OGH 4Ob96/85

OGH4Ob96/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Herbert Bauer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto A, kaufmännischer Angestellter in Wien 20., Taborstraße 93/9/68, vertreten durch Dr. Andreas Puletz und Dr. Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B C Gesellschaft mbH in Wien 1.,

Trattnerhof 1, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 516.712,25 sA (Revisionsstreitwert S 423.913,85), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 7.März 1985, GZ 44 Cg 23/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 7.September 1984, GZ 4 Cr 1045/84-8, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 26.11.1956 Angestellter der beklagten GmbH. Nachdem ihm mit Wirkung vom 1.2.1970 Kollektivprokura erteilt worden war, kündigte die beklagte Partei am 22.6.1983 das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1983 auf und widerrief am folgenden Tag (23.6.1983) die dem Kläger erteilte Prokura. Anläßlich der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses hat der Kläger von der beklagten Partei eine Abfertigung in der Höhe eines Jahresgehaltes bekommen. Mit der Behauptung, daß er nach dem Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen (im folgenden: D) Anspruch auf eine Abfertigung im Ausmaß von zwei Jahresgehältern habe, begehrt der Kläger von der beklagten Partei weitere S 423.913,85 netto sA.

Die beklagte Partei hat dieses Begehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Der D komme hier nicht zur Anwendung, weil sich die beklagte Partei nur als Versicherungsmakler betätige und auch keine Konzession zum Betrieb von Versicherungsgeschäften habe; er gelte auch nicht für Prokuristen, mit denen - wie hier mit dem Kläger - ein Sondervertrag abgeschlossen wurde.

Die einschlägigen Bestimmungen des D haben folgenden Wortlaut:

'§ 1 - Geltungsbereich

(1) Der Kollektivvertrag gilt

...

b) fachlich für alle dem Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs angehörigen Versicherungsunternehmen und deren inländische Betriebsstätten;

...

(2) Der Kollektivvertrag gilt nicht

...

b) für Prokuristen, wenn ein Sondervertrag besteht oder sobald ein solcher abgeschlossen wird;.....

...

§ § 34

...

(2) Die Abfertigung beträgt für definitive Angestellte das gesetzliche Ausmaß zuzüglich einer Erhöhung um 50 %. Hat der Angestellte im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses, im Zweifel also bei Ablauf der Kündigungsfrist, 25 Dienstjahre zurückgelegt und das 50.Lebensjahr überschritten, das 55.Lebensjahr aber noch nicht erreicht, so erhöht sich die gesetzliche Abfertigung um 100 %...'

Das Erstgericht wies das dargestellte Klagebegehren ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:

Die beklagte Partei betreibt ein freies Gewerbe mit der Berechtigung zur 'Vermittlung von Versicherungsgeschäften unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis oder an eine besondere Bewilligung (Konzession) gebundenen Tätigkeit'. Sie kann im Sinne des § 6 des Umsatzsteuergesetzes die sogenannte unechte Befreiung von der Umsatzsteuer für sich in Anspruch nehmen und tut dies auch. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß der D im vorliegenden Fall nicht gelte, und zwar weder für die beklagte Partei, welche kein Versicherungsunternehmen sei und auch nicht dem Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs angehöre, noch für den Kläger, welcher Prokurist mit Sondervertrag gewesen sei. Die ihm nach dem Angestelltengesetz gebührende Abfertigung habe der Kläger erhalten.

