Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 29.5.1990 stellte die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien fest, daß es sich bei dem von der Beklagten aufgrund der Gewerbeberechtigung für die Verarbeitung und Bearbeitung von Kunststoffen aller Art betriebenen Unternehmen nach seinen Betriebsmerkmalen um einen großgewerblichen Betrieb handle, welcher beim branchenspezifischen Vergleich keinesfalls dem Typus eines facheinschlägigen Wiener Industrieunternehmens entspreche. Die Beklagte habe daher weiterhin der Landesinnung Wien der Kunststoffverarbeiter als Mitglied anzugehören. Sie sei nicht in die Fachvertretung Wien der chemischen Industrie zu überstellen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Der Kläger ist seit dem Jahr 1972 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt gewesen. Auf sein Arbeitsverhältnis wurde der Kollektivvertrag für Angestellte des kunststoffverarbeitenden Gewerbes angewendet, aufgrund dessen Verwendungsgruppe V er das monatliche Mindestgrundgehalt von S 34.000,-- brutto zuzüglich eines Überstundenpauschales von S 10.351,-- brutto verdiente.
Mit seiner am 20.1.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 150.000,-- schuldig zu erkennen. Obwohl die Beklagte sämtliche Merkmale eines Industriebetriebes aufweise, werde sie von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien der Sektion Gewerbe zugeordnet. Richtigerweise wäre auf den Kläger der Kollektivvertrag für Industrieangestellte anzuwenden, woraus sich ein monatlich um rund S 10.000,-- brutto höheres Gehalt des Klägers ergeben würde. Das Klagebegehren werde als Erfüllungsanspruch geltend gemacht und stütze sich ausdrücklich nicht auf den Titel des Schadenersatzes. Die bisherige oberstgerichtliche Rechtsprechung, daß die kammerinterne Zuordnung gleichsam wie "ein Faktum" zu beachten sei, könne in Anbetracht der zwischenzeitlich erfolgten gesetzlichen Änderungen nicht mehr aufrecht erhalten werden. § 2 Abs 13 GewO normiere, daß den Arbeitnehmern bei Fehlen der erforderlichen Gewerbeberechtigung jenes Kollektivvertragsentgelt zu bezahlen sie, auf welches sie bei Vorliegen der (richtigen) Gewerbeberechtigung Anspruch hätten. § 7 AVRAG ermögliche es dem Gericht, bei ausländischen Arbeitgebern - entgegen einer allenfalls vorhandenen (ausländischen) Gewerbeberechtigung - das im Inland zu bezahlende Kollektivvertragsentgelt zu bestimmen. Dieses sei dadurch zu ermitteln, daß das Gericht die gewerberechtliche Zugehörigkeit des Betriebes feststelle. Schließlich sei das Aufsichtsrecht in § 68 HKG insoweit neu geregelt worden, daß nunmehr der Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit habe, entgegen der Entscheidung der Selbstverwaltung eine rechtsrichtige Zuordnung zu treffen. Es entspreche daher die Zulässigkeit einer gerichtlichen Entscheidung über die kollektivvertragliche Entlohnung ohne Bindung an das kammerinterne Zuordnungsverfahren einer verfassungskonformen Auslegung. Anderenfalls könnte die Interessenvertretung der Arbeitgeber bestimmen, welcher kollektivvertragliche Lohn den Arbeitnehmern zustünde. Würde man die Zuordnung durch die Handelskammer als unüberprüfbar hinnehmen, entstünde eine Konfliktsituation mit höherrangigen verfassungsrechtlichen Normen. Es läge ein Verstoß gegen Art 6 MRK vor, da die Arbeitnehmer in dem Zuordnungsverfahren, das unmittelbar in ihre Entgeltsansprüche eingreife, weder ein rechtliches Gehör hätten, noch die Entscheidung durch ein unparteiisches Organ erfolge. Auch würde ganz allgemein gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, da Verwaltungsakte, die erhebliche Rechtswirkungen haben, nicht als unbekämpfbar konstruiert werden dürften. Schließlich verstoße diese Auslegung gegen die europäische Sozialcharta, welche anordne, daß bei Festlegung der Tariflöhne den Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein gleichrangiges Mitspracherecht einzuräumen sei. Auch komme es zu einer zufallsbedingten Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, je nachdem, ob der Arbeitgeber Inländer oder Ausländer sei. Diese unterschiedliche Behandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt und führe außerdem zu einer Diskriminierung ausländischer, aber der EU angehörender Arbeitgeber. Der Entzug der Entscheidungsmöglichkeit gegenüber den Gerichten verstoße gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Aufgrund des rechtskräftigen Bescheides der Handelskammer Wien stehe in einer für das Gericht bindenden Form fest, daß der Betrieb der Beklagten der Sektion Gewerbe zugehöre. Es sei einheitliche und jahrzehntelange Judikatur zu § 190 ZPO, daß die Gerichte an rechtskräftige