OGH 8Ob65/19w

OGH8Ob65/19w27.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin E***** W*****, vertreten durch Dr. Franz Krainer, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Oktober 2018, GZ 4 R 136/18a‑40, mit dem aufgrund des Rekurses des Gläubigers F***** T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Petrowitsch, Rechtsanwalt in Leibnitz, der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 20. April 2018, GZ 16 S 23/17v‑25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00065.19W.0627.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

 

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 18. 12. 2017 das Schuldenregulierungsverfahren unter Eigenverwaltung eröffnet.

Die Schuldnerin bewohnt aufgrund eines ihr testamentarisch von ihrem verstorbenen Gatten eingeräumten, bücherlich einverleibten Wohnungsgebrauchsrechts ein geräumiges Haus. Der Antragsteller, ein Verwandter der Schuldnerin und Insolvenzgläubiger, hat dieses Haus in Kenntnis des der Schuldnerin daran zustehenden Rechts von der Erbin gekauft.

Im Schuldenregulierungsverfahren erstattete der Antragsteller als Insolvenzgläubiger das Angebot, gegen Verzicht der Schuldnerin, Räumung der Liegenschaft und Löschung des Wohnungsgebrauchsrechts auf seinen Insolvenzbeteiligungsanspruch zu verzichten und der Masse einen Betrag von 50.000 EUR zur Verfügung zu stellen. Die Schuldnerin stimmte diesem Angebot nicht zu.

Der Antragsteller bezog daraufhin den Standpunkt, es handle sich bei dem einverleibten Wohnungsgebrauchsrecht tatsächlich um ein Fruchtgenussrecht, das der Exekution unterliege. Er beantrage, einen Insolvenzverwalter mit beschränktem Geschäftskreis zur Verwertung dieses Rechts zu bestellen.

Nach Einholung von Stellungnahmen der weiteren Gläubiger, die der Bestellung eines Insolvenzverwalters im Ergebnis einhellig widersprachen, wies das Erstgericht den Antrag ab. Das Wohnungsgebrauchsrecht sei ein Recht, das nicht der Exekution unterliege und ohne Einverständnis der Schuldnerin nicht verwertbar sei.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Gläubigers Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es die Bestellung eines Insolvenzverwalters mit dem beschriebenen Geschäftskreis anordnete, dessen Auswahl es dem Erstgericht überließ. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich beim intabulierten Wohnungsrecht um ein Wohnungsfruchtgenussrecht oder ein persönliches Wohnungsgebrauchsrecht handle, weil auch im letzteren Fall hier wegen des Ablöseangebots des Gläubigers eine Verwertung nicht ausgeschlossen sei. Zur Prüfung dieses Angebots sei die Bestellung eines Insolvenzverwalters mit eingeschränktem Geschäftskreis zweckmäßig. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Schuldnerin ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Widerspruch steht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit des Gläubigerrekurses

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der einzelne Insolvenzgläubiger im Verwertungsverfahren grundsätzlich kein Individualmitwirkungsrecht und daher auch keine Rechtsmittelbefugnis (RIS‑Justiz RS0114471, RS0102114). Dieser Ausschluss gilt auch im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners (RS0102114 [T9]).

Nach § 190 Abs 2 IO steht aber einem Insolvenzgläubiger neben dem Schuldner das Recht zu, die Bestellung eines Insolvenzverwalters mit beschränktem Geschäftskreis für einzelne, mit besonderen Schwierigkeiten verbundene Tätigkeiten zu beantragen. Ein gesetzliches Antragsrecht impliziert in der Regel auch ein Rekursrecht des Antragsberechtigten, sodass der Rekurs des Gläubigers nicht bereits mangels Anfechtungslegitimation als unzulässig zu behandeln war.

2. Umfang der Prüfung

Nach § 190 Abs 3 IO sind im Schuldenregulierungsverfahren die ansonsten dem Insolvenzverwalter zugewiesenen Obliegenheiten, soweit ein solcher nicht bestellt ist und auch der Schuldner hiezu nicht befugt ist, vom Gericht wahrzunehmen. Gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts über die Verwertung, aber auch über die Ausscheidung von Bestandteilen der Masse (§ 119 Abs 5 IO) gilt für die einzelnen Gläubiger der Rechtsmittelausschluss (RS0102114 [T9]). Eine Antragsbefugnis auf Durchführung bestimmter Verwertungsmaßnahmen besteht für sie nicht. Hat das Gericht die Zugehörigkeit eines Rechts zur Masse verneint oder eine angeregte Verwertungshandlung abgelehnt, steht dem einzelnen Gläubiger dagegen kein Rekursrecht zu.

Daraus folgt aber, dass die Entscheidung über den Antrag auf Bestellung eines Insolvenzverwalters mit besonderem Geschäftskreis nach § 190 Abs 2 IO im Rechtsmittelverfahren nur dahingehend zu überprüfen ist, ob die Bestellung für die vom Insolvenzgericht konkret in Aussicht genommene, mit besonderen Schwierigkeiten verbundene Tätigkeit erforderlich bzw zweckmäßig ist.

Der Rekurswerber ist hingegen nicht befugt, auf dem formalen Umweg eines Verwalterbestellungsantrags in Wirklichkeit die Entscheidung des Insolvenzgerichts zu bekämpfen, von einer bestimmten Verwertungsmaßnahme Abstand zu nehmen.

Die Entscheidung des Rekursgerichts hat diese Unanfechtbarkeit außer acht gelassen, weil es nicht (nur) die Zweckmäßigkeit der Bestellung eines besonderen Verwalters, sondern die Zweckmäßigkeit einer Verwertungsmaßnahme geprüft hat, von deren Durchführung das Erstgericht ausdrücklich Abstand genommen hat.

3. Dem Revisionsrekurs war aus den vorstehenden Gründen Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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