OGH 8Ob84/87

OGH8Ob84/8715.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus L***, Pensionist, Kinkstraße 47, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien

  1. 1) Dr. Ekhardt B***, Rechtsanwalt, Wollzeile 6-8, 1010 Wien, und
  2. 2) A*** Ö*** V*** AG, Untere Donaustraße 25, 1020 Wien, beide vertreten durch Dr. Nikolaus Gabor, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 379.613,50 s.A. und Feststellung (S 100.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. August 1987, GZ 17 R 106/87-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 1987, GZ 18 Cg 769/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 16.837,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.530,70, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12. März 1985 ereignete sich im 4. Wiener Gemeindebezirk auf der Kreuzung Mühlgasse - Faulmanngasse ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen N 819.627 und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W 212.133 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der Kläger wurde bei diesem Verkehrsunfall verletzt. Er wurde in der Folge von Rechtsanwalt Dr. Franz M*** rechtsfreundlich vertreten. Dieser forderte namens des Klägers mit Schreiben vom 25. März 1985 die Zweitbeklagte auf, ein Schmerzengeld in der Höhe von S 30.000,- und einen Kostenbeitrag von S 2.750,- zu bezahlen. Die Zweitbeklagte übersendete an Dr. M*** den Entwurf eines Vergleichsanbotes folgenden Inhaltes:

"Falls von Ihnen oder von dritter Seite an die unten angeführte Stelle insgesamt der Entschädigungsbetrag von S 25.000,- plus Kosten S 2.500,- gezahlt wird, werden ich und meine Rechtsnachfolger für alle Ansprüche, welcher Art und welchen Namens immer, die uns aus obigem Anlaß entstanden sind oder in Zukunft entstehen sollten, Ihnen sowie jeder dritten physischen oder juristischen Person gegenüber vollkommen und endgültig befriedigt sein. Mit Bezahlung des genannten Betrages würden daher auch heute noch nicht bekannte, erkennbare oder voraussehbare Schäden sowie die sich ergebenden Anwaltsspesen abgegolten sein."

Dr. M*** unterfertigte namens des Klägers am 17. April 1985 dieses Angebot und sandte es mit Begleitschreiben vom gleichen Tag an die Zweitbeklagte, die in der Folge die im Anbot genannten Beträge an Dr. M*** überwies.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 12. März 1985 die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 379.613,50 s.A.; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand - der Zweitbeklagten im Rahmen des den PKW des Erstbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages - für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Er brachte dazu im wesentlichen vor, daß sich nach Unterfertigung der eingangs wiedergegebenen Abfindungserklärung herausgestellt habe, daß der Kläger wesentlich schwerere Verletzungen als die ursprünglich angenommene Distorsion der Halswirbelsäule, nämlich ein posttraumatisches Cervicalsyndrom C 2 bis C 4 und eine Rückenmarkschädigung, erlitten habe. Die ursprüngliche Diagnose habe sich als falsch herausgestellt. Die tatsächlich dem Kläger beim Unfall zugefügten Verletzungen und ihre Folgen rechtfertigten über den von der Zweitbeklagten bereits bezahlten Betrag von S 25.000,-

