European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00017.22S.0330.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten und gefährdenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
[1] Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (kurz Beklagter) war bis zu seinem Pensionsantritt mit 1. 1. 2022 bei der V* GmbH & Co KG beschäftigt. Er wurde am 28. 7. 2021 (nicht rechtskräftig) wegen des Vergehens der Untreue gemäß § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, teils iVm § 15 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er als Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats der V* GmbH & Co KG im Zeitraum von 10. 11. 2006 bis 30. 6. 2017 seine Befugnis, den Betriebsratsfonds der Arbeiter (= die klagende und gefährdete Partei, kurz Kläger) zu vertreten und über dessen Vermögen in Umsetzung von Betriebsratsbeschlüssen und in Entsprechung der Betriebsratsfonds-Verordnung (BRF‑VO) zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch den Kläger in einem 5.000 EUR, nicht jedoch 300.000 EUR übersteigenden Betrag in der Höhe von 142.976,19 EUR am Vermögen teils geschädigt, teils zu schädigen versucht hat, indem er in den Betriebsratsfonds fallende Dotationen (Zuschüsse) und Heißgetränkerückerstattungszahlungen der V* GmbH & Co KG sowie Inkassoprovisionen der M* AG auf den der Kontrolle und dem Zugriff des Betriebsrats entzogenen Sparbüchern und Konten teils in bar entgegennahm und verwaltete und mit diesen Mitteln eigenmächtig und ohne Beschlüsse des Arbeiterbetriebsrats teilweise nicht von der Zweckbindung der BRF‑VO gedeckte Aufwendungen tätigte und teils zu tätigen versuchte, sohin in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstieß, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienten. Mit diesem Strafurteil wurde der Beklagte des Weiteren gemäß § 369 Abs 1 StPO schuldig erkannt, dem Kläger ein Teilschadenersatz von 50.000 EUR zu leisten.
[2] Mit seiner am 29. 12. 2021 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten– unter Berücksichtigung des noch nicht rechtskräftigen Privatbeteiligtenzuspruchs im Strafverfahren – eine weitere Schadenersatzzahlung von 124.132 EUR sA. Durch die in rechtswidriger und schuldhafter Weise laut der Aufstellung Beilage ./A getätigten Ausgaben habe der Beklagte dem Kläger einen Schaden in Höhe von zumindest 174.132 EUR zugefügt.
[3] Zur Sicherung dieses Schadenersatzanspruchs beantragte der Kläger, dem Beklagten jede weitere Verfügung über eine ihm seitens seiner ehemaligen Arbeitgeberin per 31. 12. 2021 auszuzahlende Abfertigung in Höhe von 56.000 EUR und über 3.000 Stück ihm seitensder V* Mitarbeiterbeteiligung-Privatstiftung auszufolgende oder zu übertragende Aktien in einem Geldwert von zumindest 93.000 EUR zu untersagen und der ehemaligen Arbeitgeberin die Auszahlung der Abfertigung sowie der Privatstiftung die Ausfolgung bzw Übertragung der Aktien zu verbieten.
[4] Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung gemäß § 379 Abs 2 Z 1, Abs 3 Z 3 EO zur Sicherung eines Anspruchs von 82.038 EUR und verbot einerseits dem Beklagten die Verfügung über die Abfertigung in Höhe von 56.000 EUR und über Aktien aus der Mitarbeiterbeteiligung im Gegenwert von 26.038 EUR, andererseits der ehemaligen Arbeitgeberin die Auszahlung der Abfertigung in Höhe von 56.000 EUR und der Privatstiftung die Ausfolgung bzw Übertragung von Aktien bis zu einem Gegenwert von 26.038 EUR.
[5] Gegen die Abweisung des darüber hinausgehenden Sicherungsbegehrens richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Der Kläger kritisiert, dass das Rekursgericht (auf Basis der strafgerichtlichen Verurteilung) nur einen Schaden von 82.038 EUR als bescheinigt angenommen hat. Er habe anhand der übersichtlich gestalteten Beilage ./A, in der die Ausgaben des Beklagten einzeln angeführt seien, einen Schaden von zumindest 174.132 EUR, also auch von weiteren 92.094 EUR, glaubhaft gemacht.
[7] Bei der Entscheidung über einen Revisionsrekurs ist der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz und hat von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat. Tatsachen, die das Rekursgericht als nicht bescheinigt annimmt, können in die rechtliche Betrachtung nicht einbezogen werden (RS0002192; RS0002399). Die Frage, ob die Glaubhaftmachung gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine rechtliche Beurteilung (RS0040286; vgl RS0002192 [T14]).
[8] Der Kläger versucht, die Unanfechtbarkeit des als bescheinigt angenommenen Sachverhalts in dritter Instanz durch den (nicht weiter substantiierten) Vorwurf zu unterlaufen, das Rekursgericht habe sich nicht am niedrigeren Beweismaß des § 274 ZPO orientiert. Das trifft aber nicht zu. Das Rekursgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass im Rahmen des Sicherungsantrags „die Behauptungen nur bescheinigt zu werden“ brauchen. Die vom Kläger angefertigte Aufstellung Beilage ./A hat es allerdings schon mangels detaillierten Vorbringens für ungeeignet erachtet, einen über die eingeklagten Fakten und das Strafurteil hinausgehenden Schaden zu bescheinigen.
[9] 2. Das Drittverbot ist auf den Teil der Forderung zu beschränken, der zur Befriedigung der Forderung der gefährdeten Partei (und allenfalls der bei Schaffung des Titels entstehenden Kosten) nötig ist. Dass die gesamte Forderung zur Sicherung der gefährdeten Partei nötig wäre, müsste die gefährdete Partei behaupten und bescheinigen (RS0008670). Das Neuerungsverbot gilt allerdings auch im Rechtsmittelverfahren gegen eine einstweilige Verfügung (RS0002445).
[10] Dagegen verstößt der Kläger mit seinem Vorbringen, der Abfertigungsanspruch des Beklagten sei strittig, weil dessen Arbeitgeberin ihm gegenüber die Entlassung ausgesprochen habe. Dass „das Hauptaugenmerk der Anspruchssicherung auf das Aktienpaket“ zu legen sei, macht der Kläger unzulässiger Weise erstmals im außerordentlichen Revisionsrekurs geltend.
[11] 3. Mit seinen Rechtsmittelausführungen zeigt er daher insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) auf.
[12] 4. Für eine vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung steht gemäß der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch zu (RS0124792).
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