Die Berufung des Klägers blieb im hier maßgebenden Umfang erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes durch das Prozeßgericht erster Instanz.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit Berufung aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Etntscheidung aufzuheben und (zu ergänzen: dem Berufungsgericht) eine Verfahrensergänzung aufzutragen, hilfsweise das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß dem Zahlungsbegehren stattgegeben werde. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, die beklagte Gesellschaft sei auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung kein Versicherungsunternehmen, sondern Versicherungsmakler. über die Eigenschaft eines Unternehmens als 'Versicherungsunternehmen' entscheide mit Bindungswirkung auch für andere Rechtsbereiche die Versicherungsaufsichtsbehörde. Eine Anfrage an das Bundesministerium für Finanzen, wie sie der Kläger in den Vorinstanzen erfolglos beantragt habe, hätte die Richtigkeit seines Vorbringens bestätigt, daß die beklagte Partei der Versicherungsaufsicht unterliege und daher als Versicherungsunternehmen zu qualifizieren sei. Diese Rüge geht schon deshalb fehl, weil nach einem Amtsvermerk des Erstrichters vom 7.9.1984 (ON 7 S 27) das Bundesministerium für Finanzen ihm telefonisch mitgeteilt hat, daß die beklagte Partei nicht der Versicherungsaufsicht nach § 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes BGBl 1978/569 (VAG) unterliegt. Tatsächlich hat auch das Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß das Unternehmen der beklagten Partei den Betrieb der Vertragsversicherung, also die vertragliche übernahme wirtschaftlicher Risken (Pollak, Das Versicherungsaufsichtsgesetz 2 § 1 Anm 1), zum Gegenstand hätte - ganz abgesehen davon, daß ein solches Versicherungsunternehmen gemäß § 3 Abs 1 VAG nur in Form einer Aktiengesellschaft oder eines Versicherungsvereines auf Gegenseitigkeit, nicht aber auch als Gesellschaft mbH betrieben werden dürfte. Das bloße Vermitteln von Versicherungsverträgen, etwa durch einen Versicherungsmakler, unterliegt nicht den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (Pollak aaO Anm 4). Für den Rechtsstandpunkt des Klägers wäre aber auch dann nichts gewonnen, wenn der beklagten Partei die Eigenschaft eines 'Versicherungsunternehmens' zuerkannt werden könnte: Nach der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 1 Abs 1 lit b D gilt dieser Kollektivvertrag in fachlicher Hinsicht nur für solche Versicherungsunternehmen, die dem Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs angehören. Daß die beklagte GmbH nicht Mitglied dieses Verbandes ist (siehe dazu dessen Mitteilung vom 4.3.1985, ON 13), stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Er meint aber, daß die Schutzwirkung des Kollektivvertrages vor allem dann zum Tragen kommen müsse, wenn ein Arbeitgeber, wie hier die beklagte Partei, 'zwar bestimmte Teile des Kollektivvertrages quasi freiwillig zur Anwendung bringt, bestimmte Teile aber ausnimmt'; andernfalls läge es nämlich im Belieben des Arbeitgebers, sich durch die Wahl einer bestimmten unternehmerischen Gestaltungsform der mit dem Kollektivvertrag für die Arbeitnehmerseite verbundenen Schutzwirkung zu entziehen. Auch dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden: § 8 Z 1 ArbVG beschränkt die Kollektivvertragsangehörigkeit - vorbehaltlich einer im Kollektivvertrag selbst normierten Einschränkung - auf solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden. Dem entspricht § 1 Abs 1 lit b D, wonach dieser Kollektivvertrag fachlich für alle dem Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs - welcher den Kollektivvertrag am 21.8.1951 auf Arbeitgeberseite abgeschlossen hat - angehörigen Versicherungsunternehmen gilt. Nun treten zwar gemäß § 12 Abs 1 ArbVG die Rechtswirkungen des Kollektivvertrages auch für Arbeitnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ein, die nicht kollektivvertragsangehörig sind (Außenseiter). Eine analoge Regelung für Außenseiter auf der Seite der Arbeitgeber ('Arbeitgeber-Außenseiter') ist aber dem Gesetz nicht zu entnehmen. Da ihnen gemäß § 8 Z 1 ArbVG die Kollektivvertragsangehörigkeit fehlt, unterliegen gemäß § 12 Abs 1 ArbVG auch ihre Arbeitnehmer nicht dem Kollektivvertrag (Floretta-Strasser, Komm zum ArbVG 74 f § 8 Anm 7, 99 § 12 Anm. 2.2). Um solche Arbeitgeber dennoch dem Geltungsbereich eines Kollektivvertrages zu unterstellen, bedürfte es des in den §§ 18 ff ArbVG vorgesehenen Regelungsinstrumentes der Satzung (Floretta-Strasser aaO). Daß aber der hier maßgebende D entsprechend den erwähnten Betimmungen vom Obereinigungsamt zur Satzung erklärt worden und ihm damit auch außerhalb seines räumlichen, fachlichen und pesönlichen Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuerkannt worden wäre (§ 18 Abs 1 ArbVG), hat der Kläger nicht einmal behauptet und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

Bei dieser Sachlage kann die Frage, ob der Kläger in seiner Eigenschaft als Prokurist der beklagten Partei gemäß § 1 Abs 2 lit b D auch noch vom persönlichen Geltungsbereich dieses Kollektivvertrages ausgenommen wäre, auf sich beruhen; sein aus § 34 Abs 2 D abgeleitetes Zahlungsbegehren muß schon wegen der fehlenden Kollektivvertragsangehörigkeit der beklagten GmbH erfolglos bleiben.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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