Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.029,39 (darin enthalten EUR 283,23 an USt und EUR 530,-- an Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens sowie der Wirtschaftskammer Wien den mit EUR 330,-- bestimmten Aufwandersatz für das Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf das Arbeitsverhältnis des seit 1. 7. 1997 bei der Beklagten als Techniker beschäftigten Klägers findet der Kollektivvertrag für Arbeiter im Gastgewerbe Wien Anwendung.
Der Kläger begehrt nun im Einzelnen aufgeschlüsselt der Höhe nach unstrittig eine Lohnnachzahlung basierend auf den im Kollektivvertrag für Arbeiter im Metallgewerbe für die Jahre 2000 bis 2003 vorgesehenen Istlohnerhöhungen. Er stützt sich zusammengefasst darauf, dass nach dem Kollektivvertrag für Arbeiter in Hotel- und Gastgewerbe für Professionisten wie den Kläger die Lohnsätze des Kollektivvertrages ihrer jeweiligen Branche, somit die Lohnsätze des Kollektivvertrages für Arbeiter im Metallgewerbe zur Anwendung gelangten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass unter den „Lohnsätzen" im Sinne des Kollektivvertrages für Arbeiter im Gastgewerbe nur die Grundsätze betreffend die Entlohnung im Abschnitt IX gemeint sind, also die kollektivvertraglichen Mindeststundenlöhne, nicht aber etwaige Istlohnerhöhungen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass nach dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe für Professionisten, die als solche beschäftigt werden, die „Lohnsätze" des Kollektivvertrages ihrer Branche ansonsten aber die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Gast- und Beherbungsgewerbe maßgeblich seien. Die im Punkt IX des Kollektivvertrages für Metallgewerbe vorgesehenen Istlohnerhöhungen seien von der Verweisung nicht erfasst.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass nach dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe ua für Haustechniker wie im vorliegenden Fall keine Lohnansätze vorgesehen seien, sondern auf die jeweils facheinschlägigen Kollektivverträge verwiesen werde. Dies sei hier auch auf den Kläger anzuwenden. Wollte man dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut ableiten, sei im Sinne einer „Lückenfüllung" davon auszugehen, dass der Lohnsatz des Kollektivvertrages seiner Branche maßgebend sei und dies auch „Istlohnerhöhungen" erfasse.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig und auch berechtigt.
Die hier vorweg wesentliche „Lohnordnung" des Punktes 7 des Kollektivvertrages für das Gastgewerbe in Wien sieht in der lit i Folgendes vor:
„Für Professionisten und geprüfte Kesselheizer, die als solche beschäftigt werden, gelten, ebenso wie für Chauffeure, die Lohnsätze des Kollektivvertrages ihrer Branche, ansonsten sind die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Gast-, Schank- und Beherbungsgewerbe maßgebend."
Der Kollektivvertrag sieht in dem Lohnabkommen für die typischen Berufe im Gastgewerbe Garantielöhne vor, aber keine Istlohnerhöhung. Allerdings ist in der Lohnordnung festgelegt, dass den Arbeitnehmern insgesamt ein je nach Betriebsart festgelegter Prozentanteil am Konsum der Gäste zusteht. Erreicht dies nicht den Garantielohn ist dies vom Arbeitgeber zu ergänzen, übersteigt dies den Garantielohn gebührt der Überschuss den Garantielöhnern (Beteiligung am Produktivitätszuwachs).
Hingegen sind im Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, der hier zwischen den Parteien unstrittig für die Tätigkeit des Klägers als „Kollektivvertrag der Branche" im Sinne des Punktes 7 lit i des Kollektivvertrages fürs Gastgewerbe heranzuziehen ist, einerseits im Punkt IX die Kollektivvertragslöhne (Mindeststundenlöhne) und andererseits in einem Anhang III, auf den allerdings im Punkt IX verwiesen wird, Istlohnerhöhungen geregelt.
Die von den Vorinstanzen als solche grundsätzlich zutreffend erkannte Frage liegt nun darin, ob die Kollektivvertragsparteien des Kollektivvertrages für das Hotel- und Gastgewerbe Wien mit ihrer Verweisung auf die „Lohnsätze" des Kollektivvertrages der jeweiligen „facheinschlägigen" Branche auch auf die in diesem Kollektivvertrag vorgesehenen Istlohnerhöhungen verweisen wollten.