Verwaltungsbescheide gebunden seien. Auch zu dem der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt liege eine einhellige oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. Zwischen den Parteien sei ein weiterer auf denselben rechtserzeugenden Sachverhalt gegründeter Rechtsstreit anhängig. Zwar ruhe dieses Verfahren, dennoch liege Streitanhängigkeit vor. In einem vom Kläger angestrengten Amtshaftungsverfahren sei das Gericht im erstinstanzlichen (noch nicht rechtskräftigen) Urteil zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bescheiderlassung der Kammer korrekt erfolgt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß gemäß § 8 Abs 1 ArbVG jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer Kollektivvertragsangehörige seien, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später wurden. Gemäß § 36 HKG werde die Zugehörigkeit zur Sektion Industrie der Handelskammer durch Berechtigungen zum Betrieb von der Gewerbeordnung unterliegenden Unternehmungen begründet, wenn das Gewerbe in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt werde. Nach herrschender Auffassung komme es dabei nicht auf den Wortlaut der Gewerbeberechtigung, sondern auf die Form der Ausübung an. Gemäß § 42 Abs 4 HKG entscheide im Streitfall die Landeskammer nach Anhörung der in Betracht kommenden Sektionen, welcher Fachgruppe ein Kammermitglied anzugehören habe. Durch die Novellierung des § 68 HKG sei nunmehr die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde gegen diese Entscheidung einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eingeführt worden, über welche paritätische Ausschüsse und mangels Einigung schließlich die Aufsichtsbehörde zu entscheiden habe. Durch die Gewerberechtsnovelle 1988 sei § 2 Abs 11 (nunmehr Abs 13) in die Gewerbeordnung eingefügt worden, wonach die Normen der kollektiven Rechtsgestaltung auch für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern zu gelten haben, welche ihre Tätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Auch § 7 Abs 1 AVRAG schaffe den Anspruch auf vergleichbaren Arbeitnehmern gewährtes gesetzliches oder kollektivvertragliches Entgelt, wenn ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich sei. Diese Änderung der Rechtslage lasse die bisher vom Obersten Gerichtshof in zwei Entscheidungen vertretene Rechtsansicht, die Gerichte seien an die Zuordnung der Unternehmen an einzelne Fachgruppen durch die Kammer gebunden, überprüfenswert erscheinen. Dies insbesondere im Lichte der in der Literatur an dieser Rechtsprechung mehrfach geübten Kritik. Eine verfassungskonforme Interpretation des § 68 HKG idF der Novelle 1993 könnte nunmehr zur Ablehnung einer Bindung an den Bescheid der Handelskammer führen. Die neue Regelung sehe nämlich trotz ausdrücklicher Erwähnung der Arbeitnehmerinteressen keine ausreichende Mitwirkung der Arbeitnehmer vor. Einzelne Arbeitnehmer hätten überhaupt keine Parteistellung, die Parteistellung der Arbeitnehmerorganisationen komme erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße zum Tragen. Eine Bindung an einen in einem Verfahren nach § 68 HKG ergangenen Bescheid erscheine somit im Lichte des Art 6 MRK zumindest bedenklich. In Anbetracht der Bestimmung des § 2 Abs 13 GewO könne auch nicht mehr davon gesprochen werden, daß Außenseiterwirkungen auf Arbeitgeberseite nicht bestünden. Es scheine verfassungsrechtlich bedenklich, den Arbeitnehmer letztlich bei Bejahung der Bindung auf Amtshaftungsansprüche beschränken zu wollen. Letztendlich sei es bei der Aufhebung des § 268 ZPO um eine parallele Situation zum vorliegenden Fall gegangen. Auch der Zuordnungsbescheid der Handelskammer gemäß § 42 Abs 4 HKG sei für die betroffenen Arbeitnehmer von fundamentaler Bedeutung für ihre Entgeltansprüche. Schließlich sei darauf zu verweisen, daß der Bescheid der Kammer nicht rechtsgestaltend sei, da die Fachgruppenmitgliedschaft ex lege entstehe, sodaß es sich bei der Entscheidung lediglich um einen Feststellungsbescheid handeln könne. Es scheine somit ein Abgehen von der bisherigen Judikaturlinie zumindest überlegenswert. Andererseits bestünden auch gewichtige Argumente für die Beibehaltung der bisherigen Linie. Die zitierten Neuregelungen des § 2 Abs 13 GewO und § 7 AVRAG hätten an der grundsätzlichen Konstellation insofern nichts geändert, als sie lediglich für bestimmte Teilbereiche, wo es an einer Handelskammermitgliedschaft von vornherein fehlte, die Bestimmung der Kollektivvertragsangehörigkeit durch das Arbeitsgericht ermöglichten. Auch die Handelskammergesetznovelle 1993 könne selbstverständlich so betrachtet werden, daß die Neufassung des § 68 HKG den Arbeitnehmern verstärkten