OGH 8Ob576/93

OGH8Ob576/9325.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa.C.K*****, vertreten durch Dr.Konrad Meingast und Dr.Kurt Dallamaßl, Rechtsanwälte in Gmunden, gegen die beklagte Partei Behram I*****, vertreten durch Dr.Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in Lambach, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 1.März 1993, GZ R 985/92-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 10.August 1992, GZ 2 C 1882/90-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unter der Bezeichnung der klagenden Partei "Fa.C.K*****" betreibt Otto K***** mit dem Standort der Firmenanschrift eine Leder- und Schuhfabrik, in der ca. 35 Dienstnehmer beschäftigt sind. Otto K***** ist auch unter dieser Firmenbezeichnung als Alleineigentümer einer Liegenschaft mit dem Hause L***** in V***** grundbücherlich eingetragen. Dieses Haus hatte sein Vater um das Jahr 1910 in der Absicht erworben, darin Dienstwohnungen für die Arbeitnehmer seines Betriebes einzurichten. Ab diesem Zeitpunkt waren dort tatsächlich immer Dienstnehmer der Fa.C.K***** untergebracht. Seit ca. 10 Jahren hat Otto K***** auch Türkenfamilien im Hause aufgenommen und zwar zum Teil auch Personen, die nicht in der Leder- und Schuhfabrik beschäftigt waren. Seit dem Jahre 1981 bewohnt solcherart auch der Beklagte mit seiner Familie die im ersten Stock rechts vom Stiegenaufgang des Hauses gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Räumen samt Mitbenützung von Nebenräumlichkeiten. Er ist nicht Dienstnehmer der Fa.K*****.

Die Fa.C.K***** kündigte dem Beklagten die vorgenannte Wohnung samt Nebenräumen zum 31.12.1990 unter Berufung auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3 und 10 MRG auf. Zum ersteren Kündigungsgrund brachte sie vor, der Beklagte und seine Familienangehörigen hätten immer wieder Streitigkeiten mit den anderen Hausbewohnern. Die vier Söhne des Mieters belästigten die anderen Hausbewohner, beschmierten die Wände und verrichteten neben den Fenstern an der Hauswand ihre Notdurft. Auch die Gendarmerie sei schon in der Wohnung des Beklagten eingeschritten. Obwohl diesem nur ein Abstellplatz für einen Pkw zustehe, stelle er ständig drei Fahrzeuge ab. Mit seiner Ehefrau habe es auch weitere störende Zwischenfälle gegeben. Sie habe in einem Tobsuchtsanfall die Sicherungen aus dem Sicherungskasten gerissen und den Sicherungskasten beschädigt, sodaß das ganze Haus ohne Strom gewesen sei. Weiters habe sie durch ständiges Geschrei Mitbewohner gestört. Auch hier habe der Beklagte die nötige Abhilfe unterlassen. Zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 10 MRG wurde vorgebracht, der Beklagte und seine Familie seien nur über Ersuchen des Pfarrers und des Bürgermeisters vorübergehend im gegenständlichen Arbeiterwohnhaus einquartiert und es sei mit ihm vereinbart worden, daß er die Wohnung räumen müsse, wenn sie für Dienstnehmer des Betriebes der klagenden Partei benötigt werde. Diese habe im August und September 1990 vier Dienstnehmerinnen, die aus Kambodscha stammen, aufgenommen, für die sie die Wohnung dringend benötige.

Der Beklagte bestritt das Vorliegen der behaupteten Kündigungsgründe und die Aktivlegitimation der klagenden Partei, da nicht diese sondern Otto K***** selbst der Vermieter sei; Mieter sei nicht nur der Beklagte sondern auch dessen nicht gekündigte Ehefrau. Die geltend gemachten Kündigungsgründe seien zudem verfristet.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es traf folgende weitere Sachverhaltsfeststellungen:

