European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E130075
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 4.047,66 EUR (darin 674,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die am 22. 5. 2018 beim Erstgericht eingebrachte Klage auf Herausgabe eines Gemäldes wurde dem in der Tschechischen Republik wohnhaften Beklagten am 15. 7. 2019 mit dem Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung zugestellt. Am 19. 8. 2019 langte eine am 14. 8. 2019 zur Post gegebene Eingabe der in Bratislava, Slowakische Republik, ansässigen Anwaltskanzlei Svitok a spol., s.r.o. ein (ON 25), die vom Erstgericht als Klagebeantwortung gewertet und mit Beschluss vom 3. 9. 2019 als verspätet zurückgewiesen wurde (ON 28). Über Antrag des Klägers erließ das Erstgericht am 9. 10. 2019 ein Versäumungsurteil (ON 34). Mit Schriftsatz vom 21. 11. 2019 (Datum der Postaufgabe 22. 11. 2019) erhob die Svitok a spol., s.r.o. unter Anschluss einer Vollmacht des Beklagten im Namen des Beklagten „Widerspruch“ bzw „Einspruch“ gegen den Beschluss vom 3. 9. 2019 (ON 40).
Mit Beschluss vom 10. 2. 2020 (ON 46) trug das Erstgericht „der beklagten Partei, vertreten durch Svitok a spol, s.r.o.“ unter Punkt 1) auf, binnen einer Frist von 14 Tagen „ihre als Rekurs zu wertende Eingabe vom 21. 11. 2019 durch Unterfertigung durch einen österreichischen Rechtsanwalt zu verbessern und per Web-ERV vorzulegen oder zu bescheinigen, dass die konkreten technischen Möglichkeiten zu der Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ausnahmsweise nicht vorliegen“. Unter Punkt 3) wies das Erstgericht den Beklagten ua darauf hin, dass „im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren geltende absolute Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) die Vertretung
a) entweder durch einen in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt
b) oder durch einen ausländischen Rechtsanwalt, der Staatsangehöriger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist, unter Einhaltung der Bestimmungen des österreichischen Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich (EIRAG) erforderlich ist, wobei
* ein Einvernehmensanwalt namhaft zu machen ist [...] – außer der dienstleistende europäische Rechtsanwalt hat mit Erfolg die Eignungsprüfung im Sinne der §§ 24 ff EIRAG abgelegt […]“.
Dieser Verbesserungsauftrag wurde der Svitok a spol., s.r.o. am 28. 5. 2020 zugestellt.
Mit Beschluss vom 24. 6. 2020 wies das Erstgericht den als Rekurs gewerteten Einspruch/Widerspruch vom 21. 11. 2019 gegen den Beschluss vom 3. 9. 2019 zurück, weil dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen worden war.
Über Rekurs des nunmehr durch den österreichischen Beklagtenvertreter vertretenen Beklagten hob das Rekursgericht diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Durchführung eines neuerlichen Verbesserungsverfahrens auf. Jener Teil der Rekursargumentation sei berechtigt, wonach das Erstgericht alternativ zur Unterfertigung von ON 40 durch einen österreichischen Rechtsanwalt den (Verbesserungs-)Auftrag zur Namhaftmachung eines Einvernehmensanwalts nach § 5 EIRAG hätte erteilen müssen. Der vom Erstgericht erteilte Verbesserungsauftrag (Punkt 1 in ON 46), der sich allein auf die Unterschrift durch einen österreichischen Anwalt beschränke und keine andere Nachweismöglichkeit zulasse, sei überzogen und somit nicht ordnungsgemäß.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Judikatur dazu habe aufgefunden werden können, ob eine (erstmals) im Rekursverfahren anwaltlich vertretene Partei, deren Anwalt die Rechtslage zu § 5 EIRAG kenne, weiterhin darauf beharren könne, dass ihr das Gericht eine befristete Verbesserungsmöglichkeit gewähren müsse, oder ob von ihr verlangt werden könne, zum Zwecke der gesetzmäßigen Ausführung der Mängelrüge die versäumte Prozesshandlung zugleich nachzuholen, also den Nachweis des Einvernehmens im Sinne des § 5 EIRAG zugleich mit dem Rekurs zu erbringen.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers, der auf eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzielt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Zurückweisung eines zur Verbesserung zurückgestellten Rechtsmittels nach fruchtlosem Ablauf der Verbesserungsfrist durch das Erstgericht ist aus Gründen der Klarstellung sinnvoll und zulässig (RIS-Justiz RS0115805 [insb auch T2 und T6]). Entgegen der Meinung des Klägers liegt in der Zurückweisung der unverbessert gebliebenen Eingabe daher keine Nichtigkeit. Zutreffend zeigt der Rechtsmittelwerber allerdings auf, dass das Rekursgericht zu Unrecht einen weiteren Verbesserungsauftrag für erforderlich gehalten hat:
2.1 Gemäß § 5 EIRAG dürfen in Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter nur im Einvernehmen mit einem in der Liste der Rechtsanwälte der österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln. Das Einvernehmen ist bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 5 Abs 2 erster Satz EIRAG). Die Herstellung und der Nachweis des Einvernehmens sind Bedingungen dafür, dass die Verfahrenshandlung des einschreitenden ausländischen Rechtsanwalts denen eines österreichischen gleichgestellt ist. Solange das Einvernehmen nicht nachgewiesen ist, ist die Postulationsunfähigkeit der Partei nicht beseitigt (RS0129660 [T2]). Das Fehlen des Nachweises eines Einvernehmens ist ein der Verbesserung zugängliches Formgebrechen (RS0124121). Der Verbesserungsauftrag ist an den Vertreter und nicht an die Partei zu richten, das heißt zuzustellen (2 Ob 36/15f [9. 9. 2015] mwN). Die Vorstellung des Beklagten, dass der ausländische Rechtsanwalt im eigenen Namen und nicht in seiner Eigenschaft als Vertreter der Partei Adressat des Verbesserungsauftrags sein müsse, ist verfehlt.