Rechtsschutz gewähre und somit aus diesem Grund die Bedenken gegen eine Unüberprüfbarkeit des Handelskammerbescheides durch das Arbeitsgericht vermindere. Beachtenswert erscheine auch, daß beim Abstellen auf die rechtliche anstelle der faktischen Mitgliedschaft der betroffene Arbeitgeber in den Verhandlungen über den Kollektivvertrag, dem zugehörig er dann letztlich durch das Gericht bestimmt würde, nicht teilnehmen könnte, wodurch das Repräsentationsprinzip verletzt wäre. Es werde auch nicht verkannt, daß das Abstellen auf die rechtliche Mitgliedschaft schwerwiegende Konsequenzen für das Kollektivvertragsgefüge hätte und zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit führen würde. Es bedürfe daher in dieser elementaren Rechtsfrage auf schnellstem Wege einer Entscheidung durch das Höchstgericht. Die eingewendete Streitanhängigkeit liege nicht vor.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Bestimmungen des § 2 Abs 13 GewO und § 7 Abs 1 AVRAG dienten der Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes im Arbeitsrecht, in dem das Fehlen der Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich nicht zu einer finanziellen Schlechterstellung des Dienstnehmers führen solle. Die vom Kläger aus diesen Bestimmungen abgeleitete willkürliche unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen liege mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht vor. Auch der gerügte Verstoß gegen Art 6 MRK sei nicht zu erkennen. Die in § 68 HKG geregelte Aufsichtsbeschwerde könne auch vor Novellierung dieser Bestimmung als durchaus wirksames Kontrollinstrument angesehen werden. Es sei festzuhalten, daß der Zentralbetriebsrat der Beklagten gegen den in dieser Sache zuerst ergangenen Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 10.7.1986 erfolgreich eine Aufsichtsbeschwerde an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten erhoben habe, mit dem Ergebnis, daß der genannte Bescheid in sinngemäßer Anwendung des § 60 AVG wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgehoben worden sei. Eine dagegen von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien angestrengte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei erfolglos geblieben. Gegen den sodann erlassenen Bescheid vom 29.5.1990 habe sich der Zentralbetriebsrat offenbar nicht mehr beschwert. Es könne auch keine Rede davon sein, daß ein unbekämpfbarer Verwaltungsakt mit erheblichen Rechtswirkungen vorliege, da die Fachgruppenzugehörigkeit der Beklagten nicht durch einen unbekämpfbaren Verwaltungsakt, sondern durch einen förmlichen Bescheid bestimmt worden sei. Auch ein Widerspruch zu Art.3 des Übereinkommens Nr.26 der Europäischen Sozialcharta sei nicht zu erkennen. Die Zielsetzung dieses Übereinkommens sei darauf gerichtet, in jenen Gewerben, in denen keine wirksamen Einrichtungen zur Festsetzung der Löhne bestünden und die Löhne außergewöhnlich niedrig seien, Mindestlöhne nach bestimmten Verfahren festzusetzen. Berücksichtige man die Höhe des Einkommens des Klägers und den Umstand, daß in der Branche der Beklagten sowohl für den Bereich des Gewerbes als auch der Industrie Kollektivverträge seit vielen Jahren bestünden, so sei kein einziges der Kriterien für die Anwendung des Übereinkommens erfüllt. Auch liege keine EU-rechtswidrige Diskriminierung ausländischer Arbeitgeber vor, da nicht von vornherein davon ausgegangen werden könne, daß die nach den Bestimmungen des HKG durchgeführte Zuordnung eines Betriebes zum jeweiligen Fachverband ungerechtfertigt geschehe. Die gesamten Rechtsausführungen des Klägers zielten letztlich auf eine Überprüfung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch das Gericht ab. Damit setze sich der Kläger aber eindeutig über das gewaltentrennende Grundprinzip des B-VG hinweg. Das Vorbringen des Klägers könne nichts daran ändern, daß die Überprüfung des strittigen Verwaltungsbescheides auf seine Richtigkeit durch das Gericht ausgeschlossen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision des Klägers kommt keine Berechtigung zu.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit der auch hier zu beurteilenden Frage, ob auf die Arbeitnehmer eines Unternehmens der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie oder des Gewerbes
anzuwenden sei, bereits in seiner Entscheidung 14 Ob 147/86 = SZ
59/176 = ArbSlg 10.559 = DRdA 1988, 245 zu befassen. Er führte dort
