Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 199,87 EUR (darin enthalten 33,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 20. 5. 2002 im Betrieb der beklagten Partei als Küchenhilfe beschäftigt. Ihre wöchentliche Normalarbeitszeit betrug bis einschließlich 30. September 2002 40 Stunden und ab 1. 10. 2002 20 Stunden. Der monatliche Bruttolohn der Klägerin betrug bis einschließlich 30. 9. 2002 1.000 EUR brutto und ab 1. 10. 2002 500,58 EUR brutto. Die Klägerin verbrauchte 2002 keinen Urlaub. Der kollektivvertragliche Mindestlohn beträgt bei einer Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche 998,48 EUR brutto monatlich.
Der hier anzuwendende Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe enthält unter Punkt 11 Jahresremuneration folgende Regelung:
"a) Alle Arbeitnehmer (Arbeiter und Lehrlinge), die mindestens zwei Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind, haben Anspruch auf Jahresremuneration in der Höhe von 220 % - ab dem 1. Mai 1984 in der Höhe von 230 % - des im jeweiligen Lohnübereinkommen festgelegten Mindestmonatsbezuges (Tariflohnes), jedoch maximal bis zur Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die Normalarbeitszeit. Die Berechnungsbasis für die Jahresremuneration von Arbeitnehmern, deren Verdienst den kollektivvertraglichen Mindestlohn um weniger als 15 % übersteigt, bildet der Durchschnitt der letzten 12 vollen Kalendermonate vor Auszahlung dieser Jahresremuneration, bei kürzerer Dienstzeit die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses. Wenn in einer Lohnperiode ein voller Lohnausfall von mehr als einer Woche eintritt, so bleibt der betreffende Monat bei der Durchschnittsberechnung außer Betracht, ohne dass hiedurch eine Verlängerung der Bemessungszeitspanne erfolgt.
b) ....
c) Die Auszahlung erfolgt nach erreichter Anwartschaft jeweils zur Hälfte bei Urlaubsantritt und mit der November-Auszahlung, längstens aber bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres.
1. Arbeitnehmer, die kein volles Jahr ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind, erhalten den ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil der Jahresremuneration (1/52 pro Woche).
2. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses im Laufe eines Kalenderjahres hat die Auszahlung der Jahresremuneration unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls erfolgten Teilzahlung zugleich mit der letzten Lohnauszahlung zu erfolgen.
3. Wird im ersten Dienstjahr die Wartezeit innerhalb des Kalenderjahres nicht erreicht, so ist der aliquote Teil der Jahresremuneration des vergangenen Kalenderjahres bei der der Vollendung der Wartefrist folgenden Lohnauszahlung zur Auszahlung zu bringen.
d) ...."
Die Klägerin erhielt Ende November 2002 den ersten Teil der Jahresremuneration in Höhe von 309,96 EUR brutto und Ende Dezember 2002 den zweiten Teil der Jahresremuneration in derselben Höhe brutto ausbezahlt.
Die Klägerin begehrt die rechnerisch unstrittige restliche Jahresremuneration für 2002 von 366,66 EUR brutto. Obwohl der anzuwendende Kollektivvertrag eine Durchschnittsberechnung vorsehe, habe die beklagte Partei die aliquote Jahresremuneration lediglich auf Basis von 20 Stunden berechnet.