hinaus den Zuspruch des Klagsbetrages. Da die unfallsbedingten Verletzungen nicht folgenlos ausgeheilt seien und das Entstehen weiterer derzeit noch nicht abschätzbarer Schadenersatzansprüche wahrscheinlich sei, habe der Kläger auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Der mit der Zweitbeklagten geschlossene Abfindungsvergleich sei unwirksam, weil ein gemeinsamer Irrtum über die Verletzungsfolgen vorgelegen sei. Die im Abfindungsvergleich enthaltene Bestimmung, wonach auch alle nicht bekannten, nicht erkennbaren und nicht vorhersehbaren Schäden abgegolten seien, sei gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig, weil diese Ausschlußklausel für den Kläger gröblich benachteiligend sei. Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß sie weder nach den Bestimmungen des ABGB noch nach jenen des EKHG für die Unfallsfolgen einzustehen hätten, weil den Erstbeklagten kein Verschulden treffe und er jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet habe. Die nunmehr behaupteten Verletzungen des Klägers seien nicht unfallskausal. Infolge der vom Kläger abgegebenen Abfindungserklärung stünden ihm weitere Ersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall nicht zu. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich im wesentlichen dahin, daß es sich bei der abgeschlossenen Vereinbarung zwischen dem durch seinen Rechtsfreund vertretenen Kläger und der Zweitbeklagten um einen Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff ABGB handle, wobei der Haftpflichtversicherer als Vertreter des Erstbeklagten tätig geworden und in seinem Namen und mit Wirkung für ihn eine Vereinbarung getroffen habe. Soweit die Bereinigungswirkung des Vergleichs reiche, könne der Kläger nicht mit Erfolg Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten geltend machen, es sei denn, er wäre zur Zuhaltung des Vergleichs nicht verbunden. Aus dem Wortlaut der Urkunde ergebe sich, daß auf alle Ersatzansprüche und auch auf Ansprüche aus späteren Folgen, die zur Zeit noch nicht erkennbar oder noch nicht voraussehbar gewesen seien, verzichtet worden sei. Ein derartiger Vergleich sei zulässig. Gemäß § 1385 könne ein Irrtum den Vergleich nur insoweit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betreffe. Ein Vergleich könne daher nur dann angefochten werden, wenn der geltend gemachte Irrtum Umstände betreffe, die die Parteien bei Vergleichsabschluß als sicher, unzweifelhaft oder unstrittig angenommen hätten, die sie daher nicht der Streitbereinigung unterwerfen hätten wollen, wenn darüber hinaus die allgemeinen Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung gegeben seien. Betreffe der Irrtum den Streitpunkt, also das strittig oder zweifelhaft Gewesene, dann sei eine Anfechtung nicht möglich; es sei ja gerade der Zweck des Vergleichs, bestehende Zweifel über den Anspruch endgültig zu bereinigen.

Nach dem Inhalt der vorliegenden Abfindungserklärung hätten auch die beim Abschluß des Vergleichs nicht bekannten, nicht erkennbaren oder nicht voraussehbaren Schäden abgegolten werden sollen. Gegenstand des Vergleichs und damit der Vergleichsbereinigung seien also auch Ansprüche für nicht bekannte, nicht erkennbare oder nicht voraussehbare Unfallsfolgen gewesen. Auch wenn die Vergleichsparteien der übereinstimmenden Meinung gewesen seien, daß der Kläger nur leichte Verletzungen erlitten habe und daß mit weiteren Verletzungsfolgen nicht zu rechnen sei, ändere dies nichts daran, daß sie nach dem Vergleichsinhalt derartige weitere Unfallsfolgen bedacht und bereinigt hätten. Es könne daher nicht gesagt werden, daß diese übereinstimmende Meinung der Vergleichsparteien Gegenstände betreffe, die sie bei Vergleichsabschluß als feststehend und unzweifelhaft angenommen hätten. Denn gerade die Abgeltung bei Vergleichsabschluß nicht erkennbarer oder nicht voraussehbarer Schäden zeige deutlich, daß die Parteien möglicherweise den Eintritt solcher weiterer Verletzungsfolgen nicht als wahrscheinlich angenommen, aber doch nicht ausgeschlossen hätten. Damit hätten sie diese zum Gegenstand der Vergleichsbereinigung gemacht. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, daß weder aus dem Gesichtspunkt der durch das Konsumentenschutzgesetz deutlicher geregelten Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB noch aus dem der Irrtumsanfechtung in der Abweisung des Klagebegehren durch das Erstgericht eine unrichtige rechtliche Beurteilung liege.

