OGH 8Ob593/87

OGH8Ob593/8726.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lamberdina V***, Hausfrau, Dorpsplein 7, Pannerden, Niederlande, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl und Dr. Harald Burmann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Peter G***, Rechtsanwalt, Südtiroler Platz 8, 6020 Innsbruck, wegen 631.800 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. März 1987, GZ 3 R 11/87-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Oktober 1986, GZ 5 Cg 468/85-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.200,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von 1.472,80 S, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 631.800 S sA im wesentlichen mit der Begründung, sie habe gemeinsam mit ihrem in der Zwischenzeit verstorbenen Ehegatten Dr. Franciscus V***, dessen Alleinerbin und Rechtsnachfolgerin sie sei, im Jahr 1977 von Hermann P*** eine in Schönberg gelegene Eigentumswohnung gekauft. Der Beklagte habe als Vertragsverfasser fungiert und sei für die Abwicklung des Kaufvertrages als Treuhänder bestellt worden. Als solcher habe er sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die bei ihm eingehenden Kaufpreiszahlungen zunächst zur Lastenfreistellung und zur Abdeckung der Baukosten verwendet werden, bis die Lastenfreiheit des Vertragsgegenstandes gewährleistet sei. Der Beklagte habe Kaufpreiszahlungen von insgesamt hfl 100.000 entgegengenommen und sie treuwidrig an Hermann P*** weitergeleitet. Da P*** nicht in der Lage gewesen sei, die den Käufern zugesicherte Lastenfreiheit der Eigentumswohnung zu bewirken, habe der Vertrag aufgehoben werden müssen. P*** habe sich den Käufern gegenüber zur Zurückzahlung der erhaltenen hfl 100.000 verpflichtet, diese Verpflichtung aber nicht eingehalten. Exekutionsschritte gegen ihn seien erfolglos gewesen und es sei auch nicht anzunehmen, daß der von ihm geschuldete Betrag noch einbringlich gemacht werden könne. Der Beklagte hafte für den der Klägerin in der Höhe von 631.800 S (Gegenwert von hfl 100.000) entstandenen Schaden auch deswegen, weil er sie und ihren verstorbenen Gatten nicht ausreichend belehrt habe, insbesondere auch nicht über die Erfordernisse in bezug auf eine bestmögliche Absicherung der Kaufpreisvorauszahlungen.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß er als Treuhänder nur insgesamt hfl 85.000 entgegengenommen habe; die restlichen hfl 15.000 seien direkt an den Verkäufer Hermann P*** bezahlt worden. Der Beklagte habe die ihm zugegangenen Geldbeträge widmungsgemäß verwendet. Daß mit diesen Geldern eine vollständige Lastenfreistellung bewerkstelligt werden könne, sei von ihm nicht garantiert worden. Einen Restbetrag von 13.065,15 S habe er zurückbehalten, weil er der Klägerin gegenüber einen Honoraranspruch zumindest in dieser Höhe habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der unbekämpft gebliebenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - statt.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Im Jahr 1977 wollten die Klägerin und ihr am 8.September 1983 verstorbener Ehemann Dr.Franciscus V*** in Österreich eine Ferienwohnung erwerben. Durch einen in Holland lebenden Bruder des Hermann P*** kamen sie mit diesem in Kontakt und waren bereit, eine im Haus des Hermann P*** in Schönberg befindliche Wohnung je zur Hälfte im Sinne von Wohnungseigentum zu erwerben. P*** war zum Verkauf dieser Wohnung entschlossen, weil er mit über 1,330.000 S verschuldet und von Exekutionen verfolgt war. Neben grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten wurden gegen ihn auch eine Anzahl von nicht sichergestellten Verbindlichkeiten aus der Bauführung betrieben. P*** hoffte, mit dem Erlös aus dem Verkauf der Wohnung seine Schulden auf ein erträgliches Maß reduzieren zu können. Am 8.Juli 1977 klärte er den Beklagten über seinen Schuldenstand auf.

