Spruch:
Dem Leasingnehmer steht bei Beschädigung der Sache kein Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zu
OGH 21. 12. 1983, 8 Ob 78/83 (LG Innnsbruck 1 R 690/82; BG Innsbruck 13 C 2261/81)
Text
Am 27. 1. 1981 ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen dem PKW VW Jetta GLS, Kennzeichen T 612.348, gelenkt vom Kläger, und dem PKW Simca 1100, Kennzeichen T 942.935, gelenkt vom Erstbeklagten, gehalten von der Zweitbeklagten und haftpflichtversichert bei der Drittbeklagten. Das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft den Erstbeklagten. Der vom Kläger gelenkte PKW wurde schwer beschädigt. Er stand im Eigentum der A Leasing Gesellschaft mbH (ALZ), der Kläger war Leasingnehmer und Halter des PKWs. Die Reparaturkosten wurden von der Drittbeklagten der ALZ bereits ersetzt.
Der Kläger begehrte 2450.70 S sA und machte geltend, er habe für den PKW monatliche Leasingraten von 3501 S zu leisten. Während der Reparaturdauer von drei Wochen sei dieser Aufwand für den Kläger nutzlos gewesen. Daher stehe dem Kläger Ersatz des anteiligen Betrages von 2450.70 S zu. Trotz Fälligstellung zum 25. 7. 1981 sei keine Zahlung geleistet worden.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, nur die ALZ als Eigentümerin des PKWs sei berechtigt gewesen, Schadenersatz zu fordern; die ALZ habe sich als mit der geleisteten Zahlung gänzlich abgefunden erklärt. Der Kläger als bloßer Mieter des Fahrzeuges könne keine Ersatzansprüche stellen. Die Klagsforderung stelle einen mittelbaren Schaden dar. Die Haftpflichtversicherung für den PKW der ALZ sei in der Variante ohne Mietwagen abgeschlossen worden. Auch dies schließe eine Entschädigung für Unbenützbarkeit des Fahrzeuges aus. Schließlich enthalte die Leasingrate auch einen Teil des Kaufpreises. Der Aufwand sei daher nicht nutzlos erfolgt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am 10. 11. 1980 schlossen die ALZ als Eigentümerin des PKWs VW Jetta und der Kläger einen Leasingvertrag über das Fahrzeug auf unbestimmte Dauer ab. Als Kalkulationsbasis diente eine Dauer von 48 Monaten und eine Kilometerleistung von 13 000 pro Jahr. Die monatliche Miete für das Fahrzeug betrug ab 1. 1. 1981 inklusive der anteiligen Prämien für Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung 3501 S. Nach dem Unfall vom 27. 1. 1981 brachte der Kläger das beschädigte Fahrzeug in die Reparaturwerkstätte des Autohauses V. Die reparaturbedingte Stehzeit betrug drei Wochen. Für diese Stehzeit hat der Kläger den entsprechenden Anteil der monatlichen Leasingrate von 3501 S, nämlich 2450.70 S, bezahlt. Weil er beruflich ein Fahrzeug benötigte, mietete er während der Stehzeit ein Fahrzeug von seinem Bruder. Die Reparaturkosten wurden von der ALZ als Eigentümerin des Fahrzeuges mit der Drittbeklagten abgerechnet. Eine Zessionserklärung wurde der Drittbeklagten weder vom Kläger noch von der ALZ vorgelegt. Die ALZ unterfertigte auf Grund des Anbotes der Drittbeklagten eine Abfindungserklärung. Die jetzt geltend gemachte anteilige Leasingrate war nicht Gegenstand der Abfindungserklärung. Der Drittbeklagten wurde die eingeklagte Forderung mit Schreiben vom 14. 7. 1981 auf den 25. 7. 1981 fällig gestellt. Zahlung wurde nicht geleistet.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, zwar könne ein gesonderter Ersatz für Entgang der Gebrauchsmöglichkeit nicht zuerkannt werden, wohl aber seien nutzlos gewordene Aufwendungen zu ersetzen. Hiezu gehörten auch die Mietzahlungen während der reparaturbedingten Stehzeit von drei Wochen. Darin seien auch Versicherungsprämien enthalten. Auf den Abschluß der Haftpflichtversicherung in der Variante mit oder ohne Ersatzfahrzeug komme es nicht an.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Nach Lehre und Rechtsprechung stehe ein Ersatzanspruch grundsätzlich nur dem unmittelbar Geschädigten zu. Um die Ersatzpflicht für einen Vermögensschaden zu begrunden, müßten daher vertragliche Pflichten oder absolute Rechte verletzt oder Schutzgesetze übertreten worden sein, welche gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsgutes dienten. All dies sei hier nicht der Fall. Unmittelbar geschädigt worden sei beim Unfall die ALZ als Eigentümer des PKWs. Der Kläger habe auf Grund des Leasingvertrages ein dem Bestandrecht ähnliches, wenn auch nicht völlig gleiches obligatorisches und nicht absolutes Benützungsrecht gehabt. Ihm entstandene Vermögensnachteile seien daher als Drittschaden nicht ersatzfähig. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß hinsichtlich des Klagsbetrages der Schaden durch den Leasingvertrag nur vom geschädigten Eigentümer auf den Kläger als Leasingnehmer verlagert worden sei. Die Lehre, daß bloße Schadensverlagerung nicht zur Befreiung des Schädigers von der Ersatzpflicht führen könne, beziehe sich nur auf Schäden, die normalerweise beim unmittelbar Geschädigten eintreten, ausnahmsweise aber von einem Dritten zu tragen seien. Der Fahrzeugschaden selbst sei hier jedoch zur Gänze beim Eigentümer eingetreten, eine Verlagerung auf den Kläger sei nicht erfolgt, weshalb zu Recht auch Ersatz hiefür an den Eigentümer geleistet worden sei. Neben dem Ersatz der Reparaturkosten (und der Wertminderung) stunde aber auch dem Eigentümer selbst ein Ersatz für Nutzungsentgang nicht zu. Der dem Kläger entstandene Nachteil beruhe in erster Linie auf dem Ausfall der Nutzung für die Reparaturdauer, für den ihm ebensowenig wie einem Eigentümer Schadenersatz gebühre. Bei der konkreten Gestaltung des Leasingverhältnisses sei es auch die Leasinggeberin gewesen, welche das Fahrzeug versichert habe. Auch nutzlos aufgewendete Versicherungsprämien wären daher von ihr und nicht vom Kläger geltend zu machen gewesen, ganz abgesehen davon, daß der Kläger sein Begehren allein darauf gestützt habe, daß ein Teil der Leasingrate wegen der Unbenützbarkeit des Wagens nutzlos gewesen sei, ohne in seinem Vorbringen einen nutzlosen Aufwand für Versicherungsprämien geltend zu machen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht geltend, er habe einen Schaden an seinem Vermögen dadurch erlitten, daß er während der reparaturbedingten Nichtbenützbarkeit des Leasingfahrzeuges auf Grund des Leasingvertrages die anteilige Leasingrate habe entrichten müssen. § 1331 ABGB spricht zwar von Beschädigung am Vermögen, doch kommt dem "Vermögen" einer Person an sich kein absoluter Schutz zu. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm steht vielmehr nur dem unmittelbar Geschädigten ein Ersatzanspruch zu. Die Verursachung eines Vermögensschadens macht daher nur dann ersatzpflichtig, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung etwa aus der Verletzung vertraglicher Pflichten, aus der Verletzung absoluter Rechte oder aus der Übertretung von Schutzgesetzen ableiten läßt (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 19). Im vorliegenden Fall beruhte das Recht des Klägers auf Benutzung des beschädigten PKWs auf einem obligatorischen Vertragsverhältnis und genießt daher keinen absoluten Schutz (Koziol aaO 25). Ein solcher kommt nur dem Eigentümer des PKWs zu, wogegen Vermögensnachteile des Klägers als nicht ersatzfähiger Drittschaden (mittelbarer Schaden) zu werten sind. Ein Bestandrecht ist kein "quasi-dingliches" Recht (SZ 23/191). Eine Heranziehung der zum Eigentumsvorbehalt entwickelten Grundsätze (7 Ob 768/78; Bydlinski in Klang[2], IV/2, 607 f.; Koziol aaO 26 ff.) ist nicht möglich, weil dem Leasingnehmer auch kein "absolutes Anwartschaftsrecht" auf Eigentumserwerb zusteht (vgl. SZ 53/93 ua.). Der Kläger kann sich daher gegenüber den Beklagten weder auf eine Verletzung vertraglicher Pflichten noch auf eine Verletzung eines absoluten Rechtes berufen. Entgegen der Auffassung der Revision umfaßt der Schutzzweck der Verkehrsvorschriften auch nicht die Vermeidung eines bei einem Dritten, der die beschädigte Sache nur auf Grund eines obligatorischen Vertragsverhältnisses benützt, eingetretenen Folgeschadens. Ein solcher ist vielmehr infolge einer Seitenwirkung in einer Interessensphäre eingetreten, die nicht durch das Verbot des Angriffs geschützt ist (vgl. SZ 34/112 ua.), und daher mittelbarer Schaden. Im vorliegenden Fall kann aber auch entgegen der Auffassung der Revision von einer Schadensverlagerung vom Leasinggeber auf den Kläger keine Rede sein, weil der Kläger nicht etwa einen typischerweise beim Leasinggeber eingetretenen Schaden wirtschaftlich zu tragen hatte, sondern einen zusätzlichen Folgeschaden erlitten hat (vgl. hiezu Koziol, Haftpflichtrecht[2], I 281), der, wie oben dargelegt, als mittelbarer Schaden nicht zu ersetzen ist.
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