Derzeit bewohnen Mitglieder der Familie T***** vier Wohneinheiten im Haus L*****. Von dieser Familie ist niemand bei der Fa.C.K***** beschäftigt. Die Ehegatten Ernst und Maria D***** wohnen seit über 10 Jahren im Haus und erfüllen praktisch die Aufgaben eines Hausbesorgers. Ernst D*****, der bereits in Pension ist, war nie bei der Fa.C.K***** beschäftigt. Mümüm Demir, der seit dem Jahre 1981 mit seiner Ehefrau und drei Kindern eine Wohnung im zweiten Stock des Hauses bewohnt, fand nach dem Konkurs der Schuhfabrik K***** bei der Fa.C.K***** einen neuen Arbeitsplatz. Auch der im Haus wohnhafte Vater und die Schwester des vorgenannten sind in der Fa.C.K***** beschäftigt. Vor dem Einzug des Beklagten in die aufgekündigte Wohnung stand diese kurze Zeit leer. Vorher hatte darin ein Mieter gewohnt, der in der Fabrik beschäftigt war. Der Beklagte und seine Familie - seine Ehefrau erwartete gerade Zwillinge - hatten im Jahre 1981 die frühere Wohnung in V***** verloren. Bei der Wohnungssuche wurden sie vom Pfarrer und vom Bürgermeister von V***** unterstützt. Als der Pfarrer bei Marianne K*****, der Frau des Otto K*****, wegen einer freien Wohnung vorsprach, teilte sie mit, daß zwar eine Wohnung frei sei, diese aber für Arbeitnehmer des Betriebes freigehalten werden müsse. Die gleiche Mitteilung machte auch Otto K***** dem Bürgermeister der Gemeinde Vorchdorf namens Ernst T*****, der ihn wegen einer freien Wohnung angerufen hatte. Da Ernst T***** aber immer wieder auf den besonderen Fall hinwies und hartnäckig dafür eintrat, der Familie des Beklagten zumindest vorübergehend eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, gab Otto K***** schließlich seine Zustimmung unter der Bedingung, daß die Familie des Beklagten wieder ausziehen müsse, wenn die Wohnung für betriebseigene Zwecke gebraucht werde. Ob Ernst T***** diese Bedingung des Klägers an den Beklagten weitergeleitet hat, steht nicht fest. Auf Grund der Zusage des Ernst T***** suchte der Beklagte den Kläger auf. Die Ehefrau des Beklagten war an den Verhandlungen nicht beteiligt. Die nunmehrigen Streitteile einigten sich auf einen monatlichen Mietzins von S 600,- plus Betriebskosten von S 100,-; für den Stromverbrauch besteht ein eigener Zähler. Ein schriftlicher Mietvertrag wurde nicht geschlossen, auch die anderen im Haus wohnenden Mieter haben nur mündliche Mietvereinbarungen. Etwa im Juni 1990 nahm Otto K***** zwei Frauen aus Kambodscha als Arbeiterinnen auf. Diese wohnen derzeit noch in einer Pension in G*****, von wo sie täglich zur Arbeit zureisen müssen. Otto K***** beabsichtigt, bei Freiwerden der gegenständlichen Wohnung diese an eine der kambodschanischen Arbeiterinnen zu vergeben. Seit dem Einzug der Familie des Beklagten im Hause L***** hatte seine Ehefrau ständig Streit mit anderen Hausparteien. Sie ist agressiv, es genügt der geringste Anlaß, daß sie zu schreien anfängt. So sagte sie zu Maria D*****, der sie vorwarf, sie der Beziehung zu einem anderen Mann zu verdächtigen, "ich will schneiden, ich will Blut sehen". Der Niriman A***** hielt sie mehrfach vor, es sei eine Strafe Gottes, daß sie keine Kinder bekomme. Das Erstgericht stellte noch weitere Zwischenfälle mit der sich verfolgt glaubenden Ehefrau des Beklagten und schließlich auch fest, daß diese seit November 1991 in der Türkei in einer Privatklinik stationär behandelt wird.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht das Vorliegen der von der klagenden Partei geltend gemachten beiden Kündigungsgründe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, erklärte die Revision hinsichtlich der Rechtsfragen betreffend die Notwendigkeit der Bekanntgabe des Vorbehaltes des Vermieters an den Mieter sowie der erforderlichen Eigenschaft der neu unterzubringenden Dienstnehmer für zulässig und führte in seiner Entscheidungsbegründung aus:

Das erstgerichtliche Verfahren sei im Sinne der vom Beklagten erhobenen Rüge mangelhaft geblieben, weil im Zusammenhang mit der unterbliebenen Zeugenvernehmung der in der Türkei weilenden Ehefrau des Beklagten vom Erstgericht die in § 279 ZPO geregelte Vorgangsweise nicht eingehalten worden sei. Dieser Verfahrensmangel beziehe sich jedoch nur auf die Ermittlung des Sachverhaltes betreffend den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG und müsse deswegen nicht behoben werden, weil der weitere Kündigungsgrund des § 30 Abs 3 Z 10 MRG jedenfalls vorliege. Hinsichtlich dieses Kündigungsgrundes seien die zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellungen unbedenklich. Die vom Berufungswerber angestrebten weitere Feststellungen, insbesondere jene, daß der Bürgermeister als Stellvertreter des Beklagten den Mietvertrag mit dem Kläger geschlossen habe, erschienen rechtlich unerheblich.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht weiters aus: Eine Einzelhandelsfirma sei kein selbständiges Rechtssubjekt sondern bilde nur den Handelsnamen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibe; sie sei daher kein von diesem Kaufmann verschiedenes Rechtssubjekt. Erforderlichenfalls könne auch eine amtswegige Berichtigung der Parteienbezeichnung erfolgen, keinesfalls mangle es aber an der aktiven Klagslegitimation. Selbst die in der Entscheidung SZ 22/44 geforderte Voraussetzung eines Zusammenhanges des erhobenen Anspruches mit dem Handelsbetrieb sei hier nämlich gegeben. Die Kündigungsmöglichkeit des § 30 Abs 2 Z 10 MRG bezwecke, einerseits in Zeiten geringen Bedarfes den für Betriebsangehörige gewidmeten Wohnraum zwischenweilig dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen, andererseits aber solche vorübergehend entzogenen Räume im Falle neuerlichen Bedarfes dem ursprünglichen Zweck wieder zuzuführen. Der Mietgegenstand müsse nach der Rechtsprechung also zunächst tatsächlich als Dienst- oder Werkswohnung verwendet und sodann vorübergehend an Betriebsfremde vermietet worden sein. Im Falle des dringenden Bedarfes müsse er sodann für den Zweck, für den er gewidmet war, freigemacht werden. Die Zweckentziehung dürfe nur nicht so lange dauern, daß sie einer Zweckentfremdung auf Dauer gleichkomme. Bei der diesbezüglichen Beurteilung sei ein sehr weitherziger Maßstab anzulegen, selbst eine zehnjährige Vermietung an Betriebsfremde bedeute nicht schon eine dauernde Zweckentziehung. Nur die Absicht einer Änderung des Verwendungszweckes stehe einer späteren Geltendmachung des Kündigungsgrundes entgegen. Hier habe die klagende Partei aber auch nicht einmal stillschweigend ein Verhalten gesetzt, das als Verzicht gegenüber den Beklagten auf den geltend gemachten Kündigungsgrund zu werten sei. Die klagende Partei habe vielmehr aus sozialen Gründen den Beklagten eine kurz zuvor freigewordene und vorerst nicht für Betriebsangehörige benötigte Wohnung zur Verfügung gestellt und ein seither eingetretener, aber nicht geltend gemachter Bedarf für Betriebsangehörige sei nicht erwiesen. Vielmehr habe die klagende Partei den Nachweis des Weiterbestehens der Widmung und des Fehlens einer Zweckentfremdung erbracht. Der im Juni 1990 eingetretene Bedarf an der streitgegenständlichen Wohnung zwecks Unterbringung zweier Kambodschanerinnen sei offenbar sogleich geltend gemacht worden, weil bereits in einem Schreiben vom 11.9.1990 hievon die Rede sei. Eine Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter bei Vertragsabschluß ausdrücklich mitzuteilen, daß die Widmung der Wohnung zur allfälligen künftigen Unterbringung von Arbeitskräften für den Betrieb des Vermieters vorbehalten bleibe, bestehe nur dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen die Vermietung erfolge, das Schweigen des Vermieters ansonsten als Verzicht auf den konkreten Kündigungstatbestand nach § 30 Abs 2 Z 10 MRG verstanden werden müßte. Dies könne hier nicht gesagt werden. Abgesehen davon, daß der Vermieter gegenüber dem Bürgermeister ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt gemacht habe, sei die Aufnahme des Beklagten und seiner Familie in die Wohnung offensichtlich auf Grund der aktuellen Notsituation und der massiven Interventionen des Bürgermeisters bzw. Pfarrers erfolgt, womit zwar die Absicht der klagenden Partei dokumentiert worden sei, dem Beklagten bei der Lösung seines Wohnungsproblemes durch die zur Verfügungstellung einer freien Wohnung behilflich zu sein, nicht aber, auf deren Zweckbestimmung endgültig zu verzichten. Auch die Entscheidung MietSlg 35.378, die auf die Entscheidung MietSlg 18.419 zurückgehe, besage lediglich, daß der Mieter seine einen Vorbehalt des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 10 MRG (§ 19 Abs 2 Z 7 MietG) in sich schließenden Motive dem Mieter dann bekanntgeben müsse, wenn er aus einem anderen Grund als den, daß er in absehbarer Zeit den Mietgegenstand nicht mehr für Betriebsangehörige benötige, vermiete, was hier nicht der Fall sei. Der dringende Bedarf des Vermieters im Sinn des § 30 Abs 2 Z 10 MRG liege schon vor, wenn Arbeiter und Angestellte vorhanden seien, die noch nicht in Zweckwohnungen Unterkunft gefunden hätten und die der Unternehmer solcherart unterbringen wolle, wenn aus Gründen der Betriebsnotwendigkeit eine nahe Unterbringung erfolgen soll. Durch die Feststellung, daß ein Teil der Bediensteten des Vermieters unzureichend untergebracht sei und einen langen, dem Dienstbetrieb abträglichen Reiseweg von der Wohnstätte zur Betriebsstätte habe, sei dem Erfordernis der Betriebsnotwendigkeit entsprochen. Hier wohnten zwei Arbeiterinnen des Vermieters mangels einer anderen Wohnmöglichkeit in einer ca.15 km vom Dienstort entfernten Pension. Somit sei der nach der Betriebsnotwendigkeit zu beurteilende Eigenbedarf des Vermieters gegeben, weil keine zweckbestimmte Wohnung frei sei, aber konkret und nicht bloß in abstracto Arbeitnehmer vorhanden seien, die in einer solchen untergebracht werden sollen. Auf deren betriebliche Stellung komme es nicht an. Somit lägen die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 10 MRG vor.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Beklagte eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Aufhebung der Aufkündigung und der Abweisung des Räumungsbegehrens.

