OGH 8Ob636/92

OGH8Ob636/9226.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Mag.Klaus S*****, 2) Mag.Heinrich S*****, 3) Hansjörg F*****, 4) Gertraud B*****, und 5) Monika T*****, alle vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde I*****, vertreten durch Dr.Gert F. Kastner, Dr.Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wegen Aufkündigung, infolge Revisionen der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 7. Juli 1992, GZ 3a R 252/92-20, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. Februar 1992, GZ 17 C 190/91m-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß die Eventualbegehren zurückgewiesen werden.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 32.917,51 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 5.186,25 Umsatzsteuer und S 1.800,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In ihrer am 21.3.1991 eingebrachten, auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG gestützten Aufkündigung behaupten die klagenden Parteien eine vertragswidrige Verwendung des Bestandobjektes, mit der eine zu erwartende größere Lärmbelästigung durch Parteienverkehr verbunden sei und die der seinerzeitigen beiderseitigen, der Auflösungsvereinbarung des Vertragspunktes IX zugrundliegenden Absicht eines nur vorübergehenden Bestandverhältnisses widerspreche. Im Zuge des Verfahrens stellten die klagenden Parteien mehrere Eventualbegehren.

Die beklagte Partei erhob Einwendungen, beantragte die Aufhebung der Kündigung und die Abweisung des Räumungs- und der Eventualbegehren und brachte vor: Punkt III des Bestandvertrages sei dahin auszulegen, daß das Bestandobjekt zu Bürozwecken verbunden mit Parteienverkehr gemietet worden sei. Von diesen Kriterien werde durch die derzeitige Verwendung nicht abgewichen, sodaß die gegebene Verwendung den klagenden Parteien nicht unzumutbar sei; der Parteienverkehr habe sogar abgenommen. Die klagenden Parteien hätten die ihnen bekannte derzeitige Verwendung auch stillschweigend geduldet.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren sowie alle Eventualbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest: Baumeister Ing. T*****, der damalige Altstadtreferent der beklagten Stadtgemeinde, erkundigte sich im Jahre 1976 beim Zweitkläger, ob die beklagte Stadtgemeinde im ersten Stock des Hauses der Kläger die straßenseitigen Räume zum Betrieb ihres Konzertbüros anmieten könne. Im Rahmen der Vertragsgespräche war für den Zweitkläger wesentlich, daß in den anzumietenden Räumlichkeiten eine ruhige Dienststelle der Stadtgemeinde I***** errichtet werde, weshalb er gegenüber Ing. T***** erklärte, für ihn sei wesentlich, daß dort das Konzert- und Orchesterbüro untergebracht werde. Die klagenden Parteien hatten nämlich hinsichtlich der gegenständlichen Bestandräumlichkeiten mit dem Vormieter Schwierigkeiten gehabt und diesem für das Verlassen der Bestandräumlichkeiten einen Ablösebetrag zahlen müssen. Deshalb war es für den Zweitkläger weiters wesentlich, daß ein Mietverhältnis auf absehbare Zeit wiederum aufgelöst werden könne. Hiezu erklärte Ing.T*****, es sei von der beklagten Stadtgemeinde geplant, das Rathaus zu erweitern und das Konzertbüro sodann in diesem Erweiterungsbau unterzubringen. Bis zu welchem Zeitpunkt eine derartige Erweiterung des Rathauses erfolgen sollte, konnte er allerdings nicht angeben. Nach Durchführung eines Abschlußgespräches kamen der Zweitkläger und Ing.T***** überein, daß die beklagte Partei einen den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Mietvertragsentwurf erstellen werde. Der sodann am 27.12.1976 erstellte schriftliche Mietvertrag enthielt ua folgende Punkte:

"......

III Vertragszweck: Die Stadtgemeinde ***** mietet die unter Punkt I

genannten Räumlichkeiten zum Zwecke der Führung eines Konzertbüros.

