Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.783,68 (einschließlich S 797,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit Mitte 1990 bei der erstbeklagten KG beschäftigt und dort mit allgemeinen Büroarbeiten, Buchhaltungsarbeiten, der Führung des Kassabuches und dem Telefondienst, für den sie allein zuständig war, betraut. Etwa ab Herbst 1991 begann sie zu trinken, Anfang 1992 war ihre Alkoholkrankheit soweit fortgeschritten, daß sie nicht mehr in der Lage war, ihren Alkoholkonsum im Dienst bzw das Nichterscheinen zum Dienst zu beherrschen; dieses Verhalten war ihr ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorwerfbar. Der Zweitbeklagte (der Komplementär der Erstbeklagten ist) wollte sie aus menschlichen Gründen nicht sofort entlassen, versuchte sie vielmehr zur Behandlung ihrer Alkoholsucht in einer Selbsthilfegruppe zu überreden und bot ihr sogar an, sie mit dem Auto dorthin zu bringen, drohte ihr aber auch für den Fall der Nichtbesserung die Entlassung an. Die Klägerin lehnte eine Teilnahme an dieser Selbsthilfegruppe ab. Ab diesem Zeitpunkt wurde ihre Alkoholisierung ganz akut, sodaß sie zu den ihr übertragenen Arbeiten unfähig war, insbesondere konnte sie sich am Telefon nicht mehr artikulieren oder hob das Telefon überhaupt nicht ab. In der Folge blieb sie 2 Tage unentschuldigt von der Arbeit fern, kam zwar am nächsten Tag, den 24.4.1992, zur Arbeit, war aber "total besoffen", weshalb sie der Zweitbeklagte an diesem Tag entließ. Von einer eventuellen Heilung ihres chronischen Alkoholismus könnte erst gesprochen werden, wenn sie mindestens 1 Jahr vollkommen alkoholabstinent wäre; erst dann wäre sie wieder in der Lage, ihre Arbeit bei der Erstbeklagten auszuüben.
Rechtliche Beurteilung
Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Vorliegens des Entlassungsgrundes des § 27 Z 2 AngG (Dienstunfähigkeit) der neuen oberstgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, genügt es im wesentlichen, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist noch auszuführen:
Die Entlassung war nicht, wie die Klägerin meint, spätestens ab ihrer Weigerung, sich einer Behandlung zu unterziehen, zu erklären und ist soweit nicht "mindestens 2 bis 3 Wochen verfristet". Zwar muß auch die Entlassung wegen Unfähigkeit unverzüglich geltend gemacht werden, doch verliert der Dienstgeber sein Entlassungsrecht nicht, wenn er zuwartet, um dem Dienstnehmer die Möglichkeit einer Besserung zu geben (Arb 6391 ua). Im vorliegenden Fall mußte der Zweitbeklagte nicht schon unmittelbar nach der Weigerung der Klägerin zum Besuch der von ihm vorgeschlagenen Selbsthilfegruppe endgültig erkennen, daß eine Besserung nicht mehr zu erwarten war; er konnte vielmehr damit rechnen, daß die Klägerin bei soviel Entgegenkommen seinerseits, wenigstens auf eine andere Weise, etwa auch durch Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, versuchen würde, ihrer Alkoholkrankheit entgegenzuwirken. Als er sah, daß sich stattdessen ihr Zustand nur weiter verschlechterte, sprach er ohnedies umgehend die Entlassung aus.
Es trifft auch nicht zu, daß ein Entlassungsgrund überhaupt nicht vorliege, weil sich aus § 27 Z 2 AngG in Zusammenhang mit Z 5 dieser Bestimmung ergebe, daß eine krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit nie zur Entlassung berechtige. Der Oberste Gerichtshof kann, wie er bereits in der E vom 13.10.1993, 9 Ob A 186/93 (und dieser folgend auch in 9 Ob A 227/93) ausführlich dargelegt hat, der von der Lehre (zum Meinungsstand siehe S 7 f der genannten E) großteils vertretenen Ansicht nicht folgen, daß krankheits- oder durch einen Unglücksfall bedingte Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich zum Ausschluß eines vorzeitigen Lösungsrechts führe. Zwar berechtigt eine solche Verhinderung des Dienstnehmers auch durch erhebliche Zeit den Dienstgeber nicht zur Entlassung gemäß § 27 Z 5 AngG (idF der Nov BGBl 1975/418), sofern sie nur vorübergehender Natur ist; jedoch kann eine durch (unverschuldete) Krankheit oder Unglücksfall bedingte Arbeitsunfähigkeit zur Entlassung nach § 27 Z 2 AngG berechtigen, wenn sie zu einer dauernden Dienstunfähigkeit führt (näheres siehe 9 Ob A 186/93).
Eine solche "dauernde" Dienstunfähigkeit nimmt der Oberste Gerichtshof bereits dann als gegeben an, wenn die Verhinderung des Angestellten nicht bloß kurzfristig und vorübergehend, sondern - selbst wenn sie in ihrem zeitlichen Ausmaß vorhersehbar ist - von so langer Dauer ist, daß dem Arbeitgeber nach den Umständen des Falles eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Arb 10.108 ua).
Eine solche dauernde Dienstunfähigkeit ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil nicht vorhersehbar ist, ob die Dienstunfähigkeit überhaupt beseitigt werden kann. Selbst wenn sich die Klägerin behandeln ließe, wozu sie bis jetzt offensichtlich nicht bereit war, und die Behandlung erfolgversprechend verlaufen würde, wäre sie nach dem festgesellten Sachverhalt erst nach völliger Abstinenz während eines ganzen Jahres wieder in der Lage, ihre frühere Arbeit zu verrichten; dies ist jedenfalls ein so langer Zeitraum, daß dem Dienstgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob die Klägerin wegen ihrer Alkoholkrankheit überhaupt nicht zur Arbeit kommt oder zwar kommt, aber arbeitsunfähig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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