Am 4. November 1977 informierte P*** den Beklagten von den Kaufabsichten der Klägerin und ihres Gatten und beauftragte ihn mit dem Entwurf eines Vorvertrages. Am 14.November 1977 kamen die Klägerin, ihr Ehegatte, der Vermögensberater Henk B*** und Hermann P*** in die Kanzlei des Beklagten, um den Vorvertrag zu besprechen und abzuschließen. Als Gesprächsgrundlage diente ein vom Beklagten verfaßter Entwurf, der die Zahlung eines Kaufpreisteilbetrages von hfl 50.000 bei Unterfertigung des Vorvertrages vorsah. Hermann P*** hatte auf diese Bestimmung gedrängt, weil er möglichst rasch zu Geld kommen wollte. Der Beklagte übernahm am 14.November 1977 auch von der Klägerin und ihrem Gatten den Auftrag, die erforderlichen Verträge zur Übertragung des Eigentums an der Wohnung zu verfassen. Er schritt in der Folge stets als Bevollmächtigter beider Vertragsteile ein. Auf Grund der am 14. November 1977 geführten Besprechung wurde ein neuer Vorvertragsentwurf geschrieben und noch am gleichen Tag von beiden Vertragsteilen unterfertigt. Dieser Vorvertrag sah wie der erste Entwurf einen Kaufpreis von hfl 140.000 (das sind etwa 884.500 S) vor, beinhaltete aber insofern andere Zahlungsmodalitäten, als bei Unterfertigung des Vorvertrages nur noch ein Kaufpreisteil von hfl 15.000 bezahlt werden sollte. Die Klägerin und ihr Gatte wußten, daß Hermann P*** Schulden hatte; sie wurden aber weder von P*** noch vom Beklagten über die Höhe dieser Schulden aufgeklärt. Insbesondere war ihnen nicht bekannt, daß der von ihnen zu entrichtende Kaufpreis nicht ausreichte, um alle Schulden des Hermann P*** abzudecken. Obwohl sie zu Beginn der Besprechung dem Beklagten erklärt hatten, die österreichische Rechtslage nicht zu kennen, wurden sie nicht über die Möglichkeit unterrichtet, durch Einsichtnahme in das Grundbuch Informationen über allfällige Schulden des Vertragspartners zu erhalten. Von den Verbindlichkeiten des Hermann P*** waren damals etwa 1,000.000 S grundbücherlich sichergestellt.

Zur Absicherung der Kaufpreisvorauszahlungen empfahl sich der Beklagte als Treuhänder. Darüber wurde ein Aktenvermerk verfaßt, der in seinem Punkt 1 vorerst wie folgt lautete: "Die Kaufpreiszahlungen sind zu Handen RA Dr. Peter G*** zu leisten, der als Treuhänder dafür zu sorgen hat, daß die Kaufpreiszahlungen lediglich zur Lastenfreistellung bzw. Abdeckung von Baukostenverbindlichkeiten verwendet werden". Über Wunsch des Hermann P*** wurde dieser Punkt handschriftlich dahingehend abgeändert, daß er folgenden Wortlaut hatte: "Die Kaufpreiszahlungen sind zu Handen RA Dr. Peter G*** zu leisten, der als Treuhänder dafür zu sorgen hat, daß die Kaufpreiszahlungen zunächst zur Lastenfreistellung bzw. Abdeckung von Baukostenverbindlichkeiten verwendet werden, bis die Lastenfreiheit des Vertragsgegenstandes gewährleistet ist". Punkt 2 des Aktenvermerkes lautete: "Hermann P*** ist verpflichtet, eine entsprechende Schuld- und Pfandurkunde auf den Höchstbetrag des vereinbarten Kaufpreises zu unterfertigen, und zwar grundsbuchmäßig, damit die grundbücherliche Sicherstellung der Kaufpreiszahlungen gewährleistet ist, soferne diesem Vertrag bzw. dem auf Grund dieses Vertrages abzuschließenden Kaufvertrag die erforderlichen Genehmigungen nicht erteilt werden. Zur Annahme dieses Schuld- und Pfandvertrages wird seitens der Käufer RA Dr. G*** mit gesonderter Vollmachtsurkunde ermächtigt. Die Annahme durch Dr. G*** erfolgt erst zu jenem Zeitpunkt, wenn einerseits die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages in Frage gestellt wird, andererseits die Verbücherung des Kaufvertrages nicht mehr innerhalb der angemerkten Rangordnungsfrist gewährleistet ist".