Die beklagte Partei wendet ein, der Kollektivvertrag sehe bei einvernehmlicher Abänderung der Normalarbeitszeit, wie dem Wechsel von Vollzeit auf Teilzeitbeschäftigung, keine Regel und damit auch keine Durchschnittsberechnung vor. Dementsprechend bestimme sich die Höhe der Sonderzahlung nach dem jeweiligen Fälligkeitstermin. Die Klägerin habe 2002 keinen Urlaub konsumiert. Der erste Teil der Jahresremuneration sei daher am 30. 11., der zweite Teil am 15. 12. 2002 fällig geworden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich vertrat es die Auffassung, dass in § 11 lit a des anzuwendenden Kollektivvertrages von der gleichbleibenden Normalarbeitszeit ausgegangen werde. § 11 lit a zweiter Satz des Kollektivvertrages beabsichtige den Ausgleich von Verdienstschwankungen bei Garantielöhnen und gelte nach dem Wortlaut nicht für den Fall des Wechsels von Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigung. Dennoch sei der Zweck dieser Bestimmung im Zusammenhang mit bestimmten, vom Erstgericht erwähnten gesetzlichen Bestimmungen (§ 19d Abs 5 AZG; § 253c ASVG; § 16 Abs 2 AngG; einschlägige Bestimmungen des GAngG; des HGHAG und LArbG; des MSchG und § 10 APSG) verallgemeinerungsfähig. Gehe man davon aus, dass Sonderzahlungen ein Entgelt darstellten, das fortlaufend von Tag zu Tag verdient werde, so stellte es einen Wertungswiderspruch dar, die Zeiten der Vollzeitbeschäftigung für die Jahresremuneration außer Acht zu lassen und so zu einer Kürzung des unzweifelhaft verdienten Entgelts zu gelangen. Es sei daher der Auffassung Schranks (Arbeits- und Sozialversicherungsrecht 149) zu folgen, wonach die von ihm näher genannten gesetzlichen Anordnungen von "Mischsonderzahlungen" ein im Zweifel analog anzuwendendes allgemeines Berechnungsprinzip verkörperten. In allen Fällen grundlegender Entgeltveränderungen sei der Mischberechnung der Vorzug vor der formalen Stichtagsberechnung zu geben. Auch der Oberste Gerichtshof sei im Falle des Überganges vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis von einer Aliquotierung und Mischberechnung ausgegangen (DRdA 2001/39 [Löschnigg]).
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Aliquotierung von Sonderzahlungen bei Wechsel in bzw von Teilzeitarbeit bestehe.
Das Berufungsgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, dass die hier vorgenommene Aliquotierung ("Mischsystem") auch dem aus Art 141 EGV abgeleiteten Verbot der mittelbaren Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten, die sich zu 90 % aus Frauen rekrutierten (DRdA 2002/48) und der Reglung des § 19d Abs 6 AZG über das Benachteiligungsverbot von Teilzeitbeschäftigten gerecht werde. Sonderzahlungen seien dadurch gekennzeichnet, dass sie sukzessive mit der geleisteten Arbeit anwüchsen. Daher sei ein System sachgerecht, nach welchem die Sonderzahlungen entsprechend der in der Berechnungsperiode tatsächlich geleisteten Arbeit berechnet würden, anstelle ihre Höhe von einem mehr oder weniger willkürlich gewählten Fälligkeitstermin abhängig zu machen. Das Argument der beklagten Partei, das Stichtagsprinzip sei für den Arbeitnehmer bei Wechsel von Teilzeit in Vollzeit günstiger, überzeuge nicht, zumal eine vertragliche Besserstellung von Teilzeitbeschäftigten nicht verboten sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der beklagten Partei erhobene Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des Punktes 11 lit a des Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zu der hier interessierenden Frage fehlt.
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen, bildet der Kollektivvertrag die Rechtsgrundlage für die Sonderzahlungen. Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind daher durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (Löschnigg Arbeitsrecht10 290). In der Ausgestaltung der Sonderzahlungen ist der Kollektivvertrag frei, soweit er nicht gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen bzw gegen grundlegende Wertungen der Arbeitsrechts- und Sozialrechtsordnung verstößt. Sonderzahlungen sind Aliquotierungsregelungen zugänglich, wenn sich die Aliquotierung der Sonderzahlung an unterschiedlichen Entgelthöhen orientiert. Die Gestaltungsfreiheit des Kollektivvertrages führt dazu, dass jeder Kollektivvertrag für sich einer entsprechenden Beurteilung unterzogen werden muss (Anm Löschnigg zu DRdA 2001/39).
In der genannten Entscheidung DRdA 2001/39 wurde erkannt, dass auch ohne ausdrückliche Erwähnung in einem Kollektivvertrag eine vernünftige und zweckentsprechende, den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer berücksichtigende Auslegung ergibt, dass entsprechend Lehr- und Angestelltenzeiten zu aliquotieren ist, wenn eine Aliquotierungsregel für ein- und austretende Arbeitnehmer vorhanden ist. Ob diese zu Art XII KollV für Rechtsanwaltsangestellte in NÖ vertretene Auffassung zu verallgemeinern ist (vgl dazu Löschnigg in DRdA 2001/39), kann dahingestellt bleiben: Der gemäß §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegende (RIS-Justiz RS0010088) § 11 des hier anzuwendenden Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe regelt nach Wortsinn und der sich aus dem Text des Kollektivvertrages selbst ergebenden Absicht der Kollektivvertragsparteien (RIS-Justiz RS0010089) auch den hier vorliegenden Fall, dass in den maßgeblichen Zeiträumen Lohnschwankungen (hier durch Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung) eintreten. Eine Regelungslücke, die es zu schließen gelte, ist daher zu verneinen: Nach dem eindeutigen Wortlaut des zweiten Satzes des § 11 lit a des Kollektivvertrages ist die Berechnungsbasis für die Jahresremuneration von Arbeitnehmern, deren Verdienst den kollektivvertraglichen Mindestlohn um weniger als 15 % übersteigt, der Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Auszahlung dieser Jahresremuneration, bei kürzerer Dienstzeit die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses. Unstrittig ist, dass der Verdienst der Klägerin den kollektivvertraglichen Mindestlohn um weniger als 15 % übersteigt. Selbst wenn man aus dem ersten Satz des § 11 lit a des Kollektivvertrages ableiten wollte, dass der Tariflohn (bzw der tatsächlich verdiente Lohn für die Normalarbeitszeit) zum Stichtag der Fälligkeit der Jahresremuneration gemeint ist, bildet jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 lit a zweiter Satz des Kollektivvertrages in jenen Fällen, bei welchen der Verdienst den kollektivvertraglichen Mindestlohn um weniger als 15 % übersteigt, der Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Auszahlung der Jahresremuneration die Berechnungsbasis. Woraus ersichtlich sein soll, dass sich § 11 lit a zweiter Satz des Kollektivvertrages nur auf Arbeitnehmer bezieht, die die Normalarbeitszeit einhalten, ist nicht zu erkennen. Dass diese Auslegung im Übrigen auch der Absicht der Kollektivvertragsparteien entspricht, ergibt sich, wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannten, insbesondere aus § 11 lit c des Kollektivvertrages.
Schon aus diesem Grund war der unberechtigten Revision ein Erfolg zu versagen, ohne dass darauf eingegangen werden müsste, ob bei Bejahung einer Regelungslücke im Kollektivvertrag die Regel des § 19d Abs 5 AZG analog für alle Teilzeitbeschäftigten Anwendung zu finden hat (so Schwarz in Cerny/Klein/Schwarz Arbeitszeitgesetz 264). Die an Wortlaut und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung führt auch entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung zu einem gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Kollektivvertragsparteien (vgl RIS-Justiz RS0008828), weil damit die Höhe der Jahresremuneration - wie bereits die Vorinstanzen zutreffend hervorhoben - vom tatsächlich verdienten Entgelt abhängig gemacht wird und nicht von einer möglicherweise bloß zufälligen Bezugsgröße zum Fälligkeitszeitpunkt der Jahresremuneration. Dass diese Auslegung im umgekehrten Fall (Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit) für die betroffenen Dienstnehmer nachteiliger ist, ändert deshalb nichts, weil auch in diesem Fall das tatsächlich verdiente Entgelt maßgebliche Bezugsgröße ist und daher eine unsachliche Behandlung dieser Dienstnehmer durch das hier erzielte Auslegungsergebnis nicht zu erkennen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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