European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00087.85.0123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.471,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 480,‑ und Umsatzsteuer von S 271,92) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 22. 3. 1984 ereignete sich in Graz auf der ampelgeregelten Kreuzung Annenstraße ‑ Eggenberger Gürtel ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen * und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen * beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der Kläger fuhr mit seinem PKW auf dem Eggenberger Gürtel nordwärts und bog auf der Kreuzung nach links in die Annenstraße ab; dabei kollidierte er mit dem die Kreuzung in südlicher Richtung geradeaus überquerenden Fahrzeug des Erstbeklagten. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt; Personenschäden trat nicht ein. Ein gerichtliches Strafverfahren fand nach der Aktenlage gegen keinen der beiden beteiligten Lenker statt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 17.260,80 s.A. (Reparaturkosten S 15.370,80, Kreditspesen S 890,‑ und Wertminderung S 1.000,‑). Der Höhe nach ist die Klagsforderung nicht mehr strittig. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall den Erstbeklagten treffe, weil er mit hoher Geschwindigkeit bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren und dabei mit dem nach links abbiegenden Fahrzeug des Klägers zusammengestoßen sei.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger. Der Erstbeklagte sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 bis 50 km/h beim letzten Grünblinken der Verkehrsampel in die Kreuzung eingefahren. Als sich der Erstbeklagte bereits im Kreuzungsbereich befunden habe, habe der Kläger, der sein Fahrzeug zunächst angehalten gehabt habe, sein Linksabbiegemanöver plötzlich fortgesetzt und damit den dem Erstbeklagten zukommenden Vorrang verletzt. Der Erstbeklagte habe trotz sofortiger Bremsung den Zusammenstoß nicht mehr verhindern können. Schließlich wendeten die Beklagten eine Schadenersatzforderung des Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 9.000,‑ (Fahrzeugschaden) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Der Höhe nach ist auch diese Gegenforderung nicht mehr strittig.
Das Erstgericht entschied, ausgehend vom Alleinverschulden des Erstbeklagten, daß die Klagsforderung mit S 17.260,80 s.A. zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht besteht. Es gab daher dem Klagebegehren statt.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es, ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Klägers, die Klagsforderung mit S 5.753,60 und die eingewendete Gegenforderung mit „mindestens S 5.753,60“ als zu Recht bestehend erkannte; das Berufungsgericht gelangte daher zur Abweisung des Klagebegehrens. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 503 Abs. 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, „daß das Klagebegehren als zu Recht anerkannt werde“; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr keine Folge zu geben.
Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Unfallstelle liegt im Stadtgebiet von Graz im Kreuzungsbereich der Annenstraße mit dem Eggenberger Gürtel. Dieser verläuft dort annähernd geradlinig in Nord‑Süd‑Richtung und ist mit einer Asphaltdecke befestigt; die Annenstraße quert den Eggenberger‑Gürtel annähernd im rechten Winkel und verläuft ebenfalls annähernd eben. Südlich des Kreuzungsbereiches ist der Eggenberger Gürtel durch zwei Meter breite Grüninseln in zwei Fahrbahnhälften geteilt. Die östliche Fahrbahnhälfte ist 9,5 m breit; auf ihr sind durch Bodenmarkierungen drei Fahrstreifen gekennzeichnet. Davon ist der westliche Fahrstreifen für den nach links in die Annenstraße abbiegenden Verkehr vorgesehen. Die beiden anderen Fahrstreifen sind für den richtungsbeibehaltenden Verkehr in Richtung Norden eingerichtet, der östliche Fahrstreifen zusätzlich für den nach rechts in die Annenstraße abbiegenden Verkehr.
Nördlich des Kreuzungsbereiches beträgt die Fahrbahnbreite 14 m. Hier sind auf der westlichen Fahrbahnhälfte durch Bodenmarkierungen drei Fahrstreifen gekennzeichnet, die von der östlichen Fahrbahnhälfte durch eine Sperrlinie abgegrenzt sind. Der westliche und der mittlere Fahrstreifen sind für den richtungsbeibehaltenden Verkehr in Richtung Süden vorgesehen, der östlich daran anschließende Fahrstreifen für den Linksabbiegeverkehr in die Annenstraße.
Die Annenstraße ist östlich des Kreuzungsbereiches mit einer 23,5 m breiten Asphaltdecke befestigt. In ihrer Mitte verläuft der Gleiskörper der Straßenbahn, der beiderseits durch Verkehrsinseln begrenzt ist.