im wesentlichen aus, daß die faktische Industrieausübung allein, etwa im Sinn des gewerberechtlichen Industriebegriffes, die Geltung eines Industrie-Kollektivvertrages nicht begründen könne. Spreche schon der Wortlaut des § 8 Z 1 ArbVG eher für die Maßgeblichkeit der faktischen Mitgliedschaft, wobei der Gesetzgeber freilich davon ausgehe, daß sie mit der Gesetzeslage übereinstimme, so könne weiters nicht übersehen werden, daß es in die dem Handelskammergesetz zugrundeliegende Selbstverwaltung der Kammern falle, die gesetzlichen Bestimmungen über die Mitgliedschaft der Arbeitgeber zu den in Betracht kommenden Kammerorganisationen im Einzelfall zu konkretisieren, also den einzelnen Arbeitgeber der nach dem Gesetz für ihn in Betracht kommenden Organisation zuzuordnen. Die Interessen der Arbeitnehmer seien nicht Schutzobjekt der relevanten Bestimmungen des Handelskammergesetzes. Es würde aber einen den Kernbereich der Selbstverwaltung der Kammern berührenden schwerwiegenden Eingriff bedeuten, wollte man die Frage der Zuordnung ihrer Mitglieder zu den einzelnen Kammerorganisationen der Entscheidung der ordentlichen Gerichte unterwerfen. Für eine derartige Auffassung biete weder die Bestimmung des § 8 Z 1 ArbVG noch jenes des Punktes I. des Kollektivvertrages der chemischen Industrie eine Stütze. Das im letztgenannten Kollektivvertrag verwendete Wort "Hauptbetreuung" (anstelle der "Mitgliedschaft" oder der "Angehörigkeit") spreche vielmehr ebenfalls deutlich für die Maßgeblichkeit des faktischen Zustandes der erfolgten Zuordnung. Entscheidend für den fachlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages solle demnach die "Hauptbetreuung" durch den Fachverband der chemischen Industrie sein. Eine solche Betreuung liege aber nicht vor und werde auch nicht behauptet. Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, für die Kollektivvertragsunterworfenheit sei entscheidend, ob die Voraussetzungen für eine Zugehörigkeit zur Sektion Industrie vorlägen, da das Mitgliedschaftsrecht zur Kammer nach den Organisationsbestimmungen ipso iure mit dem Erwerb einer entsprechenden Gewerbeberechtigung ohne jede Willenserklärung des Arbeitgebers begründet werde, könne daher nicht geteilt werden. Sie müßte auch zu unlösbaren Problemen dann führen, wenn ein Gewerbebetrieb im Laufe der Zeit ein Industriebetrieb werde, ohne daß aus diesem Umstand Folgerungen für die Mitgliedschaft zum betreffenden Fachverband gezogen würden. Dies hätte erhebliche Unsicherheiten über das Bestehen der Voraussetzungen einer bestimmten Kollektivvertragsunterworfenheit zur Folge. Daß der Gesetzgeber solche Folgen in Kauf genommen hätte, könne dem Arbeitsverfassungsgesetz nicht entnommen werden.
In seiner Entscheidung 9 ObA 501/88 = RdW 1988, 361 = WBl 1988/337 = DRdA 1990, 344 (mit Glosse von Schwarz) hielt der Oberste Gerichtshof an dieser Ansicht fest. Die Ausführungen von Schwarz in DRdA 1986, 379 böten keinen Anlaß, von der in der Vorentscheidung ausführlich begründeten Ansicht abzugehen, zumal Schwarz auf die in Punkt I. des Kollektivvertrages der chemischen Industrie enthaltene Definition der Betriebe der chemischen Industrie, die auf die "Hauptbetreuung" durch den Fachverband und damit auf den faktischen Zustand abstelle, nicht eingehe.
Diese Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde in der Literatur teilweise kritisiert. Neben dem bereits erwähnten Aufsatz von Schwarz in DRdA 1986, 379 "Zur Kollektivvertragsangehörigkeit von Arbeitgebern als Mitglieder gesetzlicher Interessenvertretungen" befaßten sich mit der Problematik auch Binder in seiner Besprechung der Entscheidung 14 Ob 147/86, DRdA 1988, 245, Jabornegg in DRdA 1991, 8 "Unternehmensrecht und Arbeitsrecht" sowie jüngst Grießer in DRdA 1994, 1 "Nochmals - Unrichtige Kollektivvertragsangehörigkeit auf Arbeitgeberseite" und Schwarz in DRdA 1994, 365 "Rechtsfragen der Anwendung von Kollektivvertragsbestimmungen". Die dort wiedergegebenen Meinungen können dahin zusammengefaßt werden, daß der Oberste Gerichtshof die in der Fragestellung liegende Vorfragenproblematik nicht ausreichend gewürdigt habe. Der Wortlaut des § 8 Z 1 ArbVG spreche nicht gegen eine selbständige Beurteilung durch die Gerichte, da man gerade dann, wenn man der Ansicht sei, der Gesetzgeber habe die richtige Zuordnung im Auge gehabt, zu dem Ergebnis gelangen müsse, daß die der Gesetzeslage entsprechende Mitgliedschaft maßgeblich sei. Der Gedanke möglicher Rechtsunsicherheit könne nicht einfach das gesetzlich vorgesehene materielle Zuordnungskriterium außer Kraft setzen. Würde man annehmen, daß der Begriff "Mitglieder" im Sinne des § 8 Z 1 ArbVG im Falle von gesetzlichen Interessenvertretungen nur formell anerkannte Mitglieder umfasse, so käme man zu dem ganz untragbaren Ergebnis, daß eine solche Interessenvertretung gar nicht in der Lage wäre, einen Kollektivvertrag für solche Personen abzuschließen, die zwar gesetzlich zwingend ihre Mitglieder