Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Wiener Unfallgesetz 1967 §30
ZPO §228
ZPO §411
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Wiener Unfallgesetz 1967 §30
ZPO §228
ZPO §411
Spruch:
Der ursprünglich einheitliche Ersatzanspruch des Geschädigten wird durch die nachfolgende Legalzession (hier durch § 30 UFG 1967, LGBl. für Wien 8/1969) in zwei selbständige Teile mit getrenntem rechtlichem Schicksal aufgespalten
Ein nach dem Rechtsübergang zugunsten des Geschädigten gefälltes Feststellungsurteil erstreckt sich nur auf den diesem verbliebenen Anspruchsteil; es hat aber keine Wirkung auf den vorher auf den Legalzessionar übergegangenen Anspruchsteil, weshalb hiedurch auch nicht anstelle der 3jährigen Verjährungsfrist die für Judikatsschulden geltende 30jährige tritt
OGH 28. Mai 1974, 8 Ob 84/74 (OLG Wien 9 R 21/74; LG Wien 33 Cg 710/73)
Text
Der Bedienstete der klagenden Stadt Wien, K S, wurde am 25. Dezember 1964 bei einem vom Sohn des Beklagten mit dessen PKW verschuldeten Verkehrsunfall getötet. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Oktober 1969, GZ 40 a Cg 9/69-94, wurde festgestellt, daß die damaligen Beklagten A T sen. und jun. den Klägern G S, mj. E und mj. K S den Hinterbliebenen des K S, für alle weiteren Schaden aus dem Unfall haften. Die Klägerin hat diesen Unfall als Dienstunfall des K S anerkannt und leistet ab 1. Jänner 1971 auf Grund des Landesgesetzes vom 24. Jänner 1969 (LGBl. für Wien 8/1969) über die Unfallsfürsorge der Beamten der Bundeshauptstadt Wien an G, mj. E und mj. K S Hinterbliebenenrenten.
Die Klägerin begehrt gemäß § 30 dieses Gesetzes als Legalzessionarin mit der Behauptung, vom 1. Jänner 1971 bis 31. Oktober 1972 an die Hinterbliebenen Renten im Gesamtbetrage von 67.686.24 S auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bezahlt zu haben, den sich ergebenden Deckungsfonds von 20.888.74 S.
Der Beklagte wendete unter anderem ein, der Unfall habe sich bereits vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes ereignet, die gegenständliche Legalzession erstrecke sich nur auf nachher eingetretene Unfälle. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei daher verjährt. Der Beklagte bestritt weiters, daß die Klägerin Rentenleistungen erbringe bzw. daß die Renten im Unterhaltsentgang der Hinterbliebenen des K S Deckung fänden.
Nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches hat das Erstgericht mit Zwischenurteil ausgesprochen, daß das Begehren der Klägerin dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es ist rechtlich davon ausgegangen, daß § 30 des Wiener Unfallsfür- Sorgegesetzes vom 24. Jänner 1969, LGBl. 8/1969, kundgemacht am 18. April 1969, eine der Norm des § 332 ASVG nachgebildete Legalzession enthalte. Zufolge § 40 dieses Gesetzes sei dieses am 1. Juli 1967 in Kraft getreten. Nach § 41 Abs. 1 Z. 1 lit. c seien die Bestimmungen des Gesetzes auch auf Personen anzuwenden, die bei früherem Inkrafttreten Versehrte, Angehörige oder Hinterbliebene wären, wobei Geldleistungen nur auf Antrag ab 1. Juli 1967 gebührten, wenn der Antrag binnen einem Jahr ab Kundmachung gestellt werde, sonst von dem der Antragstellung folgenden Monat an. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger sei trotz Legalzession mit dem Anspruch des Verletzten gegen die Klägerin nicht ident. Diese Ansprüche könnten zu verschiedenen Zeitpunkten entstehen. Verjährung sei daher bezüglich des am 12. Oktober 1972 mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Anspruches nicht eingetreten.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es billigte zwar die Ansicht des Erstgerichtes, Verjährung sei nicht eingetreten, ging jedoch davon aus, es sei nicht festgestellt worden, ob der Anspruch zumindest mit einem Teilbetrage - sei es auch nur mit einem Schilling - zu Recht bestehe. Dies sei aber Voraussetzung für die Fällung eines Zwischenurteils.