Die Kreuzung ist durch eine Verkehrsampelanlage geregelt, wobei für den aus Norden am Eggenberger Gürtel herankommenden Verkehr eine Ampel am westlichen Fahrbahnrand und eine in der Mitte der westlichen Fahrbahnhälfte in einer Höhe von etwa 5 m über der Fahrbahnoberfläche angebrachte Verkehrsampel montiert ist. Auf der Ampelanlage in der Nord‑West‑Ecke der Kreuzung ist ferner ein Diagonallicht für den aus Richtung Süden herankommenden Verkehr montiert. Für den aus Süden kommenden Verkehr am Eggenberger Gürtel ist sowohl am östlichen Gehsteig als auch auf der in der Fahrbahnmitte befindlichen Verkehrsinsel jeweils eine Ampelanlage aufgestellt. Des weiteren befindet sich in einer Höhe von rund 5 m in der Mitte der östlichen Fahrbahnhälfte eine weitere Verkehrsampel.
Im Unfallsbereich besteht für den aus Richtung Norden herankommenden Verkehr am Eggenberger Gürtel eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h. Südlich der Kreuzung beginnt ein Geschwindigkeitsbeschränkungsbereich von 60 km/h.
Als Bezugslinie wurde eine aus Höhe des südlichen Fahrbahnrandes der Annenstraße verlaufende Senkrechte zur Fahrbahn des Eggenberger Gürtels angenommen.
Von Norden her ist der Unfallsbereich auf einer Distanz von mehr als 500 m einsehbar; die Sicht reicht dabei bis mehr als 500 m südlich der Bezugslinie.
Zur Unfallszeit waren die Fahrbahnen trocken.
Der Kläger fuhr mit seinem PKW auf dem Eggenberger Gürtel in nördlicher Richtung in der Absicht, auf der Kreuzung nach links abzubiegen. Da die Verkehrsampel Rotlicht zeigte, mußte er im Bereich der Haltelinie anhalten, wobei er den Fahrstreifen für das Linksabbiegen benützte. Bei Umschalten der Ampel von Rot‑ auf Grünlicht setzte der Kläger sein Fahrzeug wieder in Bewegung und hielt es 1 bis 2 m südlich der Gleisanlage in leichter Schrägstellung wieder an, weil Gegenverkehr herrschte. In der Folge wurde ein LKW‑Zug am westlichen Fahrstreifen der entgegenkommenden Fahrtrichtung angehalten, während der mittlere Fahrstreifen für den Gegenverkehr mit Ausnahme des herannahenden Fahrzeuges des Erstbeklagten frei war. Nachdem der LKW‑Zug angehalten worden war, setzte der Kläger seine Fahrt fort, wobei er 0,6 Sekunden nach dem erstmaligen Aufleuchten des Diagonallichtes bzw. des Beginnes der Gelbphase für den Erstbeklagten aus dem Stillstand losfuhr. Auch der Erstbeklagte versuchte noch, die Kreuzung zu überqueren. Es kam 10 m nördlich der Bezugslinie zwischen den beiden Gleisanlagen zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wobei die Schrägstellung des Fahrzeuges des Klägers 70 bis 80 Grad betrug. Die Anprallgeschwindigkeit des PKW des Erstbeklagten betrug 21 km/h.
Das Fahrzeug des Klägers führte aus seiner ursprünglichen Anhalteposition bis zur Kollision einen engen Linksbogen von 4 m aus. Hiefür benötigte der Kläger bei einer Beschleunigung von 1,5 m/sec2 und einer anschließenden Verzögerung von 7 m/sec2 bis zum Stillstand 2,4 Sekunden. Dabei wurde das Fahrzeug in 2,1 Sekunden über eine Strecke von 3,3 m auf eine Geschwindigkeit von 11 km/h beschleunigt und anschließend in 0,3 Sekunden über eine Strecke von 0,7 m wieder zum Stillstand abgebremst.
Die Leuchtphase des Diagonallichtes der Verkehrsampel in der Nord‑West‑Ecke der Kreuzung beträgt 3 Sekunden. Während der gleichen Zeit leuchtet auf der Ampelanlage nördlich des Kreuzungsbereiches Gelblicht auf. Im Kollisionszeitpunkt erlosch das Diagonallicht auf der Verkehrsampel in der Nord‑West‑Ecke der Kreuzung.
Der Erstbeklagte näherte sich der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km/h. Er faßte 29,6 m vor der Unfallstelle bzw. 39,6 m nördlich der Bezugslinie seinen Bremsentschluß. Er war noch 8,1 m von der Haltelinie entfernt, als der Kläger sein Fahrzeug wieder in Bewegung setzte.