Der Revisionswerber verweist darauf, daß ihm gegenüber bei der Vermietung weder auf die Beweggründe des Vermieters noch auf die Zweckwidmung der Wohnung und die Notwendigkeit einer Räumung bei Eigenbedarf hingewiesen worden sei, woraus geschlossen werden müsse, daß der Vermieter auf den nun geltend gemachten Kündigungsgrund verzichtet habe. Die beiden Kambodschanerinnen seien für die klagende Partei auch nicht, wie von der Rechtsprechung vorausgesetzt, wichtige Dienstnehmerinnen. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei sei nicht gegeben, weil Otto K***** nicht als Kaufmann sondern als Privatperson die Wohnung an den Revisionswerber aus einem Akt der Nächstenliebe vermietet habe. Auch der behauptete stillschweigende Kündigungsverzicht bzw eine Verfristung des Kündigungsgrundes sei gegeben, weil die klagende Partei bereits im Juni 1990 hätte kündigen müssen, tatsächlich aber erst im November 1990 gekündigt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die vom Revisionswerber aufgeworfenen Fragen der Aktivlegitimation der klagenden Partei und einer Verfristung bzw Verschweigung des Kündigungsrechtes sind nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beantworten, wurden auf dieser Grundlage vom Berufungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung gelöst und stellen, wie auch aus der Begründung des berufungsgerichtlichen Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision hervorgeht, keine qualifizierten Rechtsfragen im Sinne § 502 Abs 1 ZPO dar, sodaß hierauf nicht näher einzugehen ist.