Zwischen der Klägerin und ihrem Gatten auf der einen und Hermann P*** auf der anderen Seite war von vornherein klargestellt worden, daß die Klägerin und ihr Gatte den mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil lastenfrei erwerben wollen. Hermann P*** verpflichtete sich in dem am 14.November 1977 unterfertigten Vorvertrag zur lastenfreien Übergabe. Weder von ihm noch vom Beklagten wurden die Klägerin und ihr Gatte darüber aufgeklärt, daß der vereinbarte Kaufpreis nicht ausreichen werde, um auch nur die grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten abzudecken. Die im Punkt 2 des Aktenvermerkes vom 14. November 1977 angeführte Schuld- und Pfandbestellungsurkunde wurde nie errichtet. Noch in der Kanzlei des Beklagten leistete Henk B*** für die Klägerin und ihren Gatten an Hermann P*** eine erste Kaufpreisteilzahlung in Höhe von hfl 15.000. Die Zahlungsbestätigung wurde von Hermann P*** und vom Beklagten unterfertigt. Sie hat folgenden Wortlaut: "Dr. Franciscus V*** und Lamberdina V*** bezahlten hiemit hfl 15.000 als Kaufpreisanzahlung zum Vorvertrag mit Hermann P*** betreffend Miteigentumsanteile bzw zur Begründung des Wohnungseigentumes an der Liegenschaft EZ 181 II KG Schönberg. Über diesen Betrag kann der Verkäufer Hermann P*** zum Zwecke der Abstattung von Verbindlichkeiten aus der Bauführung verfügen."

Im Dezember 1977 überwiesen die Klägerin und ihr Gatte den vereinbarten zweiten Teilbetrag von hfl 35.000, der mit dem Schilling-Gegenwert von 229.338,58 S dem Konto des Beklagten gutgeschrieben wurde. Die dritte Teilzahlung von hfl 50.000 erfolgte im März 1978 und hatte auf dem Konto des Beklagten eine Gutschrift von 336.452,20 S zur Folge. Der dem Beklagten zugegangene Gesamtbetrag von 565.790,78 S wurde von diesem wie folgt verwendet:

Bankmanipulationsspesen S 118,--

Abdeckung grundbücherlich

sichergestellter Forderungen

der Raiffeisenkasse Mieders/

Schönberg S 101.338,38

Bauschulden bei der Firma N*** S 112.718,23

Abdeckung grundbücherlich

sichergestellter Forderungen

der Hypothekenbank S 27.074,--

Forderung der Firma G***

Kundenkredit-Gesellschaft mbH S 98.648,68

Abdeckung grundbücherlich

sichergestellter Forderungen

der Tiroler Genossenschaftskasse S 80.000,--

Forderungen der Raiffeisenkasse

Mieders S 16.000,--

Zahlungen an Hermann P***

zur Begleichung von Baukosten-

forderungen S 116.828,34.

Der letztgenannte Betrag wurde von Hermann P*** tatsächlich zur Abdeckung von Baukosten verwendet. Einen Restbetrag in Höhe von 13.065,15 S behielt der Beklagte ein, weil P*** dem Beklagten das Honorar für die Verfassung der Verträge mit der Klägerin und ihrem Gatten nicht bezahlte. Zwischen den Vertragsparteien einerseits und dem Beklagten andererseits war vereinbart worden, daß für die Kosten aller Verträge Hermann P*** aufzukommen habe.