Die an sich nicht auf Verbraucher zugeschnittene Inhaltskontrolle nach § 879 ABGB sei beim Kläger darauf abzustellen, daß für ihn der Abschluß eines Abfindungsvergleiches kein alltägliches Geschäft darstelle. Der Geschädigte sei hier wie ein Verbraucher zu behandeln. Das Abfindungsformular sei ein Vertragsformblatt im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. Die Klausel für die Abfindung auch künftiger, unbekannter und unvorhersehbarer Schadenersatzansprüche sei jedoch keine solche ungewöhnlichen Inhaltes (§ 864 a ABGB) und auch keine solche, die - bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - als grob benachteiligend, auch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, anzusehen sei, sollte doch mit dem Abfindungsvergleich das beiderseitige Risiko über die Ungewißheit der wahren Schadenshöhe, des Verschuldens usw pauschal und rasch abgefunden werden. Selbst wenn zugunsten des Klägers § 879 Abs 3 ABGB als Sonderfall der von § 879 ABGB mißbilligten Benachteiligung hier für anwendbar angesehen werde, ergebe sich aus dem beiderseitigen Vergleich, dem beiderseitigem Abwägen der Ungewißheiten einer streitigen Schadensregulierung im Wunsch auf eine endgültige Bereinigung durch den Abfindungsvergleich keine gröbliche Benachteiligung. Hier sei auch keine bedeutsame Rechtsänderung durch das Konsumentenschutzgesetz geschaffen worden. Die Inhaltskontrolle über § 879 ABGB habe es schon vor dem Wirksamwerden des Konsumentenschutzgesetzes gegeben; die Neufassung habe für der Maßstab keine solche Verschiebung gebracht, daß nach diesem nicht auch schon vor dem Wirksamwerden des Konsumentenschutzgesetzes abgeschlossene Formularverträge einer Inhaltskontrolle zu unterziehen gewesen wären. Es könnten daher mit Abfindungserklärungen wie der vorliegenden auch Ersatzansprüche, wenn sie noch nicht bekannt, erkennbar oder vorhersehbar seien, abgefunden werden. Solche Vergleiche seien zulässig. Sie könnten nicht deshalb angefochten werden, weil die Vertragsteile bei Abschluß des Vergleichs keine genaue Kenntnis über die Verletzungen gehabt hätten. Im vorliegenden Fall sei die Abfindungsformulierung klar. Der Wille, auch künftige unbekannte wesentliche Unfallsfolgen als bereinigt anzusehen, sei so deutlich, daß zu Zweifeln (§§ 914, 915 ABGB) kein Anlaß bestehe. Die umfassende Bereinigungsabsicht der Zweitbeklagten habe dem seinerzeitigen Machthaber des Klägers klar gewesen sein müssen. Das für den Vergleichsabschluß notwendige Wissen oder Wissenmüssen des Machthabers wirke auf den Machtgeber zurück. In dem Umstand, daß die Abfindungssumme bereits im Abfindungserklärungsentwurf enthalten gewesen sei, sei auch keine Irreführungs- oder Benachteiligungsabsicht erkennbar, sondern nur eine möglichst zielführende und rasche Bereinigung des Versicherungsfalles. Darin allein liege aber kein Umstand, der eine schriftliche Erklärung durch Fertigung einer Urkunde mit klarem Text, der üblich sei, anfechtbar mache. Das Erstgericht habe daher mit Recht das Klagebegehren abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil, allenfalls auch das Urteil des Erstgerichtes, aufzuheben und dem Berufungsgericht, allenfalls dem Erstgericht, die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im §§ 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Vorinstanzen haben die inzwischen dem Kläger (damals vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. M***) und der Zweitbeklagten getroffene Vereinbarung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 152/79; 8 Ob 304/79; 8 Ob 7/80; 8 Ob 177/80; 2 Ob 71,72/84 ua) zutreffend als Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff ABGB qualifiziert, wobei die Zweitbeklagte als Vertreterin des Erstbeklagten tätig wurde und in seinem Namen und mit Wirkung für ihn diese Vereinbarung traf.

