OGH 8Ob633/91

OGH8Ob633/9112.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1.) Hermann W*****,

2.) Franz F*****, und 3.) Viktor P*****, alle Gesellschafter der *****Ges.m.b.H., ***** alle vertreten durch Dr. Karl Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Gegner der gefährdeten Parteien Georg D*****, Gesellschafter-Geschäftsführer der *****Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alfred Thewanger, Dr. Helmut Lenz, Dr. Günther Grassner und Dr. Edgar Mühlböck, Rechtsanwälte in Linz, wegen Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 19. September 1991, GZ 18 R 588/91-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 26. August 1991, GZ 30 C 1680/91-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, den Antragstellern die mit S 22.883,04 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 3.813,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Antragsteller als Gesellschafter streben die Abberufung des Antragsgegners als Gesellschafter-Geschäftsführers der *****Ges.m.b.H., an. Dieser ist Mehrheitsgesellschafter zu 52 %. Gemäß Punkt 13 des Gesellschaftsvertrages, Beilage ./A, entscheidet in allen mit der Errichtung und Durchführung des Gesellschaftsvertrages sowie im Zuge des Gesellschaftsverhältnisses und seiner Auflösung entstehenden Streitigkeiten ein Schiedsgericht.

Die Antragsteller halten die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und damit den ordentlichen Rechtsweg für zulässig und beantragen zur Sicherung ihres Anspruches die vorläufige Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht des Antragsgegners für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsverfahrens.

Das Erstgericht bejahte unabhängig davon, ob die von den gefährdeten Antragstellern behauptete Schiedsvereinbarung getroffen wurde oder nicht, seine sachliche Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung, wies diesen Antrag aber ohne Anhörung des Gegners ab, weil die Antragsteller lediglich die Wahrscheinlichkeit behauptet hätten, daß der Geschäftsführer weiter das Vermögen der Gesellschaft ("Firma") durch sein Verhalten schädigen werde, sodaß sein Verbleiben in dieser Funktion unzumutbar sei; ein Vermögensschaden könne aber grundsätzlich in angemessener Weise durch Geldersatz abgegolten werden, sodaß mangels anderer Behauptung die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens nicht gerechtfertigt sei. Daß Geldersatz nicht geleistet werden könne oder untunlich erscheine, sei von den gefährdeten Parteien nicht behauptet worden. Somit liege keiner der in § 381 EO genannten Fälle vor.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung verwies es auf die Entscheidung SZ 50/51, nach deren Inhalt in der Fortführung der Geschäftsführertätigkeit durch einen bereits abberufenen Geschäftsführer eine Bedrohung mit unwiederbringlichen Nachteilen für die Gesellschaft liege, die seine Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen müsse, solange die Löschung des Geschäftsführers im Handelsregister nicht durchgeführt sei. Im vorliegenden Fall sei zwar der Antragsgegner noch nicht abberufen, sondern seine Abberufung werde erst durchzusetzen sein; dieser Umstand erscheine aber für die Beurteilung der Gefahrenbescheinigung nach Ansicht des Rekursgerichtes unerheblich, denn die unbefugte Geschäftsführung eines bereits abberufenen Geschäftsführers wirke sich nicht schon aus dem Grunde der bereits erfolgten Abberufung nachteiliger aus als die Geschäftsführung durch einen noch nicht abberufenen Geschäftsführer, gegen den behauptetermaßen ein wichtiger Abberufungsgrund iS des § 16 Abs 2 GesmbHG, §§ 117 und 127 HGB bestehe. Der vom Erstgericht angenommene Abweisungsgrund liege somit nicht vor. Mangels Durchführung des auf Grund der von den Antragstellern angebotenen Bescheinigungsmittel erforderlichen Bescheinigungsverfahrens sei die Rechtssache daher noch nicht spruchreif. Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gründe sich darauf, daß das Oberlandesgericht Linz in dieser Rechtssache die Ansicht vertreten habe, die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes könne die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges tangieren, welche Ansicht vom Rekursgericht im Hinblick auf die Entscheidung SZ 50/83 aber abgelehnt werde; weiters darauf, daß dieser die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes bejahenden Entscheidung ein Teil der Lehre entgegenstehe; schließlich unterscheide sich der vorliegende Fall von jenem der SZ 50/51 dadurch, daß dort der Geschäftsführer bereits wirksam abberufen gewesen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt der Antragsgegner Revisionsrekurs mit dem Abänderungsantrag, das Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Das gegenständliche Sicherungsverfahren und die vorinstanzlichen Beschlüsse seien nichtig, weil im Sinne der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Schiedsvereinbarung, wonach in allen mit der Errichtung und Durchführung dieses Vertrages sowie im Zuge des Gesellschaftsverhältnisses und seiner Auflösung entstehenden Streitigkeiten ein Schiedsgericht zu entscheiden hat, der ordentliche Rechtsweg unzulässig sei. Darüberhinaus habe das Erstgericht zu Recht angenommen, daß die Antragsteller keine Behauptungen aufgestellt hätten, wonach die beantragte einstweilige Verfügung zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens benötigt werde.