Da es Hermann P*** in der Folge nicht gelang, die vereinbarte Lastenfreistellung der an die Klägerin und ihren Gatten zu übergebenden Eigentumswohnung zu erreichen, wurden die abgeschlossenen Verträge aufgehoben. Hermann P*** verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die Kaufpreisanzahlungen in der Höhe von insgesamt hfl 100.000 an die Klägerin und ihren Gatten zurückzuzahlen, kam dieser Verpflichtung aber nicht nach. Exekutionen blieben erfolglos. Hermann P*** ist nach wie vor hoch verschuldet. Es ist nicht abzusehen, wann er zur Zurückzahlung der erhaltenen Kaufpreisanzahlungen in der Lage sein wird.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, es könne dahingestellt bleiben, auf welche Weise der Beklagte in seiner Funktion als Treuhänder dafür zu sorgen gehabt hätte, daß die von ihm an Hermann P*** ausgefolgten Kaufpreisteilbeträge widmungsgemäß zur Abdeckung von Baukosten verwendet werden, weil eine widmungsgemäße Verwendung dieser Beträge ohnehin feststehe. Für die direkt an Hermann P*** geleistete Kaufpreisrate von hfl 15.000 hafte der Beklagte aus dem Titel der Treuhandschaft überhaupt nicht. Der Beklagte habe auch keine Erfolgsgarantie übernommen, daß mit den Kaufpreiszahlungen die von P*** zugesicherte Lastenfreiheit hergestellt werden könne. Der Beklagte sei nicht nur für Hermann P*** tätig geworden, sondern auch für die Klägerin und deren Gatten. Er sei daher für alle Nachteile haftbar, die ein Vertragsteil auf Grund einer ihm als Rechtsvertreter obliegenden, aber nicht erteilten Aufklärung erleide. Ein die Interessen der Klägerin und ihres Gatten ordnungsgemäß wahrnehmender Rechtsanwalt hätte - die beim Beklagten vorhandene Kenntnis vom Umfang der Verbindlichkeiten des Hermann P*** vorausgesetzt - darauf aufmerksam machen müssen, daß die Gefahr bestehe, Hermann P*** werde die vereinbarte Lastenfreistellung nicht herbeiführen und auch die geleisteten Kaufpreisteilzahlungen nicht zurückerstatten können. Es sei zu unterstellen, daß die Klägerin und ihr Ehemann im Falle einer sorgfältigen Aufklärung nicht bereit gewesen wären, Vorauszahlungen ohne entsprechende Absicherung zu leisten. Der Beklagte hätte daher die Klägerin und ihren Gatten warnen bzw. über den ohne entsprechende Absicherung drohenden Verlust aufklären müssen. Da dies nicht geschehen sei, hafte er der Klägerin gemäß § 1299 ABGB für den ihr durch die Unterlassung der gebotenen Aufklärung verursachten Schaden. Da sie Alleinerbin und Rechtnachfolgerin ihres verstorbenen Mannes sei, könne sie vom Beklagten den Ersatz des in der Höhe des Schilling-Gegenwertes von hfl 100.000 entstandenen Schadens samt gesetzlichen Verzugszinsen fordern. Einen die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden Verzögerungsschaden habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Dieses Urteil des Erstgerichtes wurde in seinem klagsstattgebenden Teil vom Beklagten mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht verwarf mit Beschluß diese Berufung, soweit sie Nichtigkeit geltend machte. Im übrigen gab es mit dem angefochtenen Urteil der Berufung keine Folge.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß die Rechtssache im Sinne des § 36 ABGB (alte Fassung) nach österreichischem Recht zu beurteilen sei.

Der Beklagte sei im Rahmen der von ihm übernommenen Verfassung von Verträgen nicht nur als Rechtsfreund des Hermann P*** eingeschritten, sondern auch als Bevollmächtigter der Klägerin und ihres Gatten tätig geworden. Gemäß § 9 RAO sei der Rechtsanwalt unter anderem verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänze den § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichte, das ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft emsig und redlich zu besorgen. Zu den wichtigsten Aufgaben eines Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernehme, gehöre die Belehrung des zumeist rechtsunkundigen Mandanten, der in der Regel deswegen einen Rechtsfreund bestelle, damit seine Interessen in jeder Weise gewahrt würden. Sollte - wie hier - der Kaufpreis für einen mit Wohnungseigentum verbundenen und vom Verkäufer lastenfrei zu übergebenden Liegenschaftsanteil von den Käufern noch vor Verbücherung des Vertrages entrichtet werden, so müsse der Rechtsanwalt die rechtsunkundigen Käufer bei Bedenken gegen die Einhaltung der vom Verkäufer übernommenen Verpflichtung zur lastenfreien Übertragung des Liegenschaftsanteiles nachdrücklich auf die Notwendigkeit hinweisen, zweckmäßige und übliche Sicherungen in den Vertrag aufzunehmen. Führe dies nicht zum Erfolg, müßten die Käufer vom Anwalt nachdrücklich gewarnt werden; eine allgemeine Erörterung der Gefahren, die durch die Vorleistung des Kaufpreises entstünden, genüge in einem solchen Fall nicht. Die betreuende Belehrungspflicht entfalle erst dann bzw. sei erst dann erfüllt, wenn der Anwalt mit Sicherheit davon ausgehen könne, daß die von ihm vertretene Partei die ihr drohende Gefahr kenne und die damit verbundene Begünstigung des anderen Vertragsteiles auch wirklich wünsche.