Der Kläger versucht in seiner Revision zunächst darzutun, daß der in diesem Abfindungsvergleich enthaltene Passus, wonach mit Bezahlung des Abfindungsbetrages auch noch nicht bekannte, erkennbare oder voraussehbare Schäden abgegolten sein sollten, im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei, weil er ihn im Sinne dieser Gesetzesstelle gröblich benachteilige.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Die durch das Konsumentenschutzgesetz geschaffene Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB betrifft nach ihrem Wortlaut nur solche Vertragspunkte, "die nicht die beiderseitigen Hauptleistungen festlegen". Eine solche Einschränkung war im Ministerialentwurf zum Konsumentenschutzgesetz noch nicht vorgesehen. In den Erläuternden Bemerkungen zum Vorentwurf wurde jedoch schon zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmung vor allem die Kontrolle von Nebenabreden im Auge habe, nicht jedoch die Einigung über die Ware oder die sonst vertragstypischen Leistungen und das Entgelt (Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 146 f). Dem wurde die Einschaltung des oben wiedergegebenen Relativsatzes Rechnung getragen. Nach den Erläuternden Bemerkungen soll von der Inhaltskontrolle die Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung ausgenommen werden. Die von der Prüfung ausgenommenen Teile des Vertrages sind etwa die im § 885 ABGB genannten Hauptpunkte, also diejenigen Bestandteile des Vertrages, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustandekommt. Es sollen aber nicht alle Vertragsbestimmungen ausgenommen sein, die die Leistung und das Entgelt betreffen. Das Wort "festlegen" soll ausdrücken, daß mit der Ausnahme nur die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen gemeint ist, nicht aber etwa Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln oder die die vertragstypische Leistung in allgemeiner Form näher umschreiben. Daraus ergibt sich, daß nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung der Kontrolle entzogen und der Begriff der Hauptleistung möglichst eng zu verstehen ist (744 BlgNR 14.GP 47; vgl auch Krejci aaO 150 und derselbe in Rummel, ABGB, Rz 238 zu § 879; 7 Ob 35/87).

Daraus ist aber für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen.

Durch einen Vergleich wird eine bestehende Streitigkeit oder Zweifelhaftigkeit endgültig beseitigt. Die Bereinigungswirkung tritt aber nur für die vom Vergleich umfaßten Punkte ein. Welche zwischen den Parteien strittigen Punkte von der Bereinigungswirkung des Vergleichs umfaßt werden sollen, ist keine Frage einer bloß allgemeinen Umschreibung behaupteter Ansprüche, sondern eine durchaus individuelle Abgrenzung des Umfanges der Vergleichswirkungen und damit auch eine individuelle Umschreibung der durch die Leistung des Vertragspartners abgegoltenen Ansprüche. Im Sinne obiger Rechtsausführungen betrifft daher nach Ansicht des erkennenden Senates die in einem Abfindungsvergleich enthaltene Bestimmung der durch die Leistung des Abfindungsbetrages abgegoltenen Ansprüche die beiderseitigen Hauptleistungen, sodaß die Vorschrift des § 879 Abs 3 ABGB darauf nicht anwendbar ist. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde dies hinsichtlich der in einem Abfindungsvergleich enthaltenen Klausel, wegen aller vorhersehbarer Ansprüche abgefertigt zu sein, ausdrücklich ausgesprochen (7 Ob 35/87); die dafür maßgebenden Erwägungen treffen aber nach Meinung des erkennenden Senates in gleicher Weise für die Bereinigung noch nicht bekannter, erkennbarer oder vorhersehbarer Ansprüche in einem Abfindungsvergleich zu. Die Anwendung der Vorschrift des § 879 Abs 3 ABGB auf eine derartige Klausel kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.

Daß im übrigen ein solcher Verzicht auf etwaige auch derzeit noch nicht bekannte oder erkennbare Nachtragsforderungen zulässig ist, weil der Geschädigte auf ihm zustehenden Schadenersatzansprüche zur Gänze verzichten kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1959/26; ZVR 1967/122; 8 Ob 152/79; 8 Ob 177/80 uva).

Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, wenn er in seiner Revision behauptet, deswegen nicht an den geschlossenen Abfindungsvergleich gebunden zu sein, weil er die entstandenen Verletzungsfolgen auf Grund einer zunächst ärztlicherseits erstellten Fehldiagnose unterschätzt habe.

Denn nach § 1385 ABGB kann ein Irrtum den Vergleich nur insoweit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betrifft. Von dem Fall der hier gar nicht geltend gemachten arglistigen Irreführung abgesehen kann demnach ein Vergleich nur dann angefochten werden, wenn der geltend gemachte Irrtum Umstände betrifft, die die Parteien bei Vergleichsabschluß als sicher, unzweifelhaft oder unstreitig angenommen haben (Vergleichsgrundlage), die sie daher nicht der Streitbereinigung unterwerfen wollten, und wenn darüber hinaus die allgemeinen Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung gegeben sind (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 128; Wolff in Klang2 VI 280; Koziol-Welser8 I 273; SZ 39/57; SZ 47/102; 8 Ob 304/79; 8 Ob 7/80 uva). Eine Anfechtung ist also nicht möglich, wenn der Irrtum den Streitpunkt, also das strittig oder zweifelhaft Gewesene, betrifft. Denn es ist ja gerade der Zweck des Vergleichs bestehende Zweifel über den Anspruch engültig zu bereinigen (8 Ob 154/79; 8 Ob 304/79; 8 Ob 7/80 uva). Nach dem Inhalt des hier vorliegenden Abfindungsvergleiches sollten auch die beim Abschluß des Vergleichs nicht bekannten nicht erkennbaren oder nicht voraussehbaren Schäden abgegolten werden. Gegenstand des Vergleichs und somit der Vergleichsbereinigung waren also auch Ansprüche für nicht bekannte, nicht erkennbare oder nicht voraussehbare Unfallsfolgen. Auch wenn die Vergleichsparteien der Meinung waren, daß der Kläger nur leichte Verletzungen erlitten habe und daß mit weiteren Verletzungsfolgen nicht zu rechnen sei, ändert dies nichts daran, daß sie nach dem Vergleichsinhalt derartige weitere Unfallsfolgen bedacht und bereinigt haben. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch wesentlich von dem, der Gegenstand der vom Kläger zitierten in ZBl 1935/93 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes war. Es kann daher nicht gesagt werden, daß diese Meinung der Vergleichsparteien Umstände betrifft, die sie bei Vergleichsabschluß als feststehend und unzweifelhaft angenommen haben. Denn gerade die Abgeltung bei Vergleichsabschluß nicht bekannter, nicht erkennbarer oder nicht voraussehbarer Schäden zeigt eindeutig, daß die Parteien möglicherweise den Eintritt solcher weiterer Verletzungsfolgen nicht als wahrscheinlich angenommen, aber doch nicht ausgeschlossen haben; damit machten sie diese zum Gegenstand der Vergleichsbereinigung. In der Meinung des Klägers bei Vergleichsabschluß, daß er nur geringfügige Verletzungen erlitten habe, allenfalls in einer solchen übereinstimmenden Meinung der Vertragsparteien, liegt somit in Wahrheit kein Irrtum über Umstände, die die Parteien bei Vergleichsabschluß als feststehend und unzweifelhaft angenommen haben. Die Ansicht des Klägers, der Vergleich sei wegen Irrtums über die Vergleichsgrundlage anfechtbar, ist daher verfehlt. Da sich somit die Bereinigungswirkung des hier zu beurteilenden Abfindungsvergleiches auf alle Verletzungsfolgen aus dem Unfall vom 12. März 1985 erstreckt und der Versuch des Klägers, diesen Vergleich anzufechten, erfolglos geblieben ist, erweist sich nicht nur sein Leistungsbegehren als unberechtigt, sondern ist auch sein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallschäden im Sinne des § 228 ZPO zu verneinen. Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen. Der Revision des Klägers muß ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte