European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00086.23I.1019.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Zwischen den Parteien ist ein Verfahren wegen nachehelichen Unterhalts anhängig. Die gefährdete Partei (idF: Klägerin) begehrt vom Gegner der gefährdeten Partei (idF: Beklagter) auch den Zuspruch eines einstweiligen Unterhalts nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO von 1.000 EUR pro Monat.
[2] Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Beklagten, der Klägerin ab 22. 8. 2022 bis zur Rechtskraft des Urteils über das Unterhaltsbegehren einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von 742 EUR zu zahlen, die bereits fälligen Beträge binnen 14 Tagen. Das Mehrbegehren, monatlich weitere 258 EUR zu zahlen, wies es ab. Die Klägerin habe Anspruch auf Unterhalt nach den Vorgaben des § 94 ABGB. Ihr stünden 40 % des gemeinsamen Einkommens zu, demnach der zuerkannte Betrag. Anders als im Vorverfahren stehe fest, dass die Klägerin über keine Kapitalerträgnisse verfüge. Die Heranziehung von fiktiven Erträgnissen habe nicht zu erfolgen, weil die Klägerin das ihr vom Beklagten aufgrund einer Vereinbarung überlassene Kapital zur Deckung ihres Unterhalts verwendet habe. Auch die Aufwendungen, die notwendig seien, um die Wohnung in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten, dienten der Deckung eines Unterhaltsbedürfnisses. Eine (teilweise) Vermietung des Wohnhauses, das nicht über getrennte Wohneinheiten und nur eine Küche verfüge, sei der Klägerin trotz der großzügigen Wohnverhältnisse nicht zumutbar. Eine Anspannung auf fiktive Mieteinnahmen habe daher nicht zu erfolgen.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge und erachtete die Ausführungen des Erstgerichts im Wesentlichen als stichhaltig.
[4] Der Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht nachträglich über Antrag des Beklagten zugelassen, „um im weiteren Rechtszug im Interesse der Rechtssicherheit eine allfällige Korrektur der bekämpften Beschlussfassung zu ermöglichen“.
[5] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehen abzuändern, dass der Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Unterhalts abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[6] Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.
[8] 1. Gegenstand einer Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist der einstweilige angemessene und nicht bloß der notwendige Unterhalt. Es handelt sich um eine besondere einstweilige Verfügung, die dem Berechtigten einen in der Regel endgültig zustehenden Unterhalt zuerkennt, wobei die materiell‑rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs im Haupt‑ und im Provisorialverfahren gleich sind (RIS‑Justiz RS0127789). Dass der Klägerin grundsätzlich Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG iVm § 94 ABGB wie während aufrechter Ehe zusteht, ist nicht strittig.
[9] 2. Basis für die Unterhaltsbemessung ist in erster Linie das Einkommen des Unterhaltspflichtigen (vgl RS0013386). Eigene Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten sind gemäß § 94 Abs 2 Satz 1 zweiter Halbsatz ABGB angemessen zu berücksichtigen. Eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist alles, was er an Geld‑ oder Naturalleistungen tatsächlich erhält, daher auch Erträgnisse von Vermögen wie etwa Miet- und Pachterlöse (vgl RS0122837).
[10] 3. Richtig ist, dass nicht nur tatsächlich erzielte Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus nutzbarem Vermögen, sondern auch unterbliebene, aber zumutbarerweise erzielbare Einkünfte anzurechnen sind. Die Anrechnung fiktiver Mieteinnahmen setzt voraus, dass eine Vermietung von Räumlichkeiten zumutbar wäre. Eine Vermietung ist grundsätzlich dann unzumutbar, wenn der Unterhaltsberechtigte die Wohnung in Eigennutzung genommen hat (vgl RS0102053). Dieser Fall liegt hier vor.
[11] 4. Der Beklagte rügt das Fehlen von Feststellungen zu Größe, Lage und Wert des von der Klägerin bewohnten Hauses, das nach den Feststellungen aber nicht über getrennte Wohneinheiten und nur eine Küche verfügt. Der bloße Verweis auf die Größe der Wohnfläche, die Anzahl der vorhandenen und von der Klägerin selbst nicht genutzten Zimmer und die Existenz mehrerer Badezimmer allein vermag die Zumutbarkeit einer Vermietung nicht zu begründen. Einnahmen wären aufgrund dieser Sachlage nur zu erzielen, wenn die Klägerin einzelne Zimmer untervermietet und damit quasi eine Fremdenpension im eigenen Haus führen würde, wobei nicht einmal feststeht, ob dies ohne entsprechende Investitionen möglich wäre. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, dass das der 1945 geborenen Klägerin nicht zumutbar ist und sie daher nicht auf fiktive Mieteinnahmen anzuspannen ist, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums.
[12] 5. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und hat von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat (RS0002192).
[13] Danach hat die Klägerin aber die Entnahmen aus dem Wertpapierdepot im Wesentlichen zur Deckung ihrer Lebenserhaltungskosten verwendet. Es ist also nicht richtig, dass dazu keine Feststellungen getroffen wurden. Soweit der Beklagte moniert, dass auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse entsprechende Feststellungen nicht getroffen hätten werden dürfen oder andere Feststellungen zur Verwendung der entnommenen Gelder begehrt, wendet er sich gegen die nicht anfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.
[14] 6. Da die Entscheidungsgrundlagen in verschiedenen Vorverfahren keine Bindungswirkung für das vorliegenden Verfahren haben, kommt es auf die dort getroffenen Feststellungen nicht an.
[15] 7. Der der Klägerin überlassene Geldbetrag sollte nach der Vereinbarung vom 12. 5. 1998 der Bestreitung des Unterhalts und der Sicherstellung der Altersvorsorge der Klägerin dienen. Dazu wurde er nach den Feststellungen auch verwendet. Der Revisionsrekurs enthält keine Ausführungen dazu, warum entgegen der Auffassung der Vorinstanzen Reparaturen am von der Klägerin bewohnten Haus keine „Bestreitung des Unterhalts“ im Sinn der getroffenen Vereinbarung darstellt. Im Übrigen stellt die Auslegung eines Vertrags immer eine Frage des Einzelfalls dar (RS0044298).
[16] 8. Der Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO iVm §§ 78, 402 EO).
[17] 9. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung beruht auf § 393 Abs 1 EO, §§ 41, 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)