Der Beklagte habe von vornherein davon ausgehen müssen, daß mit dem in Aussicht genommenen Kaufpreis von hfl 140.000 die in einem Gesamtumfang von etwa 1,000.000 S grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten nicht zur Gänze abgetragen werden könnten und daher die von Hermann P*** zugesicherte Lastenfreiheit nicht gesichert sei. Hiebei sei nicht wesentlich, ob der Schillinggegenwert des Kaufpreises mit 884.500 S oder mit 950.000 S veranschlagt werde. In diesem Zusammenhang sei auch von Gewicht, daß mit dem von den Käufern zu entrichtenden Kaufpreis nicht bloß die grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten des Hermann P*** befriedigt hätten werden sollen, sondern daß der Kaufpreis auch zur Bezahlung anderer Schulden, nämlich nicht grundbücherlich sichergestellter Baukosten, bestimmt gewesen sei. Diese dem Beklagten bekannte Sachlage hätte ihn veranlassen müssen, die Klägerin und ihren Gatten nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß mit den Kaufpreiszahlungen die von Hermann P*** zugesicherte Lastenfreiheit nicht mit Sicherheit hergestellt werden könne. Er wäre dieser Pflicht zur Aufklärung und Belehrung nur dann ledig gewesen, wenn er mit Sicherheit unterstellen hätte dürfen, daß die Klägerin und ihr Gatte über die ihnen infolge der Unsicherheit der Herstellung der von ihnen ausdrücklich geforderten Lastenfreiheit in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht drohenden Gefahren voll im Bilde und bereit gewesen wären, die von Hermann P*** verlangte Vorausleistung des Kaufpreises dennoch zu erbringen. Hievon könne aber auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht die Rede sein. Es sei dem Beklagten auch nicht möglich gewesen, die von ihm vertretenen Käufer durch die Aufnahme entsprechender Vertragsbestimmungen für den Fall abzusichern, daß Hermann P*** die Lastenfreiheit nicht herzustellen vermöge und aus diesem Grund eine Aufhebung des Vertrages und die Zurückzahlung des im voraus geleisteten Kaufpreises notwendig werden sollte. Der Beklagte habe somit die ihm gegenüber der Klägerin und ihrem Gatten obliegende Belehrungspflicht schuldhaft nicht erfüllt; er habe daher für den daraus entstandenen Schaden einzustehen.

Auch bei erwiesenem Verschulden des Beklagten treffe die Klägerin als Geschädigte die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten des Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Eine Unterlassung sei für den Schadenserfolg dann als kausal anzusehen, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolges verhindert hätte; keine Kausalität liege vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre. Bei der Beurteilung der Kausalität einer Unterlassung komme in der Regel nur eine Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht: Der Geschädigte sei dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorlägen, daß der Schaden durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden sei. Dieser könne den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem er einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich mache oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes aufzeige.