In der Zeit von 0,6 Sekunden (zwischen dem Aufleuchten des Diagonallichtes und der Fortsetzung der Fahrt durch den Kläger) legte der Erstbeklagte 9,2 m zurück. Er befand sich daher 48,8 m nördlich der Bezugslinie bzw. 17,3 m vor der Haltelinie, als die Ampelanlage von grünblinkendem Licht auf Gelblicht umschaltete. Der Erstbeklagte hätte über diese Strecke von 17,3 m sein Fahrzeug auch aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h bei einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden und einer Verzögerung von 7 m/sec2 nicht mehr anhalten können, weil der Anhalteweg unter diesen Annahmen 24,9 m betrug und daher der Erstbeklagte die Haltelinie um 7,6 m überfahren hätte, wenn er 49,8 m nördlich der Bezugslinie den Bremsentschluß gefaßt hätte.
Das grünblinkende Licht der Ampelanlage nördlich des Kreuzungsbereiches erstreckt sich über einen Zeitraum von 4 Sekunden, wobei die Ampelanlage viermal grün blinkt. In dieser Grünblinkphase legte das Fahrzeug des Erstbeklagten eine Strecke von ca. 55 m zurück; es muß daher noch rund 100 m nördlich der Bezugslinie gewesen sein, als die Ampelanlage grün zu blinken begann. In diesem Zeitpunkt war der PKW des Erstbeklagten ca. 70 m von der Haltelinie entfernt, sodaß es dem Erstbeklagten möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug bei einer Reaktionszeit von einer Sekunde aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h mit einer Verzögerung von 1,7 m/sec2 bis zur Haltelinie anzuhalten.
Der Erstbeklagte fuhr in die Kreuzung bei Gelblicht ein.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Erstbeklagte gegen § 38 StVO verstoßen habe, weil er nach Ende der Grünphase in die Kreuzung eingefahren sei. Er hätte technisch die Möglichkeit gehabt, sein Fahrzeug mit einer Vollbremsung noch vor der Haltelinie anzuhalten, wenn er beim letzten Grünblinken den Bremsentschluß gefaßt hätte. Damit gelangte das Erstgericht zur Annahme des Alleinverschuldens des Erstbeklagten.
Das Berufungsgericht führte rechtlich im wesentlichen aus, § 38 Abs. 2 StVO verpflichte einen Fahrzeuglenker, dem ein sicheres Anhalten vor der Haltelinie bei gelbem Licht nach § 38 Abs. 1 StVO nicht mehr möglich sei, weiterzufahren. Der Kläger hätte, als er sein Fahrzeug in Bewegung setzte, damit rechnen müssen, daß der Erstbeklagte nicht vor der Haltelinie anhalten, sondern noch in den Kreuzungsbereich einfahren werde. Der geradeaus weiterfahrende Erstbeklagte sei nach § 19 Abs. 5 StVO gegenüber dem entgegenkommenden linksabbiegenden Kläger im Vorrang gewesen. Dieser Vorrang sei dem Erstbeklagten auch dann zugestanden, wenn er beim Umspringen der Verkehrsampel von grünblinkendem Licht auf Gelblicht gerade noch anhalten hätte können. Durch die Fortsetzung seines Linksabbiegemanövers habe der Kläger den dem Erstbeklagten zukommenden Vorrang, den dieser durch sein festgestelltes Fahrverhalten nicht verloren habe, verletzt.
Dem Erstbeklagten sei ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 StVO anzulasten, weil er durch die Einhaltung einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km/h die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten habe. Die Unterlassung eines Bremsmanövers bei grünblinkendem Licht begründe kein Mitverschulden. Denn grünblinkendes Licht bedeute nach § 38 Abs. 6 StVO das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeichens für „Freie Fahrt“, jedoch habe für den Erstbeklagten noch keine Verpflichtung bestanden, sein Verhalten so einzurichten, daß er an der Haltelinie hätte stehenbleiben können. Bei Umschalten auf Gelblicht sei der Erstbeklagte nicht mehr in der Lage gewesen, gefahrlos vor der Haltelinie anzuhalten, sodaß er nach § 38 Abs. 2 StVO zum Weiterfahren verpflichtet gewesen sei. Eine jähe Bremsung im Sinne des § 21 Abs. 1 StVO habe der gemäß § 38 Abs. 2 StVO zum Weiterfahren verpflichtete Erstbeklagte nicht vornehmen dürfen und er sei auch nicht berechtigt gewesen, nach der Haltelinie, also im Kreuzungsbereich, anzuhalten. Das Rotlicht der Ampel verbiete dem Kraftfahrer das Einfahren in den Kreuzungsbereich (§ 38 Abs. 5 StVO), nicht aber die allenfalls notwendige Fortsetzung der Räumung nach Ende der Gelbphase.
Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Vorrang wiege in der Regel schwerer als andere Verkehrswidrigkeiten. Unter Abwägung der beiden beteiligten Lenkern anzulastenden Verschuldenskomponenten erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt. Dem Kläger stehe daher gegen die Beklagten nur der Anspruch auf Ersatz eines Drittels seines Schadens zu; dem stehe die Forderung des Erstbeklagten auf Ersatz von zwei Dritteln seines Schadens gegenüber.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht im wesentlichen damit, daß die Frage, ob ein bei Gelblicht in den Bereich einer ampelgeregelten Kreuzung einfahrender Verkehrsteilnehmer, der vor dem Kreuzungsbereich anhalten hätte können, Vorrang gegenüber dem entgegenkommenden Linksabbieger genießen, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterschiedlich beurteilt worden sei; ferner werde in Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes eine Verpflichtung zum bremsbereiten Fahren bereits bei grünblinkendem Licht angenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung der Beklagten vertretenen Rechtsmeinung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 zulässig, weil in der Frage, ob die im § 38 Abs. 2 StVO aufgestellte Vorrangregel auch für den unberechtigt in die Kreuzung einfahrenden Geradeausfahrenden gilt, tatsächlich in jüngster Zeit eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorlag und weil das Berufungsgericht in der Frage der Bedeutung des grünblinkenden Lichtes von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sachlich ist die Revision aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Da es sich im vorliegenden Fall um eine durch Lichtzeichen geregelte Kreuzung handelt, sind bei der Beurteilung des Fahrverhaltens der beteiligten Lenker nicht die Bestimmungen über den Vorrang nach § 19 StVO, sondern jene Vorschriften anzuwenden, die sich aus § 38 StVO ergeben.
Nach den Vorschriften des § 38 Abs. 2 und Abs. 4 StVO haben Fahrzeuglenker auf ampelgeregelten Kreuzungen beim Linksabbiegen entgegenkommenden geradeaus fahrenden Fahrzeugen den Vorrang zu geben, mögen sie ihr Linksabbiegemanöver bei für ihre Fahrtrichtung geltendem Grün‑ oder Gelblicht durchführen. In beiden Fällen muß wegen des gleichen Regelungszweckes von den gleichen Erwägungen ausgegangen werden, wie sie in der Rechtsprechung in Ansehung der im § 38 Abs. 2 dritter Satz StVO getroffenen Vorrangregelung angestellt wurden (8 Ob 19/85).
In ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde dazu die Ansicht vertreten, daß diese Vorrangregel gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen ohne Unterschied gilt, mögen sie zu Recht oder zu Unrecht (wenn sie noch vor der Kreuzung angehalten hätten werden können) in die Kreuzung eingefahren sein (ZVR 1974/213; ZVR 1977/162; ZVR 1979/166; ZVR 1980/12; 8 Ob 222/81; ZVR 1983/266 ua.; so auch Dittrich‑Veit‑Schuchlenz StVO3 § 38 Rdz. 18). Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß Vorrangregeln, die zu den Grundpfeilern der Verkehrsregelung zählen, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, so eindeutig und so klar sein müssen, daß im Einzelfall sofort überschaubar ist, wer den Vorrang in Anspruch nehmen darf. Diesem Erfordernis entspricht eine Auslegung, die die im § 38 Abs. 2 dritter Satz StVO getroffene Regelung des Vorranges nur auf entgegenkommende oder nach rechts abbiegende Fahrzeuge bezieht, deren Lenker berechtigt in die Kreuzung eingefahren sind, nicht. Der Linksabbieger, der die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeuges nur schwer abschätzen kann und keine Möglichkeit hat, die für den Entgegenkommenden geltenden Lichtsignale zu beobachten, kann nicht ohne weiteres beurteilen, ob der entgegenkommende Verkehrsteilnehmer berechtigt in die Kreuzung einfährt oder nicht; es würde Unfälle auf lichtgeregelten Kreuzungen geradezu herausfordern, wenn dem Linksabbieger, der meint, der Entgegenkommende sei zu Unrecht auf die Kreuzung gelangt, nunmehr gegenüber dem Entgegenkommenden der Vorrang zustehen sollte.