Zu den nach Meinung des Revisionswerbers hier nicht erfüllten Tatbestandsvoraussetzungen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 10 MRG und zum behaupteten Kündigungsverzicht ist folgendes auszuführen:

Die vorgenannte Gesetzesstelle, nach der der Vermieter kündigen kann, "wenn der Vermieter den Mietgegenstand, der schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diesen Zweck dringend benötigt", entspricht voll der zuletzt geltenden Fassung des § 19 Abs 2 Z 7 MietG und dieser wiederum geht letztlich auf die Fassung des § 12 Abs 2 Z 6 des Entwurfes zum MietG zurück, welcher ebenfalls lautete: "Als ein wichtiger Kündigungsgrund ist ............. anzusehen, wenn .....

6. der Vermieter den Mietgegenstand, der schon bisher zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diesen Zweck dringend benötigt."

Hiezu führten die EB zur RV (723 Bgl I.GP, 32) aus: "Ebenso wie nach § 7 Abs 6 der Mieterschutzverordnung läßt der Entwurf in § 12 Abs 2 Z 6 eine Kündigung zu, wenn der Vermieter den Mietgegenstand, der schon bisher (dh zur Zeit der Kündigung) zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diesen Zweck dringend benötigt wird. Diese Bestimmung ermöglicht es, Wohnungen von Arbeitern und Angestellten nach Auflösung des Dienstverhältnisses für den Nachfolger freizubekommen. Sie bietet ferner die Handhabe, Wohnungen in Gebäuden, die zur Unterbringung von Arbeitern und Angestellten des eigenen Betriebes erbaut oder nach der Errichtung zu dem bezeichneten Zwecke bestimmt, nachträglich aber aus irgendeinem Grunde anderweitig vermietet wurden, zu dem von vornherein bestimmten Zweck freizumachen. ............"

In den EB zur RV betreffend die nunmehr geltende Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 10 MRG (425 Blg 15.GP, 42) wird lediglich darauf verwiesen, daß diese Bestimmung dem bisherigen Tatbestand des § 19 Abs 2 Z 7 MietG inhaltlich entspricht.

Weder aus diesen noch aus den seinerzeitigen EB zur RV ergeben sich somit Hinweise darauf, daß es sich um die Unterbringung von für den Betrieb besonders bedeutsamen Arbeitern oder Angestellten handeln müsse. In einigen älteren Entscheidungen wurde zwar die Notwendigkeit der Unterbringung von für den Arbeitgeber "wichtigen Dienstnehmern" angeführt (MietSlg 6.588, 8.192, 9.672), eine solche besondere Qualifikation der Dienstnehmer wurde in der neueren Rechtsprechung aber nicht genannt, vielmehr wurde im Sinne des Gesetzeswortlautes, der nur auf die Widmung als Unterkunft für "Arbeiter und sonstige Angestellte" und die demgemäße weitere Zweckwidmung abstellt, insoweit lediglich für maßgeblich gehalten, ob der Betriebsinhaber zur Erreichung oder Erleichterung seiner wirtschaftlichen Ziele einen Dienstnehmer in einer Werkswohnung unterbringen will (6 Ob 648/93). Somit ist es aber auch hier unerheblich, von welcher Wichtigkeit für den Betriebsinhaber die von ihm für die Unterbringung in der aufgekündigten Werkswohnung vorgesehenen Arbeiterinnen aus Kambodscha sind, entscheidend erscheint vielmehr, daß die Wohnung tatsächlich gemäß ihrer Zweckwidmung dringend benötigt wird, weil diese Arbeiterinnen derzeit in einer 15 Kilometer entfernt gelegenen Pension untergebracht sind.