Wenn die Berufung damit argumentiere, daß mit einem Betrag von etwa 950.000 S die Pfandfreistellung des an die Klägerin und ihren Gatten zu übereignenden Liegenschaftsanteiles möglich und wahrscheinlich erscheinen habe müssen, übersehe sie die Bestimmung des § 457 ABGB und das jedem Rechtsanwalt geläufige Bestreben hypothekarisch gesicherter Gläubiger, auf die Pfandhaftung erst nach vollständiger Befriedigung der Forderung zu verzichten. Der Beklagte habe demnach nicht unterstellen dürfen, daß alle auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Gläubiger nach nur teilweiser Befriedigung ihrer Forderungen in eine lastenfreie Übereignung an die Klägerin und ihren Gatten einwilligen würden. Dadurch, daß die Klägerin und ihr Gatte infolge der vom Beklagten verschuldeten Unkenntnis des Umstandes, daß die von ihnen vorausgesetzte und vom Verkäufer zugesicherte Lastenfreistellung des an sie zu übereignenden Liegenschaftsanteiles nicht gewährleistet war, von dem bedungenen Kaufpreis einen Teilbetrag von hfl 100.000 entrichteten, den sie nach einvernehmlicher Aufhebung des Vertrages von P*** in der Folge nicht zurückbekamen, sei in ihrem Vermögen ein Schaden in diesem Umfang eingetreten. Auch wenn man den Standpunkt vertrete, daß der Geschädigte die ihm mögliche Rechtsverfolgung aus einem Vertragsverhältnis oder kraft Gesetzes ausschöpfen müsse, weil sonst ein ihm vom Anwalt verursachter Schaden nicht zu unterstellen sei, sei für den Beklagten nichts gewonnen, weil auf Grund der getroffenen Feststellungen der gegenüber Hermann P*** bestehende Anspruch der Klägerin auf Rückersatz der geleisteten Kaufpreiszahlungen auf nicht absehbare Zeit hinaus uneinbringlich sei. Unter solchen Umständen könne der Klägerin nicht zugemutet werden, vor Einbringung einer Klage gegen den Beklagten den gegenüber P*** bestehenden Anspruch mit Klage und Exekution zu betreiben.

Nach der Kundmachung der Ö*** N*** DE 9/82

(nunmehr DE 9/87) habe das Erstgericht dem Zahlungsbegehren der Klägerin ohne Nachweis einer Bewilligung im Sinne des § 22 DevG stattgeben dürfen; es sei Sache der Parteien, dafür zu sorgen, daß die Zahlung gegebenenfalls auf ein Interims- bzw. Sperrkonto bei einer inländischen Kreditunternehmung oder im Sinne der Kundmachung DE 5/82 (nunmehr DE 5/87) erfolge.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Aber auch die Rechtsrüge ist unberechtigt.

Es entspricht Lehre und ständiger Rechtsprechung, daß von beiden Parteien mit der Vertragserrichtung beauftragte Rechtsanwälte verpflichtet sind, beide Parteien mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdungen zu bewahren, wobei sie nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zu berücksichtigen haben. In diesem Sinne sind sie verpflichtet, die Parteien über die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrages sowie allenfalls dagegen obwaltende Bedenken in verständlicher Weise aufzuklären und darauf bedacht zu sein, sie vor Nachteilen zu bewahren und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1299 mit umfangreichen Judikaturhinweisen; Fenzl-Völkl-Völkl in ÖJZ 1986, 418 f; MietSlg 32.229 mwN uva). Im Sinne des § 1299 ABGB hat der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse seines Berufes zu vertreten. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht auch eines Rechtsanwaltes nicht überspannt werden; es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Übertriebene Anforderungen, die über den Durchschnittsstandard vergleichbarer Fachgenossen hinausgehen, dürfen auch bei einem Rechtsanwalt nicht gestellt werden (siehe dazu Strasser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1012, und Reischauer, ebendort, Rz 2 zu § 1299, und die dort angeführte Judikatur).