sind, aber formell nicht als Mitglieder geführt werden. Entscheidend sei die konkrete Umschreibung des jeweiligen einzelnen Kollektivvertrages, wobei zu beachten sei, daß dieser wie ein Gesetz ausgelegt werden müsse. Ein Gesetz aber, das auf die Mitgliedschaft zur Handelskammer oder einer ihrer Untergliederungen verweise, müßte wohl im Zweifel so ausgelegt werden, daß auf die materiellen Voraussetzungen der Mitgliedschaft verwiesen werde und nicht auf die formelle Anerkennung durch die entsprechende Organisation. Wollte der Kollektivvertrag in Abweichung von diesem Konzept an die formale Anerkennung der Mitgliedschaft anknüpfen, müßte er dies ganz unzweideutig zum Ausdruck bringen. Das Argument, daß § 8 ArbVG nicht die Fiktion einer Mitgliedschaft zum kollektivvertragschließenden Verband aufstelle, sondern bloß an das Faktum der Mitgliedschaft anknüpfe, bedeute in Wahrheit nichts anderes als die Infragestellung des Postulats, daß bei einer gesetzlichen Interessenvertretung die Mitgliedschaft nicht durch freien Willensakt, sondern durch Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Kriterien bestimmt werde. Natürlich sei eine einheitliche Mitgliedschaft sowohl für den organisationsrechtlichen Bereich der Kammer als auch für die arbeitsrechtliche Beurteilung anzustreben. Die Frage sei aber, wer wem zu folgen habe. Bei Angelegenheiten, die nicht vorwiegend innerhalb der Selbstverwaltungsautonomie Bedeutung erlangten, sondern die Außenwirkungen entfalteten, sei wohl einer rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen Gerichts der Vorrang zu geben, um eine Teilung des Mitgliedschaftsbegriffes zu vermeiden. Da der Arbeitnehmer die kammerinterne Zugehörigkeit und die dadurch bedingte Einflußnahme auf seine Entgeltsituation nicht vor ein unabhängiges und unparteiisches Gericht bringen könne, sei die Regelung gemäß § 6 MRK bedenklich. Außerdem besitze weder der Arbeitnehmer noch seine Interessenvertretung im Zuordnungsverfahren ein Recht auf Gehör. Dieses Grundrecht sei nämlich auch dann verletzt, wenn die Entscheidung in einem anderen Verfahren gefällt werde, welches für die zivilrechtlichen Ansprüche bindend sei und zu welchem der Berechtigte keinen Zugang habe.
Demgegenüber hat schon Schrank in seinem Artikel "Kollektivvertragsangehörigkeit und Handelskammermitgliedschaft:
Dargestellt am Beispiel der Industrie-Kollektivverträge", ZAS 1978, 129, ausgeführt, daß das Arbeitsvertragsgesetz keine eigenen Mitgliedschaftsnormen kenne, sondern den Begriff der "Mitgliedschaft" voraussetze. Für das Zustandekommen bzw den Bestand der Mitgliedschaft seien sämtliche Normen des Organisationsrechtes der Handelskammer integrativ in dem Sinn auszulegen, daß sich kein Widerspruch zum Grundsatz der verbandsautonomen Rechtssetzung einstelle. Wer aufgrund des ex-lege-Charakters der Mitgliedschaften in den Handelskammerorganisationen eine kammerexterne Bestimmung der Fachgruppenmitgliedschaften für zulässig oder gar geboten erachte, müsse als Konsequenz in Kauf nehmen, daß die durch selbständige Gesetzesinterpretation extern "aufgefundene" Mitgliedschaft von der Mitgliedschaft laut kammer- oder fachgruppeninternem Mitgliederkataster bisweilen abweichen könne. Nur wenn bereits die potentielle Mitgliedschaft ohne Rücksicht auf ihre Realisierung die den Arbeitgeber meist belastenden Normwirkungen des Kollektivvertrages auslösen könne, ließe sich die verbandsexterne Mitgliedschaftsdeterminierung mit dem zwangsläufigen Risiko der Abweichung von der realisierten Mitgliedschaft ernsthaft in Erwägung ziehen. Allerdings bestünde dann entgegen klarer gesetzlicher Anordnung auch auf Arbeitgeberseite eine Art Außenseiterwirkung. Es spreche für das ArbVG, daß es nicht zu diesem Kunstgriff zwinge: § 8 Z 1 ArbVG erkläre jene Arbeitgeber für kollektivvertragsangehörig, "die zur Zeit des Abschlusses des Kollktivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden". Grammatikalisch gesehen enthalte das Gesetz ja keinerlei Anhaltspunkte für Fiktionen irgendwelcher Art. Es formuliere ausschließlich im Indikativ. Insbesondere fehle jeglicher Hinweis auf eine bloße Mitgliedschaftsmöglichkeit. Das Gesetz gehe also von der tatsächlichen Organisationsmitgliedschaft aus und wahre damit den Repräsentationszusammenhang. Auch § 6 ArbVG über den Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigungen stelle ausschließlich auf die "Mitglieder der Berufsvereinigung" ab. Gerade bei § 6 ArbVG wäre es undenkbar, die bloße Mitgliedschaftsmöglichkeit für die Kollektivvertragsangehörigkeit genügen zu lassen. Das ex-lege-Entstehen der Mitgliedschaft schließe nicht aus, daß die Realisierung der Fachgruppen-Mitgliedschaft