Bei der Beantwortung der Frage einer - hier behaupteten - stillschweigenden Änderung der bisherigen Zweckwidmung des Mietgegenstandes und damit eines Verzichtes auf den diesbezüglichen Kündigungsgrund ist zunächst davon auszugehen, daß dieser Kündigungsgrund begriffsnotwendig immer die vorübergehend erfolgte Vermietung einer an sich für Betriebszwecke gewidmeten Wohnung an betriebsfremde Personen voraussetzt. Das Abgehen von dieser Zweckwidmung und damit eine Widmungsänderung und ein Verzicht auf diesen Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Hauseigentümer den Mietgegenstand einer betriebsfremden Person in der Absicht vermietet, die Wohnung künftig nicht mehr zur Unterbringung von Angehörigen seines Betriebes zu verwenden. Eine nicht ausdrücklich geäußerte diesbezügliche Absicht kann zwar gemäß den §§ 863, 914 ABGB auch aus den besonderen, zum Mietvertragsabschluß führenden Umständen hervorgehen. Bei der Annahme einer Widmungsänderung ist aber nach der Rechtsprechung zu Lasten des Mieters ein sehr großzügiger Maßstab anzulegen (MietSlg 27.372, 27.373, 35.378, 20.412 ua). Der Oberste Gerichtshof sprach weiters aus, daß auf den genannten Kündigungsgrund an sich in der Regel nicht verzichtet werden kann (MietSlg 18.418 mwN). Grundsätzlich muß der Vermieter daher auch nicht durch einen entsprechenden Hinweis gegenüber dem Mieter beim Mietvertragsabschluß die bestehende Zweckwidmung vorbehalten (Würth-Zingher Miet- und Wohnrecht19 Rz 52 zu § 30; MietSlg 18.418). Dies ist nur erforderlich, wenn die Vermietung nicht aus dem Grunde eines mangelnden eigenen Bedarfes für Betriebsangehörige in absehbarer Zeit sondern aus einem anderen Grund erfolgt (MietSlg 9.671, 24.295, 35.378). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann dies hier aber nicht unterstellt werden:

Beim Abschluß des gegenständlichen Mietvertrages war nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ein Teil der Betriebswohnungen an Betriebsangehörige und ein Teil derselben an betriebsfremde Personen vermietet; die gegenständliche, zuletzt an einen Betriebsangehörigen vermietete Wohnung war wieder frei geworden und leer gestanden. Ein Bedarf hieran ergab sich erst aus dem in der Aufkündigung angeführten Grund. Allein aus diesen Umständen geht hervor, daß mangels ständigen Bedarfes für Betriebsangehörige eben vorübergehend auch Vermietungen an betriebsfremde Personen erfolgten und daß für diesen Zweck auch die freigewordene streitgegenständliche Wohnung damals grundsätzlich zur Verfügung stand. Somit kann aber keinesfalls unterstellt werden, Otto K***** habe diese Wohnung ungeachtet zukünftigen Eigenbedarfes ausschließlich wegen der Wohnungsnot des Beklagten an diesen vermietet, sondern handelte es sich offenbar um eine gerade nicht für Betriebsangehörige benötigte und daher - wie vorher auch bei anderen Wohnungen im Haus - grundsätzlich für eine vorübergehende Vermietung auch an Betriebsfremde freie Wohnung. Demgemäß ist nicht zugrundezulegen, Otto K***** habe trotz eines in absehbarer Zeit gegebenen Bedarfes für eigene Betriebsangehörige die Vermietung der Wohnung an den Revisionswerber vorgenommen. Der vielmehr fehlende Eigenbedarf trat tatsächlich erst neun Jahre später ein. Unter diesen Umständen war aber ein Vorbehalt gegenüber dem Mieter beim Vertragsabschluß nicht erforderlich. Ein Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 10 MRG liegt sohin nicht vor.

Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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