2.2 Das EIRAG (vormals EuRAG) diente der innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 2. 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ErlRV 59 BlgNR 21. GP 12 f). § 5 EIRAG geht auf Art 5 Abs 3 dieser Richtlinie zurück, der dem Aufnahmestaat – soweit Anwaltspflicht besteht – bei grenzüberschreitendem Dienstleistungsverkehr die Vorschreibung eines „Einvernehmensrechtsanwalts“ vorbehält. Dieses Institut muss einem dienstleistenden europäischen Anwalt daher grundsätzlich bekannt sein.
3. Wird ein Verbesserungsauftrag nicht ordnungsgemäß erteilt, so beginnt die Verbesserungsfrist nicht zu laufen, die Verbesserung bleibt weiterhin möglich (10 Ob 66/05m mwN; G. Kodek in Fasching/Konecny 3 II/2 §§ 84, 85 ZPO Rz 292 mwN). Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen durch die Erteilung von Verbesserungsaufträgen nur jene Personen vor prozessualen Nachteilen geschützt werden, die versehentlich oder in Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften Fehler begehen (RS0036447 [T2]).
4.1 Der Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass sich der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts allein auf die Unterschrift eines österreichischen Anwalts beschränkt und keine andere Nachweismöglichkeit zugelassen habe und damit überzogen und nicht ordnungsgemäß gewesen sei, kann nicht beigetreten werden. Richtig ist, dass dem Beklagten unter Punkt 1) des Spruchs – neben der Verwendung des ERV, die nach § 4 EIRAG auch für dienstleistende europäische Rechtsanwälte Pflicht ist (RS0132613) – in erster Linie aufgetragen wurde, die Eingabe von einem österreichischen Anwalt unterfertigen zu lassen. Allerdings hat das Erstgericht unter Punkt 3) des Spruchs richtig dargestellt, dass sich der Beklagte nicht nur von einem in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt, sondern alternativ („oder“) auch durch einen ausländischen Rechtsanwalt vertreten lassen kann, wobei diesfalls ein Einvernehmensanwalt namhaft zu machen und „dieses Einvernehmen gegenüber dem Gericht bei der ersten Verfahrenshandlung schriftlich nachzuweisen“ ist. Damit hat das Erstgericht in seinem Beschluss nicht nur die zu sanierenden (Form‑)Mängel der Eingabe vollständig angeführt, sondern auch korrekt sämtliche Wege aufgezeigt, wie die Verbesserung erfolgen kann. Das scheint der Beklagte, der weder eine irreführende noch eine unvollständige Belehrung behauptet, auch gar nicht in Zweifel zu ziehen. Im Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts hat er bloß den Standpunkt vertreten, Punkt 3) des Verbesserungsauftrags sei keinesfalls ein Verbesserungsauftrag, sondern bloß ein „Hinweis“, aus dessen „Nichtbefolgung keinerlei rechtliche Konsequenzen abgeleitet werden“ könnten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Erstgericht hat zu Punkt 1) ausdrücklich festgehalten, dass nur bei Einhaltung der gesetzten Verbesserungsfrist die Eingabe als am Tag ihres ersten Einlangens überreicht anzusehen ist. Dem Beklagten bzw seinem europäischen Rechtsanwalt musste daher klar sein, dass Handlungsbedarf besteht und der Verbesserungsauftrag nicht einfach ignoriert werden darf. Es ist daher – wie der Kläger in seinem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof releviert – in der Tat keine Schutzbedürftigkeit des Beklagten bzw seines Vertreters ersichtlich, die die Gewährung einer weiteren Verbesserungsmöglichkeit erfordern würde. Der angefochtene Beschluss erweist sich damit als korrekturbedürftig, sodass die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Durch die gegenläufigen Anträge im Rechtsmittelverfahren über den Zurückweisungsbeschluss ist ein Zwischenstreit entstanden, für den der Beklagte kostenersatzpflichtig ist.
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