noch eines individuellen Verwaltungshandelns der Kammer bedürfe. Im Gegenteil, eine "lebende" Mitgliedschaft sei ohne solche Akte gar nicht denkbar. Sie sei zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit jeder Fachgruppe geradezu erforderlich. Um fortwährende Unsicherheiten auf seiten des Mitgliedes wie auch der Handelskammerorganisation auszuschalten, bedürfe es institutioneller Vorkehrungen. Mitgliedschaftsfragen seien daher ausschließlich Angelegenheit der Selbstverwaltung der Handelskammerorganisationen. Eine externe Mitgliedschaftsdeterminierung müßte entweder eine "freischwebende" Mitgliedschaft mit bloßer Arbeitsrechtswirkung in Kauf nehmen oder aber eine bindende Ingerenz auf die Selbstverwaltung der Handelskammerorganisation. Systemkonforme Gesetzesaus- legung (Erhaltung des Repräsentationszusammenhanges, Unverletzlichkeit der Selbstverwaltung und Wahrung der Gegnerunabhängigkeit) zwinge dazu, die Überprüfung der Fachgruppenmitgliedschaft durch das Arbeitsgericht auf die Sachverhaltsebene zu beschränken, also darauf, welche Fachgruppenmitgliedschaften in der Kammerorganisation konkret realisiert seien. Dieser Ansicht folgte im wesentlichen in jüngerer Zeit auch Schrammel "Die Kollektivvertragsangehörigkeit gemäß § 8 Z 1 ArbVG" in ZAS 1993, 5. Der VwGH habe klargestellt, daß die Behörden an Entscheidungen der Kammer über die Fachgruppenzugehörigkeit in jedem Fall gebunden seien. Die Vorschreibung der Kammerumlagen sei ein Akt der Selbstverwaltung, der bei der Vorfragenbeurteilung nicht außer acht gelassen werden dürfe. Insoweit sei dem Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten, wenn er in der tatsächlichen Handhabung der Kammermitgliedschaft bereits einen Akt der Selbstverwaltung erblicke und daraus die Mitgliedschaft ableite. Dieser Grundsatz gelte auch für den Fall, daß Gewerbeberechtigungen - zu Recht oder zu Unrecht - nicht erteilt würden. Wer keine Gewerbeberechtigung besitze und daher nicht Kammermitglied sei, könne gemäß § 8 Z 1 ArbVG auch keinem Kollektivvertrag angehören, der von der gesetzlichen Interessenvertretung abgeschlossen worden sei.
Auch im Lichte der dargestellten literarischen Meinungen und unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Argumente sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt, von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzugehen: Gemäß § 8 Z 1 ArbVG sind - sofern der Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt - kollektivvertragsangehörig die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden. Gemäß § 29 Abs 4 Handelskammergesetz (HKG) sind die Fachgruppen berufen, in ihrem räumlichen und fachlichen Wirkungsbereich Kollektivverträge zur Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse abzuschließen. Gemäß Abs 5 ist jeder Inhaber von Berechtigungen, die in den Wirkungsbereich einer Fachgruppe fallen, deren Mitglied. Laut Abs 6 wird die Mitgliedschaft durch die Erlangung einer auf den Betrieb einer Haupt- oder auch nur Zweigniederlassung lautenden einschlägigen Berechtigung erworben. Gemäß § 36 HKG wird die Zugehörigkeit zur Sektion Industrie durch die Berechtigung zum Betrieb von der Gewerbeordnung unterliegenden Unternehmungen begründet, wenn das Gewerbe in Form eines Industriebetriebes ausgeführt wird. Gemäß § 42 Abs 4 HKG entscheidet im Streitfall die Landeskammer nach Anhörung der in Betracht kommenden Sektionen, welcher Fachgruppe ein Kammermitglied anzugehören hat. Gemäß § 68 Abs 2 HKG idF der Nov BGBl 22/1993 ist die Aufsichtsbehörde bei Handhabung ihres Aufsichtsrechtes insbesondere berechtigt, Beschlüsse aufzuheben oder in den Fällen des § 42 Abs 4 auch selbst zu entscheiden. Gemäß Abs 3 ist dann, wenn eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes erhebt, ein paritätischer Ausschuß einzurichten. Kommt dieser Ausschuß zu keinem Ergebnis, ist ein paritätischer Ausschuß bei der Bundeskammer zu installieren. Je zwei Mitglieder werden vom ÖGB und der Bundeskammer nominiert. Kommt dieser Ausschuß nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Lösung oder wird die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen, hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden. Gemäß Abs 4 haben in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern, wenn Arbeitnehmerinteressen berührt werden, die kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung sowie das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde zu führen.
Gemäß § 2 Abs 1 des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie vom 1.November 1991 gilt der Kollektivvertrag fachlich für alle Mitgliedsfirmen der nachstehend im einzelnen angeführten Fachverbände.