Einem anderen Zweck darf das Mietobjekt nicht zugeführt werden. Jede

Untervermietung oder sonstige wie immer geartete Weitergabe oder

Überlassung der Bestandräume an Dritte ist nur mit ausdrücklicher und

schriftlicher Zustimmung der Vermieter zulässig.

IX Auflösung: Den Vermietern steht unbeschadet der Bestimmungen des §

1118 ABGB das Recht zu, das Mietverhältnis jederzeit einseitig

mittels eingeschriebenen Briefes mit sofortiger Wirksamkeit als

aufgelöst zu erklären, wenn ...... b) die Mieterin den Bestimmungen

der Punkte III und VIII trotz schriftlicher Aufforderung und Setzung

einer angemessenen Nachfrist zuwiderhandelt ......"

Gemäß Punkt IV wurde das Bestandverhältnis beginnend mit 1.12.1976 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und eine halbjährige Kündigungsfrist vereinbart. Gemäß Punkt XI sollten nachträgliche Änderungen und Ergänzungen nur dann rechtsverbindlich sein, wenn sie schriftlich erfolgten.

Zur Genehmigung dieses Vertrages erging ein Stadtsenatsbeschluß (Beilage./2), dessen Punkt B lautete: "Die angemieteten Räumlichkeiten werden von der Stadtgemeinde Innsbruck zur Unterbringung des Konzertbüros verwendet".

In der Folge wurden die angemieteten Räumlichkeiten von der beklagten Partei entsprechend dem Vertragszweck verwendet. Es befanden sich stets vier Leute in den Bestandräumlichkeiten. Das Orchester- und Konzertbüro gehört zur Abteilung II, die das Sport-, Kultur- und Schulamt umfaßt. Auf Grund der Abonnementverkaufstätigkeiten kam es bis ca. zum Jahre 1980 in den Monaten Mai, Juni und Juli eines jeden Jahres im Konzertbüro zu einem intensiven Parteienverkehr. Auch während der übrigen Zeit fand bis ca. zum Jahre 1980 ein reger Parteienverkehr in den Bestandräumlichkeiten statt. Ca. im Jahre 1980 wurde von der beklagten Partei gemäß Punkt VIII des Mietvertrages ein Mauerdurchbruch zwischen den Häusern Nr. 19 und Nr. 21 geschaffen, sodaß ein unmittelbarer Zugang von dem im Eigentum der beklagten Partei stehenden Haus Nummer 21 in die Bestandräumlichkeiten möglich wurde. Nach Schaffung dieser Verbindung wurde ca. im Jahre 1980 das Konzert- und Orchesterbüro in dieses Nebenhaus Nr. 21 übersiedelt. Die vertragsgegenständlichen Bestandräumlichkeiten wurden dem Leiter der Abteilung II als Büroräume zugewiesen. Durch diese Veränderungen kam es zu einer drastischen Verringerung des ursprünglich bestandenen Parteienverkehrs. Nicht erweislich ist, daß die beklagte Partei die Kläger von dieser Änderung des Verwendungszwecks unterrichtet hat bzw. das den Klägern dies auf sonstige Weise bekanntgeworden ist. Ca. im Jahre 1990 trat neuerlich eine Veränderung dadurch ein, daß nunmehr in den Bestandräumlichkeiten das Repräsentationsbüro des Bürgermeisters der Stadtgemeinde I***** errichtet wurde. Als im Rahmen dieser Änderungen im Jahre 1990 Umbauarbeiten im städtischen Nebenhaus stattfanden und der Erstkläger im Rahmen von Gesprächen erfuhr, daß geplant sei, Arbeitsräume für den Bürgermeister einzurichten, beauftragte er Rechtsanwalt Dr.Hobmeier mit der Vertretung, der sich namens der Kläger mit der beklagten Partei am 9.5.1990 schriftlich in Verbindung setzte. Er verwies darauf, daß die Räume zum ausschließlichen Zweck der Führung eines Konzertbüros gemietet worden seien und die Kläger nun erfahren hätten, daß das Konzertbüro auszuziehen gedenke; er ersuche daher um Mitteilung, bis zu welchem Zeitpunkt mit einer Rückstellung des Bestandobjektes gerechnet werden könne. Nach Telefongesprächen, bei denen die Kläger eine Fortsetzung des Bestandverhältnisses von einer Mietzinserhöhung und einer Befristung des Mietverhältnisses mit dem Jahre 2001 abhängig machten unter der weiteren ausdrücklichen Voraussetzung der Widmung der Räumlichkeiten als Arbeits- und Repräsentationsräume des Bürgermeisters und des Abschlusses eines gerichtlichen Räumungsvergleiches erklärte sich der Bürgermeister zwar mit diesen Konditionen einverstanden, verwies jedoch darauf, daß eine formelle Erledigung durch Stadtsenatsbeschluß erst später möglich sein werde. Der Stadtsenat faßte sodann am 25.7.1990 einen grundsätzlich zustimmenden Beschluß, verweigerte aber eine Beschränkung des Bestandverhältnisses auf die Zeit bis zum Jahre 2001 sowie den Abschluß eines Räumungsvergleiches. Nach einem weiteren ergebnislosen Gespräch fanden keine Verhandlungen mehr zwischen den Streitteilen statt. Am 21.3.1991 wurde von den Klägern die vorliegende Aufkündigung eingebracht. Ca. seit Ende des Jahres 1990 werden die gemieteten Räumlichkeiten als Repräsentationsbüro des Bürgermeisters benutzt, weiters befindet sich dort der ständige Arbeitsplatz des persönlichen Referenten des Bürgermeisters, der sich im allgemeinen nur in den normalen Amtsstunden dort aufhält.