Den Rekursausführungen kann nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers ist nach ständiger Rechtsprechung die Schiedsgerichtsvereinbarung nicht mit der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sondern mit jener der sachlichen Unzuständigkeit geltend zu machen (SZ 6/122;

SZ 2/41; 2 Ob 603/50; EvBl. 1958/103 S 163; SZ 55/89; Arb 10.526;

JBl 1989, 594 ua). Die Vorinstanzen haben in ihren Entscheidungsbegründungen übereinstimmend die sachliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte zur Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung bejaht. Hieran ist der Oberste Gerichtshof im Sinne der ständigen Rechtsprechung gebunden, sodaß die Frage einer schiedsgerichtlichen Kompetenz zur vorläufigen Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Wege einer sogenannten "schiedsgerichtlichen Vorwegentscheidung" (siehe Reich-Rohrwig GesmbHR 163) nicht zu erörtern ist.

In der Frage der Gefahrenbescheinigung kann der auf die Entscheidung SZ 50/51 gestützten Ansicht des Rekursgerichtes nicht gefolgt werden. Diese Entscheidung sowie die hierin enthaltenen Literatur- und Rechtsprechungszitate (8 Ob 564/76 = EvBl 1977/192) beziehen sich, wovon das Rekursgericht auch ausgeht, stets auf einen von der Gesellschaftermehrheit bereits wirksam abberufenen Geschäftsführer. Für einen die Geschäftsführung ausübenden, nicht abberufenen Mehrheitsgesellschafter ergibt sich aber aus der Regelung der Stimmberechtigung des Gesellschafter-Geschäftsführers nach § 39 Abs 5 GesmbHG, daß der Gesetzgeber trotz Vorliegens wichtiger Gründe für die Abberufung während der Dauer des Rechtsstreites offenbar eher die Ausübung der Geschäftsführertätigkeit durch den Mehrheitsgesellschafter in Kauf nimmt, als das ihm im umgekehrten Falle eine Gesellschafterminderheit für die Prozeßdauer die Geschäftsführungsbefugnis entzieht. Im Zweifel ist daher der Gesellschafter-Geschäftsführer vorläufig in seiner Funktion zu belassen und es kommt auch § 390 EO über die Sicherheitsleistung bei nicht genügender Bescheinigung des Anspruches nicht zur Anwendung (Reich-Rohrwig in JBl 1981, 196; 7 Ob 559/91 = RdW 1991, 325). Hinsichtlich der zu bescheinigenden Gefahr eines unwiederbringlichen Nachteils bedarf es, da die einstweilige Verfügung nur nach Maßgabe des § 381 Z 2 EO erlassen werden kann, im Sinne der neueren Rechtsprechung jedenfalls der Bescheinigung der konkreten Gefährdung. Die bloß abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens stellt noch keine derartige Anspruchsgefährdung dar. Bei der Beurteilung ihres Vorliegens ist, da durch die einstweilige Verfügung für die klagende Partei der Erfolg in der Hauptsache vorweggenommen werden soll, ein strenger Maßstab anzulegen (ecolex 1991, 168 mwN; RdW 1991, 395).

Im vorliegenden Falle haben die gefährdeten Antragsteller hinsichtlich ihres behaupteten Abberufungsanspruches eine beträchtliche Anzahl schwerer, mit gerichtlicher Strafe bedrohter und auch bereits zur Anzeige gebrachter Verstöße des Antragsgegners gegen die mit seiner Organstellung als Geschäftsführer der gemeinsamen GesmbH verbundene Treuepflicht, insbesondere durch eigennützigen Mißbrauch seiner Organstellung (Überweisungen von Gesellschaftsgeldern auf sein Privatkonto), behauptet und daraus die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibens des Antragsgegners in dieser Stellung abgeleitet; sie haben dazu auch abstrakt geeignete Bescheinigungsmittel angeboten. Sollten diese Vorwürfe bescheinigt werden, dann liegt darin in der Tat eine schwere Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen (Vermögenslage, Kredit) der GesmbH, die geradezu ihre Existenz selbst bedroht.

Diese Gefährdung des Unternehmensbestandes rechtfertigt sohin im Bescheinigungsfalle aber auch die Bejahung der Gefahrenvoraussetzung im Sinne des § 381 Z 2 EO hinreichend (vgl. hiezu Reich-Rohrwig in der Entscheidungsbesprechung ecolex 1991, 168). Es bedarf daher hier keiner über das Antragsvorbringen hinausgehender zusätzlicher Behauptungen über konkret drohende Gefahren.

Demgemäß war dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 78 und 402 EO, §§ 41 und 50 ZPO.

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