Gemäß § 12 Abs 1 ArbVG treten die Rechtswirkungen des Kollektivvertrages auch für Arbeitnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ein, die nicht kollektivvertragsangehörig sind (Außenseiter). Eine analoge Regelung für Außenseiter auf der Seite der Arbeitgeber ("Arbeitgeber-Außenseiter") ist aber dem Gesetz nicht zu entnehmen. Da ihnen gemäß § 8 Z 1 ArbVG die Kollektivvertragsangehörigkeit fehlt, unterliegen gemäß § 12 Abs 1 ArbVG auch die Arbeitnehmer von Arbeitgeber-Außenseitern nicht dem Kollektivvertrag. Um solche Arbeitgeber dennoch dem Geltungsbereich eines Kollektivvertrages zu unterstellen, bedürfte es des in den §§ 18 ff ArbVG vorgesehenen Regelungsinstrumentes der Satzung (4 Ob 96/85; 9 ObA 521/88). Entgegen der Ansicht des Klägers wird weder durch die Bestimmung des § 2 Abs 13 GewO 1994, wonach Normen der Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeit aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung haben, welche diese Tätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben, noch durch § 7 Abs 1 AVRAG, wonach Arbeitnehmer eines nicht kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ohne Sitz in Österreich Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt haben, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt, eine Außenseiterstellung von Arbeitgebern für den Bereich des Arbeitsverfassungsrechtes begründet. Die Arbeitgeber werden nämlich durch diese Regelung nicht schlechthin einem entsprechenden Kollektivvertrag unterworfen, wie dies gemäß § 12 Abs 1 ArbVG bei Arbeitnehmern der Fall wäre, sondern es wird (gemäß § 7 AVRAG zudem eingeschränkt auf das Entgelt) nur die Anwendbarkeit vergleichbarer Kollektivvertragsnormen auf die Arbeitnehmer statuiert. Es mangelt somit am Vorliegen sich unmittelbar aus dem Kollektivvertrag ergebender Rechtswirkungen. Es behält daher das Argument Schranks aaO 130 seine Gültigkeit, daß die Kollektivvertragsangehörigkeit des Arbeitgebers ausschließlich durch die Organisationszugehörigkeit determiniert ist.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend anzumerken, daß die Bestimmung des § 2 Abs 13 GewO keinesfalls dahin verstanden werden kann, sie hätte auch jene Fälle erfassen wollen, bei welchen innerhalb ein und derselben Gewerbeausübung die Zugehörigkeit zu Gewerbe oder Industrie fraglich ist. Grießer (aaO 5) räumt selbst ein, der Gesetzgeber habe diesen Fall mit der Novelle zur GewO primär nicht im Auge gehabt. Es sei ihm offenbar nicht um die Frage gegangen, ob die Gerichte eine andere Zuordnung vornehmen können oder nicht, sondern um schadenersatzrechtliche Überlegungen. Bei der bisherigen Diskussion sei außer acht gelassen worden, daß die Entscheidung der Kammer ein bescheidmäßiges Endergebnis darstelle, dessen Revidierung naturgemäß auf Schwierigkeiten stoße. Nicht hinterfragt worden sei, wie die Rechtsfrage zu beurteilen sei, wenn man überlege, ob der Betriebsinhaber Pflichten verletzt habe, die es ihm auferlegen, für eine richtige Zuordnung entsprechend Sorge zu tragen. Grießer gesteht somit zu, daß auch über den Umweg des § 2 Abs 13 GewO keine dem Gesetzeszweck entsprechende Möglichkeit besteht, die Überprüfbarkeit einer im Verwaltungsweg festgestellten Fachgruppenzugehörigkeit durch die Gerichte zu begründen. Die Frage, ob der Kläger seine Ansprüche auf den Titel des Schadenersatzes gründen könnte, ist in diesem Verfahren nicht zu klären.
Die beiden mehrfach zitierten Bestimmungen der Gewerbeordnung und des AVRAG zeigen deutlich, daß es dem Gesetzgeber um eine möglichst weitreichende Gleichbehandlung aller vergleichbaren Arbeitnehmer geht, nicht jedoch darum, einen bestimmten Modus der Feststellung der Mindestentgelte oder gar nur deren gerichtliche Ermittlung festzulegen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber erkennbar das bereits bestehende für die überwiegende Anzahl aller Arbeitnehmer angewendete Instrumentarium auch auf jene Arbeitnehmer ausgedehnt wissen, die wegen in der Person des Arbeitgebers gelegenen Besonderheiten nicht davon erfaßt werden können. Beide Novellen weisen somit deutlich darauf hin, daß der Gesetzgeber die bislang geltende Rechtslage nicht ändern, sondern sie vielmehr für seine Ziele nutzbar machen wollte.