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, der vereinbarte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG setze eine bereits im Mietvertrag enthaltene schriftliche Vereinbarung voraus, nach der der Eintritt einer bestimmt bezeichneten Tatsache, die für den Vermieter objektiv wichtig und bedeutsam sei, einen Kündigungsgrund darstelle. Der vorliegende Mietvertrag enthalte keine konkreten schriftlichen Hinweise, warum der vereinbarte Auflösungsgrund für den Vermieter in objektiver Weise wichtig und bedeutsam sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß im Rahmen der mündlichen Vertragsgespräche Motive für diese Vertragsbestimmung besprochen worden seien. Die Kläger seien auch nicht beschwert, denn der Parteienverkehr in den Bestandräumlichkeiten habe stark abgenommen. Das weitere Motiv, eine verdeckte Befristung zu erreichen, sei schon deswegen nicht als schutzwürdig anzukennen, weil damit eine Umgehung mietrechtlicher Bestimmungen erreicht würde. Die gestellten Eventualbegehren seien "abzuweisen", weil wegen der geltenden Eventualmaxime derartige Begehren im Rahmen eines Kündigungsverfahrens nicht möglich erschienen.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Abweisung des Hauptbegehrens der Kläger, gab jedoch deren primärem auf Unterlassung gerichteten Eventualbegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei, die Verwendung der Bestandräumlichkeiten zu anderen Zwecken als zur Führung eines Konzertbüros zu unterlassen. Es sprach aus, daß der Wert des Eventualbegehrens, über den es entschied, S 50.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung hielt das Berufungsgericht die in der Berufungsbeantwortung der beklagten Parteien bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen für unbedenklich und die Rechtsrüge der klagenden Parteien hinsichtlich der Abweisung des primär gestellten Eventualbegehrens für gerechtfertigt. Entgegen der erstgerichtlichen Rechtsansicht sei zwar die als Kündigungsgrund vereinbarte Tatsache, nämlich die Verwendung des Bestandobjektes zu anderen Zwecken als zur Führung eines Konzertbüros, ausreichend bestimmt, denn das Bestimmtheitserfordernis beziehe sich nur auf die als Kündigungsgrund vereinbarte Tatsache, nicht aber auf die davon zu unterscheidenden Gründe, aus denen diese Tatsache für den Vermieter aus objektiver Sicht als wichtig und bedeutsam anzusehen sei. Für die gegenteilige Annahme ergebe sich in § 30 Abs 2 Z 13 MRG kein Anhaltspunkt. Im weiteren müsse aber geprüft werden, ob der vereinbarte Kündigungsgrund für die kündigende Partei als bedeutsam anzusehen sei und ob er einem der in § 30 Abs 2 MRG genannten Kündigungsgründe nahekomme. Da für das Vorliegen eines behaupteten Kündigungsgrundes grundsätzlich der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich sei, müsse auch die Wichtigkeit der eingetretenen vereinbarten Kündigungstatsache für den Vermieter zu diesem Zeitpunkt gegeben sein, weshalb es nicht genüge, daß diese Voraussetzung beim Vertragsabschluß vorgelegen sei. Im vorliegenden Falle sei zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung wohl formell der vereinbarte Kündigungsgrund eingetreten gewesen, dessen Geltendmachung sei aber für die Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt nicht als wichtig und bedeutsam zu werten, weil ihr Interesse an der Führung einer ruhigen Dienststelle trotz der Widmungsänderung gesichert sei, denn die mit der ursprünglichen vertragsgemäßen Verwendung für sie verbundenen Beeinträchtigungen seien sogar verringert worden. Daß vermehrte Störungen durch häufigeren Parteienverkehr irgendwann einmal möglich sein könnten, vermöge derzeit eine Wichtigkeit des Kündigungsgrundes iS des § 30 Abs 2 Z 13 MRG nicht zu begründen. Mit der Vereinbarung des Kündigungsgrundes der Änderung des Verwendungszweckes durch die Mieterin hätten die klagenden Parteien zwar erreichen wollen, daß das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Bestandverhältnis von ihnen in absehbarer Zeit aufgelöst werden könne. Damit hätten sie aber in Wahrheit die zwingenden gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zu umgehen und eine Möglichkeit schaffen wollen, das unbefristete Bestandverhältnis ohne Vorliegen eines im Gesetz vorgesehenen Kündigungstatbestandes vorzeitig aufzulösen. Ein solches Interesse sei nicht schutzwürdig, sodaß die klagenden Parteien ihre Aufkündigung auch darauf nicht erfolgreich stützen könnten. Demgemäß sei die Aufkündigung nicht zu Recht erfolgt und das (Haupt-)Räumungsbegehren nicht berechtigt. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei die Stellung eines Eventualbegehrens im Kündigungsstreit grundsätzlich zulässig. In einem solchen Kündigungsprozeß könne iS der Entscheidung EvBl 1989/182 eine Klageänderung in ein Räumungsbegehren erfolgen, weil der Kläger durch diese Änderung seinen ursprünglichen Anspruch zurückgenommen und ihn durch einen anderen ersetzt habe. Eventualbegehren, die auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt würden wie das Hauptbegehren, stellten eine Eventualklagenhäufung dar, auf die allerdings die Bestimmung des § 227 Abs 1 Z 2 ZPO, wonach eine Klagenhäufung nur zulässig sei, wenn für sämtliche Ansprüche dieselbe Art des Verfahrens zulässig sei, nicht uneingeschränkt zur Anwendung gelangen könne. Dies deshalb, weil ein derartiges Eventualbegehren eine bedingte Prozeßhandlung darstelle und die Verhandlung und Entscheidung über dieses Eventualbegehren daher - ähnlich wie bei einer unbedingten Klageänderung - losgelöst von jener über das Hauptbegehren sei. Deshalb müsse (die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes vorausgesetzt) ein solches Eventualbegehren zulässig sein, auch wenn für die Verhandlung und Entscheidung über den Hauptanspruch eine andere, besondere Verfahrensart anzuwenden sei. Die im Kündigungsstreit, also im Verfahren über das Hauptbegehren, zur Anwendung gelangende Eventualmaxime stünde wohl der nachträglichen Geltendmachung von weiteren Kündigungsgründen im Wege eines Eventualbegehrens entgegen, nicht aber einem eventualiter geltendgemachten anderen Anspruch. Gemäß § 33 Abs 1 MRG könnten nämlich nur andere Kündigungsgründe als die in der Kündigung angeführten nicht mehr geltend gemacht werden. Wenn daher das Prozeßgericht zuständig sei, so könnte nach der Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung mit den dargelegten, sich aus der Eventualmaxime des § 33 Abs 1 MRG ergebenden Einschränkungen auch im Kündigungsstreit ein Eventualbegehren gestellt werden. Hier strebten die Kläger die Unterlassung der vertragswidrigen Verwendung des Mietobjektes durch die beklagte Partei an. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, daß nicht nur der Bestandgeber verpflichtet sei, den vertraglich bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu gewähren, sondern daß der Mieter den Bestandgegenstand nur zu dem Zweck gebrauchen dürfe, zu dem er ihn gemietet habe, wobei die vertragliche Beschränkung auf eine bestimmte Art des Gebrauches zulässig sei. Die widmungswidrige oder widmungsüberschreitende Benutzung des Mietobjektes stelle eine Vertragsverletzung dar. Darüberhinaus bedeute sie aber auch einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Vermieters, wogegen sich dieser mit einer Unterlassungsklage zur Wehr setzen könne. Die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte schließe die Annahme einer schikanösen Rechtsausübung aus. Die vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstandes dürfe auch untersagt werden, ohne daß es einer Erörterung darüber bedürfte, ob schutzwürdige Interessen des Bestandgebers verletzt würden. Die einseitige Widmungsänderung des Bestandobjektes durch die beklagte Partei stelle im vorliegenden Falle einen Eingriff ins Eigentumsrecht der klagenden Parteien dar. Sie hätten daher gegen die beklagte Partei einen Anspruch auf Unterlassung der Benützung der Bestandräumlichkeiten zu anderen Zwecken als zur Führung eines Konzertbüros. Eine schlüssige oder stillschweigende Zustimmung der Vermieter zu einer einvernehmlichen Änderung des ursprünglich vereinbarten Verwendungszweckes habe die beklagte Partei nicht bewiesen.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wenden sich die Revisionen der klagenden Parteien und der beklagten Partei. Die Kläger beantragen die Abänderung dahin, daß ihre Aufkündigung für rechtswirksam erkannt und ihrem Räumungsbegehren stattgegeben werde. Die beklagte Partei beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.