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was die Frage der vom Beklagten im Rekurs behaupteten Verfassungswidrigkeit der im § 30 Abs. 1 des UFG 1967 (LGBl. für Wien 8/1969) normierten Legalzession anlangt, hat der OGH bereits mehrfach (2 Ob 40/73 u. a.) ausführlich verneinend Stellung genommen. Danach ist Hauptgegenstand dieses Gesetzes die Unfallfürsorge für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien und ihrer Hinterbliebenen nach einem Dienstunfall. Da es sich hiebei um keine Angelegenheit der Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes handelt, verbleibt sie nach Art. 15 Abs. 1 B-VG im selbständigen Wirkungskreis der Länder. Zwar betrifft die Bestimmung des § 30 Abs. 1 des genannten Gesetzes den Übergang eines bürgerlich-rechtlichen Schadenersatzanspruches auf einen Dritten und damit eine Angelegenheit des Zivilrechts im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 6 B-VG die an sich Bundessache ist. Nach Art. 15 Abs. 9 B-VG, sind aber die Länder im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechts zu treffen. Ein solcher Zusammenhang ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Anordnung des Überganges von Schadenersatzansprüchen gegen den Schädiger auf denjenigen, der dem Geschädigten aus Anlaß des Schadensfalles zu Leistungen verpflichtet ist stellt sich als eine mit der Regelung der Materie auf zusammenhängende Ergänzung der Bestimmungen über die Gewährung von derartigen Leistungen dar. Sie ist auch sonst immer wieder im einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen enthalten (vgl. § 332 ASVG, § 109 GSPVG, § 125 BK(UVG) § 80 BKVG, § 108 GSKVG, § 67 VersvG, § 94
HversG, § 54 der Dienstpragmatik für nö. Landesbeamte u. a.). Durch die Legalzession ändert sich weder die Rechtsnatur des Anspruches noch die Verjährungszeit. Demnach verjährt der Schadenersatzanspruch gegenüber dem Zessionar in drei Jahren von der Zeit an, in der der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt werden. Dieser Tag ist dem Unfallstag gleichzusetzen falls nicht im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände Abweichendes zu gelten hat. Diese Verjährungsfrist gilt nicht nur für das Leistungs-, sondern auch für das Feststellungsbegehren (vgl. JBl. 1971/36; RZ 1972, 134; 2 Ob 190, 191/73).
§ 30 des Wiener Unfallsfürsorgegesetzes 1967 enthält eine mit § 332 ASVG im wesentlichen gleichlautende Bestimmung. Kann ein Geschädigter aus einem Dienstunfall auf Grund anderer Rechtsvorschriften gegen den Schädiger Ersatzansprüche erheben, dann geht an die Stadt Wien ein solcher Anspruch, falls diese an den Geschädigten kongruente Leistungen erbringt, bis zum Umfang dieser Leistungen über. Nach den Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes (§ 41) können für die Zeit ab 1. Juli 1967, falls der Antrag auf Leistung einer Unfallsrente binnen einem Jahr nach Kundmachung des Gesetzes gestellt wurde, sonst ab dem der Antragstellung folgenden Monat auch in Fällen Leistungen an Personen gewährt werden, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Schäden aus einem Dienstunfall erlitten habe. Da die Verjährungszeit auch für den Legalzessionar mit dem Unfallstag (bzw. mit Kenntnis des Schädigers durch den Geschädigten) zu laufen beginnt, ist der Zeitpunkt des Eintrittes der nachfolgenden Legalzession für die Beurteilung der Verjährung grundsätzlich ohne Belang. Die nachfolgende Legalzession hat auf die Anspruche gegen den Schädiger nur insofern einen Einfluß, als der ursprünglich einheitliche Ersatzanspruch in zwei Teile aufgespalten wird, nämlich in den von der Legalzession nicht erfaßten Teil (z. B. Schmerzengeld, Sachschaden) und in jenen, der nach Wirksamkeit der Legalzession den Deckungsfonds für die kongruenten Leistungen des Sozialversicherungsträgers an den Geschädigten bildet(vgl 8 Ob 56/73). Die auf Grund der Legalzession an den Sozialversicherungsträger übergegangenen und die etwa beim Geschädigten verbliebenen Anspruchsteile stehen sich vom Beginn des Überganges an als selbständige Forderungen gegenüber, weil die Person des Gläubigers verschieden ist. Daher wird durch die vom Geschädigten selbst erhobene Klage die Verjährung des auf den Legalzessionar bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Schadenersatzanspruches übergegangenen Teiles der Forderung nicht unterbrochen. Der Rechtsübergang setzt lediglich voraus, daß der Fall eintritt, auf Grund dessen der Schadenersatzberechtigte Leistungen des Sozialversicherungsträgers beanspruchen kann. Dabei ist es unerheblich, ob und wann die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers festgestellt wird und wann der Versicherte einen dahingehenden Antrag stellt. So