellung der Betriebseigenschaft - wegen des Fehlens eines auf die damalige Schulerhalterin Stadtgemeinde I***** anzuwendenden, dem PVG adäquaten Personalvertretungrechtes - bejahte Anwendbarkeit des zweiten Teils des ArbVG betrifft. Die in § 34 Abs 2 Satz 2 ArbVG normierte Bindungswirkung erfaßt lediglich die vom Einigungsamt im Rahmen der Entscheidung nach § 34 Abs 2 Satz 1 ArbVG entschiedene Hauptfrage, ob eine bestimmte Arbeitsstätte ein Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG ist (siehe auch Strasser in Floretta - Strasser Handkom ArbVG 208), nicht aber auch die vom Einigungsamt im Rahmen der Begründung dieser Entscheidung beurteilte Vorfrage der Anwendbarkeit des zweiten Teiles der ArbVG. Der behauptete Verstoß gegen die Bindungswirkung des Bescheides des Einigungsamtes vom 5.5. 1986 liegt daher nicht vor.
Soweit sich der Revisionswerber gegen die Qualifikation des Konservatoriums als Dienststelle im Sinn des § 1 Abs 1 und 3 des T***** LPVG und gegen die analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG wendet, ist ihm folgendes zu erwidern:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der T***** Landesberufschulheime betreffenden Entscheidung vom 25.1.1995, 9 ObA 246/94, RdW 1995, 395 = DRdA 1996, 132 (m Anm Holzer), ausgesprochen hat, ist aus dem rechtssystematischen Zusammenhang zwischen den Ausnahmstatbeständen des § 33 Abs 2 Z 2 und Z 4 ArbVG zu folgern, daß öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten unter der dort angeführten Bedingung jedenfalls - ohne Rücksicht darauf, ob sie ihrer rechtlichen oder organisatorischen Struktur nach Merkmale einer "sonstigen Verwaltungsstelle" aufweisen - allein aus dem Grund des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG vom Anwendungsbereich des ArbVG ausgenommen sind. Eine Unterrichts- und Erziehungsanstalt ist im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn öffentlich, wenn sie - wie das Konservatorium - von einer Gebietskörperschaft geführt wird (siehe Strasser aaO 196; Schrammel, das Sonderrecht der Gebietkörperschaften auf dem Prüfstand, ZAS 1988, 187ff [193]; Thienel, öffentlicher Dienst- und Kompetenzverteilung, 190; Schragel, Handkomm zum PVG § 1 Z 6; VwSlg 9.313A = Arb 9.584. Öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten sind nur dann vom Geltungsbereich des ArbVG ausgenommen, wenn sie der Geltung des (Bundes-) PVG unterliegen. Das ArbVG statuiert damit den Vorrang dieses Gesetzes als lex specialis. Diese umfassende Bundeskompetenz ist allerdings seit dem Inkrafttreten der B-VG-Novellen 1974 und 1981 sowie der Schulverfassungs-Novelle 1975 nicht mehr gegeben. Die betriebliche Vertretung der in landeseigenen Unterrichts- und Erziehungsanstalten beschäftigten Personen unterliegt nur mehr im Rahmen der Art 14 und14a B-VG dem Bund. Nur für diese landeseigenen Anstalten kann der Bund daher den Vorrang des Bundespersonalvertretungsrechtes statuieren. Alle anderen landes- und gemeindeeigenen Anstalten würden damit dem ArbVG unterliegen. Dies wäre aber mit der Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Betriebs- und Personalvertretungsrechtes nicht vereinbar (vgl Schrammel aaO 193; Czerny in Czerny/Haas-Laßnig/B.Schwarz, ArbVG Band 2 § 33 Erl 1). Unterrichts- und Erziehungsanstalten der Länder und Gemeinden können daher nicht mehr in den Geltungsbereich des ArbVG fallen, wenn das Land entsprechende Personalvertretungsvorschriften erlassen hat.
Soweit das ArbVG, auf das § 1 Abs 1 des T***** LPVG verweist, auf dieses zurückverweist und sich damit wieder auf § 1 Abs 1 dieses Gesetzes bezieht, muß dies auch im Verhältnis der Abs 1 und 2 des § 1 des T***** LPVG gelten. Anderenfalls wären zufolge § 1 Abs 3 des T***** LPVG die Ausnahmstatbestände des § 33 Abs 2 ArbVG auf den § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG reduziert. Liegt daher der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG vor, kann dem nicht entgegengehalten werden, er handle sich dennoch um einen Betrieb im Sinn der §§ 33 Abs 1 und 34 Abs 1 ArbVG bzw des § 1 Abs 2 lit a des T***** LPVG (vgl VwSlg 9.313A = Arb 9.584)."
Der erkennende Senat tritt den in der vorstehenden Entscheidung dargelegten Rechtsansichten bei.
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die Revision der beklagten Partei unberechtigt und ihr daher ein Erfolg zu versagen ist; die Betriebsratswahl vom 3.2. 1994 am T***** Landeskonservatorium ist ungültig.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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