Grundsätzlich ist den Kollektivvertragsparteien zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regel treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollen und daher bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, der diesen Anforderungen am meisten entspricht (vgl RIS-Justiz RS0008828 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zuletzt 9 ObA 41/04a und 8 ObA 126/04v). Dabei ist auch zu beachten, dass naturgemäß das Ergebnis der Verhandlungen der Kollektivvertragsparteien regelmäßig einen Kompromiss des Ausgleiches gegenläufiger Interessen darstellt (vgl OGH 8 ObA 126/04v). Die Auslegung selbst hat entsprechend den §§ 6 und 7 ABGB nach dem objektiven Inhalt des Kollektivvertrages zu erfolgen, also primär danach, welcher Wille des „Normgebers" für den Leser des Textes ersichtlich ist (vgl RIS-Justiz RS0010088 mwN zuletzt 8 ObA 30/04a und RIS-Justiz RS0008807). Nach dem System des Kollektivvertrages für das Hotel und Gastgewerbe geht es in der Lohnordnung des Punktes 7 im Zusammenhang mit dem jeweils vereinbarten Lohnabkommen darum „Garantielöhne" festzulegen. Die Lohnordnung selbst geht dabei davon aus, dass die Garantielöhne durch den festgelegten Prozentanteil am Konsum der Gäste aufgebracht - allenfalls auch überschritten - werden bzw im Falle der Nichterreichung der Fehlbetrag vom Arbeitgeber zu ergänzen ist. Den dann in den „Lohnabkommen" jeweils für die verschiedenen Beschäftigtengrupppen festgelegten „Garantielöhne" entsprechen am ehesten aber die in den jeweiligen „Lohnordnungen" der anderen Kollektivverträge enthaltenen „Mindestlöhne". Schon nach dieser Struktur ergibt sich also, dass hinsichtlich der Arbeitnehmer, die in ihrer Tätigkeit jenen aus einer anderen Branche entsprechen, eher „Garantielöhne" im Sinne von „Mindestlöhne" dieser anderen Branche festgelegt werden sollten.
Bei den „Istlohnklauseln", deren Gültigkeit von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt wird (vgl OGH 8 ObA 173/98v = Arb 11.871 = ZAS 1999/19 = DRdA 1999, 492 mit ausführlichen Nachweisen hinsichtlich der teilweise kontroversiellen Literatur) geht es aber nicht einfach um die Festlegung von „Mindestlöhnen", sondern im Wesentlichen darum, dass den Arbeitnehmern die Kaufkraft des individuell vereinbarten Lohnes gesichert und sie am Produktivitätszuwachs beteiligt werden sollen, ohne darüber mit dem Arbeitgeber individuell verhandeln zu müssen (vgl OGH 8 ObA 173/98v). Auch aus dieser teilweise unterschiedlichen Zielrichtung lässt sich also ableiten, dass die Kollektivvertragsparteien im Zusammenhang mit der Festlegung von Mindestlöhnen und dem Abstellen auf „Lohnsätze" hier nicht auch allfällige in anderen Kollektivverträgen enthaltene „Istlohnklauseln" erfassen wollten. Hinzu kommt auch, dass im Sinne des oben dargestellten Interpretationsgrundsatzes, wonach jener Auslegung der Vorzug zu geben ist, die einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen darstellt, es auch schwer nachvollziehbar wäre, warum die Kollektivvertragsparteien nur bei ganz kleinen Arbeitnehmergruppen „Istlohnklauseln" für individuell vereinbarte Löhne vorsehen sollten, nicht aber bei dem Großteil der erfassten Arbeitnehmer. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich auch näher darauf einzugehen, inwieweit die hier vorgesehene Verweisung auch unter dem Aspekt des Verbotes einer „dynamischen Verweisung" einer näheren Prüfung bedürfte (vgl RIS-Justiz RS0050859 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa SZ 61/181 uva).
Insgesamt war daher der Berufung der Beklagten Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2, 58a ASGG, 50 und 41 ZPO.
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