Die Kläger bekämpfen die berufungserichtliche Ansicht, im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung sei der vereinbarte Kündigungsgrund zwar formell vorgelegen, seine Geltendmachung sei aber für die Kläger nicht wichtig und bedeutsam gewesen, weil ihr Interesse an der Führung einer ruhigen Dienststelle trotz Widmungsänderung gesichert gewesen sei. Rechtlich komme es aber darauf an, daß durch diese Widmungsänderung sämtliche zukünftigen, mit der Amtsführung verbundenen Tätigkeiten des Bürgermeisters in den Bestandräumlichkeiten erlaubt würden, sodaß die Kläger keine Möglichkeit mehr hätten, zB Veranstaltungen mit hoher Geräuschentwicklung zu untersagen. Die Umwidmung sei daher als solche verpönt, ohne daß es darauf ankomme, wie sich der Mieter derzeit tatsächlich verhalte. Zur Schutzwürdigkeit habe das Berufungsgericht widersprüchlich auch ausgeführt, das Interesse an einer ruhigen Dienststelle sei jedenfalls schutzwürdig. Von einer Umgehung von Kündigungsbeschränkungen könne keine Rede sein. Der beklagten Partei sei von Anfang an klar gewesen, daß das Mietverhältnis bei Beendigung des Verwendungszweckes beendet werde. Diese Beschränkung des Verwendungszweckes sei auch nach Meinung des Berufungsgerichtes zulässig gewesen.