Nur in der in ZVR 1984/115 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wurde die Rechtsansicht vertreten, daß ein Fahrzeuglenker, der unberechtigt bei Gelblicht in die Kreuzung einfuhr, weil ihm bei richtiger Beurteilung der Verkehrslage ein sicheres Anhalten (§ 38 Abs. 2 zweiter Satz StVO) vor der Kreuzung möglich gewesen wäre, gegenüber dem entgegenkommenden Linksabbieger nicht der Vorrang im Sinne des § 38 Abs. 2 dritter Satz StVO in Anspruch nehmen könne, weil er unzulässigerweise in die Kreuzung eingefahren sei. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß ein bei Rotlicht in die Kreuzung einfahrender Verkehrsteilnehmer keinen Vorrang in Anspruch nehmen könne, weil dies voraussetzen würde, daß der Lenker die Möglichkeit zum zulässigen Weiterfahren hatte (ZVR 1980/131). In gleicher Weise bestimme aber § 38 Abs. 1 StVO, daß gelbes nicht blinkendes Licht als Zeichen für „Halt“ gelte und die Lenker herannahender Fahrzeuge auch bei diesem Zeichen anzuhalten hätten. Nur solche Fahrzeuglenker, denen ein sicheres Anhalten nach § 38 Abs. 1 StVO nicht mehr möglich sei, hätten nach § 38 Abs. 2 zweiter Satz StVO weiterzufahren.
Dieser bisher vereinzelt gebliebenen Entscheidung ist entgegenzustehen, daß es dahingestellt bleiben kann, was rechtens wäre, wenn der geradeaus fahrende Fahrzeuglenker bei Rotlicht in die Kreuzung einfährt (siehe dazu ZVR 1980/131); im vorliegenden Fall ist der Erstbeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei Gelblicht in die Kreuzung eingefahren. Nun ist das Einfahren in die Kreuzung unter Umständen, deren Vorliegen der entgegenkommende Linksabbieger nicht verläßlich beurteilen kann, zulässig (§ 38 Abs. 2 zweiter Satz StVO). Mit den oben wiedergegebenen überzeugend scheinenden Argumenten, mit denen die dargestellte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes begründet wurde, setzt sich diese vereinzelt gebliebene abweichende Entscheidung nicht auseinander. Das Gesetz selbst unterscheidet im § 38 Abs. 2 dritter Satz StVO nicht zwischen berechtigt und unberechtigt in die Kreuzung eingefahrenen Fahrzeugen. Der erkennende Senat vermag daher dieser vereinzelt gebliebenen Entscheidung nicht zu folgen und vertritt im Sinne der dargestellten ständigen Judikatur die Rechtsansicht, daß die Vorrangregel des § 38 Abs. 2 dritter Satz StVO gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen ohne Rücksicht darauf gilt, ob diese bei Gelblicht berechtigt oder unberechtigt in die Kreuzung eingefahren sind.
Die gleichen Erwägungen haben auch in der Vorschrift des § 38 Abs. 4 StVO zu unterstellenden Fällen zu gelten, weil diese Vorschrift den gleichen Regelungszweck verfolgt (8 Ob 19/85).
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlaß, von dieser rechtlichen Beurteilung abzugehen. Es mag dahingestellt bleiben, ob der Kläger aus dem Aufleuchten des gelben „Diagonallichtes“ berechtigt schließen durfte, daß nunmehr die Ampel für den Erstbeklagten Gelblicht zeigte; keinesfalls konnte er damit rechnen, daß der Erstbeklagte, der sich im Zeitpunkt der Fortsetzung des Linksabbiegemanövers des Klägers nur mehr 8,1 m vor der Haltelinie befand, noch vor dieser anhalten werde können. Auch im vorliegenden Fall kam daher im Sinne der Vorschriften des § 38 StVO dem geradeaus fahrenden Erstbeklagten gegenüber dem linksabbiegenden Kläger der Vorrang zu, obwohl der Erstbeklagte bei für ihn geltendem Gelblicht in die Kreuzung einfuhr. Diesen dem Erstbeklagten zustehenden Vorrang hat der Kläger verletzt, indem er ohne Beachtung des Gegenverkehrs sein Linksabbiegemanöver fortsetzte.
Aber auch den Erstbeklagten trifft ein Verschulden.