Im vorliegenden Fall steht im Vordergrund, daß der Beklagte, dem die schlechte wirtschaftliche Lage des Hermann P*** nach den Feststellungen der Vorinstanzen durchaus bekannt war, einen Vertrag errichtete, mit dem sich die Klägerin und ihr Ehemann zur Vorauszahlung des Kaufpreises für einen Liegenschaftsanteil verpflichteten, der nach der Absicht der Parteien vom Verkäufer lastenfrei zu stellen war. Zieht man in Betracht, daß einerseits auch bei widmungsgemäßer Verwendung des vorausbezahlten Kaufpreises nicht sichergestellt war, daß damit dem Verkäufer die erforderlichen Mittel für die Lastenfreistellung des Kaufgegenstandes zur Verfügung standen, weil die Kaufpreiszahlungen auch zur Abdeckung nicht näher konkretisierter Baukostenverbindlichkeiten des Verkäufers verwendet werden durften (Beilage A), und daß andererseits der Beklagte wußte, daß P*** hoch verschuldet und von Exekutionen verfolgt war, dann kann nach den dargestellten Grundsätzen kein Zweifel an einer entsprechenden Warnpflicht des Beklagten gegenüber den Käufern bestehen. Denn auch bei nur durchschnittlichen Fähigkeiten des Beklagten mußte sich für ihn unter diesen Umständen die Überlegung geradezu aufdrängen, daß P*** nicht in der Lage sein werde, den Verkaufsgegenstand lastenfrei zu stellen, und daß es in der Folge zur Aufhebung des Vertrages und zur Rückabwicklung kommen könnte. Daß aber in diesem Fall den Käufern ohne entsprechende Sicherung ihres Rückforderungsanspruches bei der schlechten Vermögenslage ihres Vertragspartners ein wirtschaftlicher Schaden drohte, lag klar auf der Hand und war für den Beklagten bei seinem festgestellten Wissensstand ohne weiteres erkennbar. Es wäre unter diesen Umständen Sache des Beklagten gewesen, für eine entsprechende Sicherung solcher Ansprüche der Käufer Sorge zu tragen oder, wenn dies nicht möglich gewesen wäre, die Käufer zumindest nachdrücklich zu warnen und sich darüber zu vergewissern, daß diese ein mit ihrer Vorleistung unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen verbundenes erhöhtes wirtschaftliches Risiko wirklich zu übernehmen bereit waren. Mit der Unterlassung derartiger Maßnahmen hat der Beklagte eindeutig die ihm gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann obliegende dargestellte Sorgfaltspflicht schuldhaft verletzt. Was die Kausalität dieser Unterlassung für den Schaden der Klägerin anlangt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß grundsätzlich der Geschädigte dafür beweispflichtig ist, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Dieser kann dann den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem er einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich macht oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes aufzeigt (JBl 1984, 554 mit umfangreichen Literatur- und Judikaturhinweisen). Die Vorinstanzen sind übereinstimmend von der dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Annahme ausgegangen, daß die Klägerin und ihr Ehegatte bei entsprechender Aufklärung und Warnung durch den Beklagten nicht bereit gewesen wären, Vorauszahlungen ohne entsprechende Sicherstellung zu leisten. Den Nachweis, daß die Klägerin und ihr Ehemann bei entsprechender Aufklärung und Warnung durch ihn den gleichen Schaden erlitten hätten, hat der Beklagte nicht erbracht.

Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg den Eintritt eines durch seine schuldhafte Unterlassung herbeigeführten Schadens der Klägerin mit dem Hinweis auf deren Rückabwicklungsanspruch gegenüber P*** in Zweifel ziehen. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfaßt jeden rechtlich als Nachteil aufzufassenden Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse besteht als an dem bisherigen. Ein Nachteil am Vermögen ist jede Vermögensveränderung, der kein entsprechendes Äquivalent gegenübersteht. Eine mit dem Einbringlichkeitsrisiko behaftete Geldforderung ist nicht dem Besitz des entsprechenden Geldbetrages gleichzuhalten. Der Rückabwicklungsanspruch gegenüber dem Vertragspartner ist nur dann der durch die geleistete Zahlung eingetretenen Vermögensminderung äquivalent, wenn dieser bereit und in der Lage ist, seiner Verbindlichkeit zur Rückzahlung unverzüglich nachzukommen. Trifft dies nicht zu, dann ist der Schaden bereits durch die vom Ersatzpflichtigen zu vertretende Leistung eingetreten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist Hermann P*** nach wie vor hoch verschuldet und es ist nicht abzusehen, wann er zur Zurückzahlung der erhaltenen Kaufpreiszahlungen in der Lage sein wird. Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen auch mit Recht den Schaden der Klägerin trotz ihres Rückabwicklungsanspruches gegenüber P*** bejaht (SZ 42/16; SZ 57/108; JBl 1987, 388 mwN ua).

Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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