Die beklagte Partei führt in ihrer Revision aus, das Erstgericht habe sich mit der gegen das Unterlassungsbegehren erhobenen Einrede der schikanösen Rechtsausübung überhaupt nicht und das Berufungsgericht habe sich abgesehen von Literaturzitaten damit ebenfalls nicht befaßt. Jedenfalls sei der beklagten Partei insoweit "faktisch eine Instanz" entzogen worden. In der Frage der Zulässigkeit des Eventualbegehrens sei dieser Fall mit jenem der Entscheidung EvBl 1989/182 nicht vergleichbar, denn ein Unterlassungsbegehren habe mit der Frage der Rückgabe des Bestandobjektes nichts zu tun. Die derzeitige Verwendung der Bestandräumlichkeiten sei für die Kläger wesentlich günstiger als die seinerzeitige Verwendung.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig; die der klagenden Parteien ist nicht, dagegen ist jene der beklagten Partei gerechtfertigt.

Zur Revision der klagenden Parteien:

Der von den klagenden Parteien geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG setzt nach dem Gesetzeswortlaut voraus, daß ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist.

Selbst wenn der zwischen den Streitteilen vereinbarte Vertragspunkt IX über die Möglichkeit der vorzeitigen "Auflösung" des gegenständlichen Vertrages bei Verstoß gegen seine Punkte III und VIII als Vereinbarung eines Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG interpretiert wird, kann die vorliegende Aufkündigung nicht erfolgreich auf diesen gesetzlichen Kündigungsgrund gestützt werden:

Gemäß § 30 Abs 3 MRG sind Vereinbarungen, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als in dem in § 30 Abs 1 und 2 MRG bestimmten Maß zustehen soll, rechtsunwirksam.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegt hier zwar keine Umgehung der gesetzlichen Befristungsbeschränkungen für Mietverträge vor, denn allein die übereinstimmende Erwartung einer in nicht allzu ferner Zeit liegenden, vom Vermieter nicht beeinflußbaren Beendigung des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertragsverhältnisses stellt noch keine zeitliche Beschränkung desselben dar. Eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses wäre den Vertragspartnern ja ohnehin jederzeit möglich.

Dagegen muß der von den Streitteilen vereinbarte Kündigungsgrund aber als eine gemäß § 30 Abs 3 MRG unzulässige Erweiterung der gesetzlichen Kündigungsgründe gewertet werden, denn er widerspricht der Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG. Nach dieser Gesetzesstelle liegt ein Kündigungsgrund nur vor, wenn die gemieteten Räumlichkeiten "nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden."

Die Vereinbarung der Streitteile, daß die Geschäftsräumlichkeiten ausschließlich zur Führung des Konzertbüros der beklagten Partei verwendet werden dürfen und Zuwiderhandeln einen Vertragsauflösungs- bzw. Kündigungsgrund darstellt, verhindert aber die Verwendung der Bestandräumlichkeiten zu einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung und geht damit über den Kündigungsgrund der Ziffer 7 hinaus.

Die Vereinbarung dieses Kündigungsgrundes ist daher gemäß § 30 Abs 3

MRG rechtsunwirksam. Demgemäß haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu

Recht die Aufkündigung für rechtsunwirksam erkannt und das Räumungsbegehren der Kläger abgewiesen.

Zur Revision der beklagten Partei:

Die beklagte Partei hat zu den von den klagenden Parteien in der

mündlichen Verhandlung gestellten Eventualbegehren jeweils sogleich

deren im Rahmen eines Bestandverfahrens gegebene prozessuale

Unzulässigkeit geltendgemacht (ON 12 AS 97 f; ON 13 AS 123 f). Das

Erstgericht folgte diesem Einwand und wies die Eventualbegehren ohne

sachliche Prüfung - wenngleich formal verfehlt - ab und damit in

Wahrheit zurück.