Nach ständiger Rechtsprechung (ZVR 1976/194; ZVR 1977/251; 8 Ob 48/85 uva.) trifft die Beweislast für ein Verschulden des Erstbeklagten den Kläger; daraus folgt, daß hinsichtlich des Verschuldens des Erstbeklagten sich ergebende Unklarheiten im erhobenen Sachverhalt zu Lasten des Klägers gehen. Wenn sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Erstbeklagte mit einer Geschwindigkeit „zwischen 50 und 60 km/h“ der Unfallstelle näherte, reicht dies unter den dargestellten Gesichtspunkten nicht aus, dem Erstbeklagten eine Überschreitung der im § 20 Abs. 2 StVO normierten Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet anzulasten, weil zu seinen Gunsten nur von der Untergrenze des von den Vorinstanzen festgestellten Geschwindigkeitsbereiches ausgegangen werden kann. Wenn nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Erstbeklagte in einer Zeitspanne von 0,6 Sekunden (zwischen dem Aufleuchten des Diagonallichtes und der Fortsetzung der Fahrt durch den Kläger) eine Strecke von 9,2 m zurücklegte, so ergibt sich daraus seine Fahrgeschwindigkeit mit rund 55 km/h; aus der Feststellung hingegen, daß das Fahrzeug des Erstbeklagten während der 4 Sekunden dauernden Grünblinkphase eine Strecke von ca. 55 m zurücklegte, ergibt sich seine Fahrgeschwindigkeit mit nur 49,5 km/h. Insgesamt reichen somit die Feststellungen der Vorinstanzen nicht aus, um dem Erstbeklagten eine ins Gewicht fallende erhebliche Übertretung der im § 20 Abs. 2 StVO normierten Höchstgeschwindigkeit anzulasten.
Wohl aber ist dem Erstbeklagten vorzuwerfen, daß er entgegen der Vorschrift des § 38 Abs. 1 StVO in die Kreuzung einfuhr. Fahrzeuglenker, die sich bei grünblinkendem Licht einer Kreuzung nähern, müssen zufolge des dadurch angekündigten unmittelbar bevorstehenden Endes des Zeichens „Freie Fahrt“ (§ 38 Abs. 6 StVO) erhöhte Vorsicht anwenden, um noch vor der Kreuzung anhalten zu können, wenn sie bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit nicht mehr bei Grünlicht in die Kreuzung einfahren können (ZVR 1980/12; ZVR 1983/266; 8 Ob 19/85 ua.). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Erstbeklagte bei Beginn des Grünblinkens noch ca. 70 m von der vor der Kreuzung angebrachten Haltelinie entfernt; er wäre daher bei gehöriger Aufmerksamkeit und pflichtgemäßer Beobachtung des der Gelbphase in seiner Fahrtrichtung vorangehenden grünblinkenden Lichtes (siehe dazu ZVR 1974/213; ZVR 1976/44; ZVR 1980/12; 8 Ob 112/81; ZVR 1983/266; 8 Ob 19/85 ua.) in der Lage gewesen, sein Fahrzeug bei der von ihm eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit rechtzeitig vor der Kreuzung ohne jähes Bremsen anzuhalten. Es ist daher auch dem Erstbeklagten ein Verschulden an dem eingetretenen Unfall anzulasten, weil er entgegen der Vorschrift des § 38 Abs. 1 StVO seinen PKW nicht vor der Kreuzung anhielt.
Da die dem Kläger anzulastende Vorrangverletzung schwerer wiegt als der dem Erstbeklagten vorzuwerfende Verstoß gegen § 38 Abs. 1 StVO, erscheint im Sinne des § 11 Abs. 1 EKHG eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt (vgl. ZVR 1977/162; ZVR 1979/166; ZVR 1983/266; 8 Ob 19/85 ua.).
Diese auch vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend vorgenommene Schadensteilung führt allerdings zu dem Ergebnis, daß die Klagsforderung nur mit S 5.456,93 (ein Drittel der festgestellten Reparaturkosten und der festgestellten Wertminderung) und die eingewendete Gegenforderung in gleicher Höhe (zwei Drittel des festgestellten Fahrzeugschadens des Erstbeklagten sind S 6.000,‑) als zu Recht bestehend zu erkennen ist. Hingegen käme ein Zuspruch von Kreditkosten an den Kläger nicht in Betracht, weil seine Reparaturkostenforderung durch Kompensation erloschen ist. Dies kann aber, da nur eine Revision des Klägers vorliegt, nicht zu seinem Nachteil wahrgenommen werden.
Der Revision des Klägers muß unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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