Entgegen der Ansicht des Klägers kann in diesem Zusammenhang auch weder eine Diskriminierung ausländischer Arbeitgeber oder eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern gesehen werden. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Zweck der gesetzlichen Bestimmung und deren sachliche Rechtfertigung ist die Gleichbehandlung sämtlicher Arbeitnehmer innerhalb Österreichs. Auch Arbeitgeber aus dem EU-Raum müssen es hinnehmen, daß innerhalb eines Arbeitsstandortes ein von der innerstaatlichen Gesetzgebung geregeltes einheitliches Lohngefüge besteht. In diesem Sinn ist auch das vom Kläger selbst zitierte Übereinkommen Nr.26 über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen (BGBl 193/1974) zu verstehen. Gerade durch § 7 AVRAG wird in Entsprechung des Art 48 Abs 2 des EG-Vertrages ausschließlich auf den Arbeitsort abgestellt und damit jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen vermieden. Dies gilt auch für § 2 Abs 13 GewO. Die nach den genannten Gesetzesbestimmungen zum kollektivvertragsangehörigen Unternehmer unterschiedliche Ermittlung der kollektivvertraglichen Normen ergibt sich aus der Natur der Sache, da dort, wo aus beim Arbeitgeber liegenden Gründen ein Kollektivvertrag nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen kann, die Normen nur vergleichsweise ermittelt werden können. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist darin nicht zu erblicken.
Legen aber die beiden mehrfach genannten Gesetzesbestimmungen keine Neuinterpretation des Begriffes "Mitgliedschaft" im § 8 Abs 1 ArbVG nahe, kann auch weiterhin den überzeugenden Argumenten Schranks aaO gefolgt werden. Es würde dem bereits dargestellten Gedanken der Gleichbehandlung vergleichbarer Arbeitnehmer sowie jenem einer möglichst weitgehenden Kalkulierbarkeit der Arbeitsbedingungen grob widersprechen, wollte man für den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer jeweils in einzelnen Gerichtsverfahren die Anwendbarkeit bestimmter Kollektivverträge prüfen. Es bedarf vielmehr, um unzumutbare Ergebnisse weitestgehend auszuschalten, eines feststehenden Kriteriums, wie es die Realisierung der ex lege entstandenen Fachgruppenmitgliedschaft durch den individuellen Verwaltungsbescheid der Kammer ist. Wenngleich der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie nun nicht mehr den Terminus "Hauptbetreuung" aufweist, wie er in den zitierten Vorentscheidungen des Obersten Gerichtshofes als Indiz für die Maßgeblichkeit des faktischen Zustandes der erfolgten Zuordnung gewertet wurde, ändert sich dennoch aufgrund der überwiegenden sonstigen Argumente nichts an der Beurteilung. Insbesondere ist dem Kollektivvertrag kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, die Kollektivvertragsparteien hätten die terminologische Änderung deshalb vorgenommen, um die hier zu entscheidende Streitfrage in die eine oder die andere Richtung zu klären.
Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, ist durch die Novellierung des § 68 HKG den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer ein eingangs im einzelnen dargestelltes Mitspracherecht eingeräumt worden. Dies stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß der Gesetzgeber etwa im Sinne der Glosse Grillbergers (WBl 1988, 337) dem Einwand mangelnder Mitsprache der Arbeitnehmerorganisationen bei Feststellung der Fachgruppenzugehörigkeit Rechnung tragen und so den Bedenken gegen die Bindung der Gerichte an den Bescheid der Kammer begegnen wollte. Abgesehen davon beachtet der Kläger aber das Wesen des kollektiven Arbeitsrechtes nicht, wenn er unter Hinweis auf Art 6 MRK die mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit der Arbeitnehmer an der Willensbildung rügt. Anstelle des einzelnen Arbeitnehmers (und Arbeitgebers) agieren auf dem Arbeitsmarkt mächtige Verbände, welche die Arbeitsbedingungen normierend und typisierend festlegen (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht, 42). Die Ausübung dieses Rechtes ist durch Art.11 MRK geschützt und geht in diesem Bereich der Privatautonomie vor. Die Gerichte überprüfen die Kollektivverträge, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, europäisches Gemeinschaftsrecht, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechtes verstoßen. Dagegen ist es den Gerichten verwehrt, Kollektivverträge auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Verändern sich die tatsächlichen Umstände, so sind nicht die Gerichte, sondern die Kollektivvertragsparteien gehalten, den Kollektivvertrag zu ändern (berichtigend auszulegen) (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch7, 1502). Es kann daher nicht in der Hand des einzelnen Arbeitnehmers liegen, mittels Klage die Geltung eines anderen Kollektivvertrages zu erzwingen als jenes, in dessen von den Kollektivvertragsparteien autonom festgelegten Geltungsbereich der jeweilige Arbeitgeber fällt. Nach den vorstehend dargelegten Überlegungen ist aber davon auszugehen, daß der im Kollektivvertrag verwendete Ausdruck "Mitgliedsfirmen" in dem Sinne auszulegen ist, daß damit die in der Kammerorganisation konkret resalisierten Fachgruppen-Mitgliedschaften umschrieben werden sollten. Es wäre ausschließlich Sache der Kollektivvertragsparteien, einen anderen Anknüpfungspunkt für den Geltungsbereich entsprechend deutlich im Kollektivvertrag zu verankern.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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