Die gegenteilige berufungsgerichtliche Rechtsansicht über die

Zulässigkeit dieser Eventualbegehren wird von der beklagten Partei

auf Grund ihres vor dem Erstgericht erhobenen Widerspruchs

zulässigerweise und zu Recht bekämpft:

Gemäß § 227 Abs 1 Z 2 ZPO können mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten, auch wenn sie nicht zusammenzurechnen sind (§ 55 JN), in derselben Klage geltendgemacht werden, wenn für sämtliche Ansprüche dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist.

Bereits in der Entscheidung 5 Ob 580/82 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, aus der Bestimmung des § 227 Abs 1 Z 2 ZPO folge, daß auch hilfsweise gestellte Klageansprüche = Eventualbegehren nur dann zulässig sind, wenn über sie in derselben Verfahrensart zu verhandeln ist. Anders sei dies nur im Falle der Klageänderung im Wege der Ersetzung des Klagegrundes, zB im Wechselmandatsverfahren bei Ersetzung des Wechselanspruches durch den des Grundgeschäftes, soferne die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes hiedurch nicht berührt werde. Demgemäß wurde in der vorgenannten Entscheidung mangels Klageänderung durch Ersetzung des ursprünglichen Klagegrundes mit dem dadurch bewirkten Übergang auf eine andere Verfahrensart die Behandlung des Klagehilfsbegehrens abgelehnt.

In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 Ob 580/88 = EvBl 1989/182 wurde unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung (und weitere Rechtsprechung und Lehre) im Bestandverfahren nach den §§ 561 ff ZPO bei einer Klageänderung durch Zurücknahme der Aufkündigung und Stellung eines Räumungsbegehrens erklärt, daß diesfalls - die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes vorausgesetzt - zulässigerweise von einer Verfahrensart auf eine andere Verfahrensart übergegangen werde.

Der Entscheidung 3 Ob 601/79 lag ein Kündigungshauptbegehren und ein im Zuge des Verfahrens gestelltes Räumungseventualbegehren wegen titelloser Benützung von Teilen des Hauses zugrunde. Mangels Widerspruches der beklagten Partei gegen die gleichzeitig über beide Begehren geführte Verhandlung und zufolge der erstgerichtlichen Sachentscheidung über beide Begehren wurde die Überprüfbarkeit dieser Vorganges verneint, dabei jedoch ausdrücklich auf die Entscheidungen SZ 2/134 und MietSlg 2.232/43 verwiesen, in welchen ausgesprochen worden war, daß in einem Bestandverfahren nicht ein im allgemeinen Verfahren zu erhebender Schadenersatzanspruch bzw. ein Zurückstellungsbegehren (hinsichtlich Eisenwaren) gestellt werden könne, weil eine unzulässige Kumulierung vorliege. Auch schon in der Entscheidung MietSlg 18.665/22, wurde ausdrücklich auf die im Kündigungsverfahren gegebene Unzulässigkeit eines Eventualbegehrens auf Feststellung des Nichtbestehens eines Bestandvertrages hingewiesen und auch auf Fasching III 42 verwiesen, der "das Bestandverfahren nicht als kumulierungsfähig anführt".

Die berufungsgerichtliche Rechtsansicht über die Zulässigkeit der hier gestellten Eventualbegehren widerspricht somit aber der Lehre und Judikatur. In deren Sinn wurden die Eventualbegehren der klagenden Parteien vom Erstgericht zu Recht als im vorliegenden eine besondere Verfahrensart darstellenden Aufkündigungsverfahren gemäß § 227 Abs 1 Z 2 ZPO unzulässig behandelt.

Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil mit der aus dem Spruche ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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