besteht auch kein rechtliches Interesse des Geschädigten an der alsbaldigen Feststellung der Schadenersatzpflicht des Schädigers hinsichtlich jenes Teiles des Schadenersatzanspruches, der bereits dem Gründe nach auf den Legalzessionar übergegangen ist. Die einem derartigen Feststellungsbegehren des Geschädigten stattgebende Feststellung könnte sich nur - auch für die Zukunft - auf den ihm verbliebenen Teil des Anspruches erstrecken. Der Sozialversicherungsträger muß vielmehr selbst klagen, wenn er die Verjährung seines Anspruches unterbrechen will. Die durch die Klageerhebung des Geschädigten unterbrochene Verjährung der diesem zustehenden Ansprüche kommt dem Sozialversicherungsträger nicht zugute (BGH in VersR 1965, 610; Geigel, Haftpflichtprozeß[15], 11[69], 307, 308). Demnach haben die beiden Anspruchsteile - der auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Teil und der beim Geschädigten verbliebene Teil - völlig getrennte rechtliche Schicksale. Auch die Frage der Verjährung ist getrennt zu beurteilen. Die Forderung geht auf den Legalzessionar über, wie sie zum Zeitpunkt des Rechtsüberganges bestanden hat. Wenn daher zu diesem Zeitpunkt die Verjährung bereits zu laufen begonnen hatte, läuft sie auch gegenüber dem Zessionar weiter, wobei der Rechtsübergang regelmäßig unmittelbar gleichzeitig mit dem Unfall stattfindet (vgl. Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht[11] 1411)
Der vorliegende Fall unterscheidet sich allerdings vom Regelfall (Anspruchsübergang im Zeitpunkt des Unfallsereignisses) dadurch, daß hier das Gesetz, das Leistungen der gegenständlichen Art an den bei einem Unfall verletzten Dienstnehmer bzw. an dessen Hinterbliebene vorsieht und gleichzeitig eine Legalzession bezüglich allfälliger dem Geschädigten gegen einen Dritten zustehender Ersatzansprüche zugunsten der Klägerin festlegt, erst mehrere Jahre nach dem Unfall erlassen wurde und daß von den Hinterbliebenen des getöteten Dienstnehmers vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Unfallsschäden erhoben worden war, die in der Folge, und zwar nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu dem Feststellungsurteil vom 31. Oktober 1969 geführt hat, mit dem dem Feststellungsbegehren stattgegeben worden ist. Daraus kann nun allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht gefolgert werden, daß dadurch auch hinsichtlich der klagsgegenständlichen Ersatzforderung an die Stelle der für Schadenersatzansprüche festgesetzten dreijährigen Verjährungsfrist die für Judikatschulden geltende dreißigjährige Verjährungsfrist getreten ist. Denn im Umfang der Wirkung der Legalzession bleibt es bei dem oben dargelegten Ergebnis, daß der von der Legalzession erfaßte Teil des Ersatzanspruches der Hinterbliebenen aus dem Vermögen der Hinterbliebenen ausgeschieden und auf die Klägerin als Legalzessionar übergegangen ist, was zur Folge hat, daß sich die Fortsetzung des Prozesses durch die Hinterbliebenen und die Wirkung des sodann erflossenen Feststellungsurteiles nicht auf den von der Legalzession erfaßten Teil des Ersatzanspruches erstrecken konnte. Auf die Frage, welche Wirkung die Veräußerung einer Forderung während des Prozesses auf den Rechtsstreit hat, braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil es sich hier um einen anders gelagerten Fall handelt. Das Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht für allfällige künftige Unfallsfolgen kann nicht der Einklagung einer konkreten Ersatzforderung gleichgehalten werden. Das erst nach dem Wirksamwerden der Legalzession erflossene Feststellungsurteil hat keine Wirkung auf den Teil der Ersatzansprüche, der schon vorher auf den Legalzessionar übergegangen ist. Um diesen von der Legalzession erfaßten Teil des Anspruches hätte sich vielmehr ab dem Wirksamwerden der Legalzession die Klägerin selbst kümmern müssen, die den vorliegenden, auf die Legalzession gestützten Rückgriffsanspruch erst am 12. Oktober 1972 geltend gemacht hat.
Damit erweist sich die Verjährungseinrede als berechtigt. Die Klage wird folglich aus diesem Gründe abzuweisen sein. Dies zieht die Aufhebung des bekämpften Beschlusses zum Zwecke der Ermöglichung einer neuerlichen Entscheidung im Sinne der Klagsabweisung nach sich.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)