OGH 8ObA11/05h

OGH8ObA11/05h19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtsachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Krista G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Brandl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Land Kärnten, 9021 Klagenfurt, Arnulfplatz 1, vertreten durch Klaus & Quendler, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen EUR 3.345,20 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Oktober 2004, GZ 8 Ra 80/04b-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Juni 2004, GZ 31 Cga 21/04y-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit einigen Jahren beim Land Kärnten als Klavierlehrerin mit einem vereinbarten Beschäftigungsausmaß von 50 % einer vollen Lehrverpflichtung teilzeitbeschäftigt im Vertragsbedienstetenverhältnis stehende Klägerin leistet regelmäßig über das vertragliche Ausmaß hinaus Arbeitsstunden, die als Mehrstunden abgegolten werden. Die Personalzulage sowie die Sonderzahlungen werden ihr jedoch nur im Ausmaß von 50 % ausbezahlt.

Die Klägerin begehrt nunmehr die der Höhe nach unstrittige Differenz für Personalzulage und Sonderzahlungen entsprechend ihrem tatsächlichen Beschäftigungsausmaß. Dieser Anspruch ergebe sich schon aus dem Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetz, wonach Zulagen und Monatsentgelt aliquot zum tatsächlichen Beschäftigungsmaß auszubezahlen seien. Anderenfalls liege auch eine wesentliche Benachteiligung der teilzeitbeschäftigten Vertragslehrer gegenüber anderen Landesangestellten vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Auch liege eine unzulässige Überwälzung des Risikos des Ausmaßes der Beschäftigung auf die Arbeitnehmer vor.

Die Beklagte bestritt und wendete im Wesentlichen ein, dass das Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetz das Monatsentgelt nach den vereinbarten Beschäftigungsausmaß bemesse und darüber hinaus geleistete Mehrstunden als solche abgelte. Der Begriff des Monatsentgeltes umfasse nur den Hauptbezug. Es liege auch keine Ungleichbehandlung vor, da Vertragslehrer eine spezielle Gruppe darstellten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich davon aus, dass das Entgelt in § 29 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes definiert werde. § 37 dieses Gesetzes betreffend die Sonderzahlung stelle auf das Monatsentgelt und die Kinderzulage ab und sehe eine Aliquotierung dieses Monatsentgelts vor. Gleiches gelte im Wesentlichen für die in § 46 geregelte Personalzulage, die ebenfalls auf das Monatsentgelt abstelle und eine entsprechende Aliquotierung festlege.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte es im klagsstattgebenden Sinne ab. Schon aus § 37 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes, der für die Frage der Höhe der Sonderzahlungen bei Teilzeitbeschäftigten auf den der Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgeltes abstelle, aber auch aus § 46 Abs 2 dieses Gesetzes, der hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Personalzulage auf das aliquote Ausmaß abstelle, ergebe sich dass diese Zahlungen nach den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten zu berechnen seien. Es falle im Ergebnis auch die Abgeltung der Mehrarbeit unter den Begriff des Monatsentgelts und sei in diesem Umfang für die Berechnung der Personalzulagen bzw der Sonderzahlungen heranzuziehen. Eine solche Auslegung sei im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation im Hinblick auf die Richtlinie 2002/73 EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg in Bezug auf die Arbeitsbedingungen erforderlich. Gerade weibliche Arbeitnehmer würden Teilzeitbeschäftigungsvereinbarungen treffen, um eine bessere Vereinbarung ihrer Berufstätigkeit mit der Familie zu gewährleisten. Aus § 48 Abs 7 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes sei nichts anderes abzuleiten, da sich diese Bestimmung nur auf die Überstunden, nicht aber auf Mehrarbeitsstunden beziehe. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da die hier maßgebliche Frage der Auslegung für viele Arbeitnehmer von Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die wesentlichen Bestimmungen des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994 (im Folgenden: LVBG) lauten wie folgt:

„§ 29 Bezüge

(1) Den Vertragsbediensteten gebühren das Monatsentgelt und allfällige Zulagen. Soweit in diesem Gesetz Ansprüche nach dem Monatsentgelt zu bemessen sind, sind Dienstzulagen, die Verwaltungszulage, die Personalzulage, die Pflegedienstzulage, die Funktionszulage und die Ergänzungszulage dem Monatsentgelt zuzuzählen.

...

(3) außer dem Monatsentgelt gebührt dem Vertragsbediensteten für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in Höhe von 50 % v. H. des Monatsentgeltes und der Haushaltszulage, die ihm für den Monat der Auszahlung zustehen. Steht ein Vertragsbediensteter während des Kalendervierteljahres, für das die Sonderzahlung gebührt, nicht ununterbrochen im Genuss des vollen Monatsentgeltes und der vollen Haushaltszulage, so gebührt ihm als Sonderzahlung nur der entsprechende Teil.

...

§ 37

Entlohnung der nicht vollbeschäftigten Vertragsbediensteten.

Nicht vollbeschäftigte Vertragsbedienstete enthalten den ihrer Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgeltes und der Haushaltszulage. ......

§ 46 Personalzulage

(1) den Vertragsbediensteten des Entlohnungsschemas I und des Entlohnungsschemas II sowie den im Abschnitt V genannten Lehrern des Kärntner Landeskonservatoriums und Musikschulwerks gebührt eine Personalzulage. ....

(2) als Bemessungsgrundlage für diese Zulage dient das jeweilige Monatsentgelt nach § 29 Abs 1 erster Satz zuzüglich allfälliger Ergänzungszulagen.

(3) Teilzeitbeschäftigten Vertragsbediensteten gebührt die Personalzulage in aliquotem Ausmaß.

...

§ 48 Überstundenvergütung

(1) Dem Vertragsbediensteten gebührt für jene Überstunden, die nicht bis zum Ende des auf die Leistung der Überstunden folgenden Monats zur Freizeit nach § 25 ausgeglichen werden, eine Überstundenvergütung. ....

(3) Die Überstundenvergütung besteht aus der Grundvergütung und dem Überstundenzuschlag. Die Grundvergütung für die Überstunde ist durch die Teilung des die Bemessungsgrundlage bildenden Betrages durch die 4,33fache Anzahl der für den Vertragsbediensteten geltenden Wochenstundenzahl zu ermitteln. ...

(7) Die Abs 1 bis 6 sind auf zusätzliche Dienstleistungen teilzeitbeschäftigter Vertragsbediensteten mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Überstundenzuschlag nur für Zeiten gebührt, mit denen der Vertragsbedienstete die volle Wochendienstzeit überschreitet. ..."

Betrachtet man die angeführten Gesetzesbestimmungen näher, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie einer Berechnung der Sonderzahlungen und der Personalzulage unter Zugrundelegung der regelmäßig geleisteten Mehrarbeitsstunden eindeutig entgegenstünden (vgl allerdings die gesonderten Regelung in § 48 Abs 7 LVBG und die mangelnde Erfassung in § 29 LVBG). Es ist daher eine diese Stunden berücksichtigende Interpretation jedenfalls nach den Diskriminierungsverbot des Art 141 EGV geboten (vgl im Übrigen dazu, dass Art 141 Abs 1 EGV auch entgegenstehenden Gesetzen vorgeht allgemein RIS-Justiz RS0117073 mwN; zur Freizügigkeit auch OGH 8 ObA 303/00t jeweils mwN).

Allgemein wird es ua als Diskriminierung im Sinne des Art 141 Abs 1 EGV verstanden, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleiche Sachverhalte angewendet werden - hier etwa - für die gleiche Arbeitsleistung ein unterschiedliches Entgelt zuerkannt wird (vgl dazu etwa EuGH 11. 5. 1999 C-309/97 Wiener Gebietskrankenkasse, Slg 1999 I-2865 Rz 15; EuGH 26. 6. 2001 C-381/99 Brunnhofer Slg 2001, I-4961 Rz 28). Der Zusammenhang mit dem Geschlecht kann auch dadurch nachgewiesen werden, dass die Entgeltgestaltung auf Kriterien abstellt, die dem Anschein nach neutral erscheinen, aber in einem erheblich größeren Umfang Frauen benachteiligen, ohne dass sich diese Kriterien durch Umstände erklären lassen, die mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes nichts zu tun haben - mittelbare Diskriminierung (vgl EuGH 31. 3. 1981 Rs 96/80 Jenkin Slg 1981, 911 Rz 13 ff; zuletzt etwa EuGH 10. 3. 2005, C-196/02 Nikoloudi). Als einer der typischen Fälle eines solchen Kriteriums wird das Abstellen auf den Umstand der Teilzeitbeschäftigung angesehen, weil im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass Teilzeitbeschäftigte überwiegend Frauen sind (vgl dazu etwa OGH 1. 12. 2004 9 ObA 90/04g oder OGH 8. 8. 2002 8 ObA 277/01w; EuGH Rechtssache in Nikoloudi Rz 44). Soweit die Beklagte hier releviert, dass im konkreten Fall am Kärntner Landesmusikschulwerk 92 weibliche Teilzeitkräfte beschäftigt seien, denen aber 77 männliche Teilzeitkräfte gegenüberstünden, ist dem entgegenzuhalten, dass die diskriminierende Wirkung einer solchen Regelung nicht nur durch die Verhältniszahlen in einem konkreten Betrieb „nachgewiesen" werden können, sondern durch die Auswirkungen im gesamten Anwendungsbereich dieser Regelung. Wesentlich ist also die „Quelle" einer allfälligen Diskriminierung (vgl dazu etwa EuGH 13. 1. 2004 C-256/01 Allonby Slg 2004; I-00873 Rz 45 f mwN).

Dass im Anwendungsbereich des Kärntner LVBG entgegen den allgemeinen Annahmen, die regelmäßig von der Rechtsprechung zugrunde gelegt werden (vgl dazu auch OGH 8. 8. 2002 8 ObA 277/01w), die Teilzeitbeschäftigten nicht überwiegend Frauen wären, wurde nicht behauptet.

Wenngleich der EuGH in C-399/92 Helmig Slg 1994, I-5727 Rz 27 die Unterscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten, was die Festlegung eines Überstundenzuschlages bzw dessen Fehlen für Mehrarbeitsstunden als sachlich gerechtfertigt eingestuft hat, ergibt sich doch gerade aus dieser Entscheidung, dass für die Arbeitszeiten, in denen die Teilzeitbeschäftigten ihre Arbeitsleistungen erbringen, ihnen auch das gleichen Entgelt zustehen muss, wie den Vollzeitbeschäftigten. Genau daran mangelt es, wenn eine Teilzeitbeschäftigte, die regelmäßig statt den vereinbarten 20 Wochenstunden 30 Wochenstunden leistet im Kalendervierteljahr die Sonderzahlung und monatlich die Personalzulage nur auf Grundlage der 20 Stunden erhält, ein Vollzeitbeschäftigter für seine 40 Stunden, und damit auch für die 21zigste bis zur 30igsten Stunde sowohl Sonderzahlung als auch Personalzulage bekommt. Die Teilzeitbeschäftigte wird also für die 21igste bis zur 30igsten Stunde geringer entlohnt. Es läge daher eine unzulässige nachteilige Wirkung zu Lasten der Teilzeitbeschäftigten im Anwendungsbereich des Kärntner LVBG vor. Allfällige schwerwiegende sachliche Gründe für diese Differenzierung wurden nicht releviert.

Daher steht der Klägerin für die regelmäßig geleisteten "Überstunden" das gleiche Entgelt wie Vollzeitbeschäftigten zu. Die Berechnung der Sonderzahlungen und der Personalzulage hat unter Zugrundelegung der regelmäßig geleisteten "Überstunden" zu erfolgen.

Der Revision der Beklagten war dementsprechend ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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