OGH 8Ob572/90

OGH8Ob572/9010.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Schwarz, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga T***, geb. 3.6.1946 in Neusiedl bei Güssing, Vertragsbedienstete, Gerichtsbergenstraße 6, 8280 Fürstenfeld, vertreten durch Dr.Werner Thurner und Dr.Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Manfred T***, geb. 6.10.1943 in Burgau, Kraftfahrer, Gerichtsbergenstraße 6, 8280 Fürstenfeld, vertreten durch Dr.Richard Stengg, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28.November 1989, GZ 4 a R 210/89-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.Juni 1989, GZ 23 Cg 349/88-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 1946 geborene Klägerin und der 1943 geborene Beklagte haben am 22.6.1968 die beiderseits erste Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen die 1968 geborene Tochter Andrea und der 1979 geborene Sohn Jürgen. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war in Fürstenfeld. Ehepakte wurden nicht errichtet.

Die Klägerin begehrte vorerst mit ihrer 1984 eingebrachten, auf § 49 EheG gestützten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, weil dieser seine Unterhaltspflicht nicht ausreichend erfüllt und seit längerer Zeit jedes Interesse an der Familie verloren habe. Die Ehe bestehe praktisch seit 1983 nicht mehr. 1986 stellte sie schließlich auch einen Antrag auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stellte hilfsweise einen Mitschuldantrag. Es möge das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe festgestellt werden, weil diese ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalte.

Im ersten Rechtsgang wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG geschieden und festgestellt, daß die Klägerin das überwiegende Verschulden treffe. Hiezu traf es folgende Feststellungen:

Die Ehe der Streitteile war nur anfänglich gut und harmonisch. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Parteien. Der Beklagte kam in der Folge seinen Unterhaltsverpflichtungen nur unregelmäßig nach, so daß die Klägerin im Jahre 1984 einen Unterhaltsfestsetzungsantrag beim Bezirksgericht Fürstenfeld einbringen mußte. Er kümmerte sich nur in sehr eingeschränktem Maß um die Familie und behandelte die Klägerin insofern schikanös, als er ihr praktisch keinerlei Wirtschaftsgeld zur Verfügung stellte. Er begründete dies mit der Sorge, die Klägerin würde das Wirtschaftsgeld "verplempern". Das schikanöse Verhalten des Beklagten gipfelte darin, daß er zeitweise der Klägerin für jede einzelne Mahlzeit Geld auf den Tisch legte, so daß es deswegen zu Wortwechseln zwischen den Streitteilen kam. Meist nahm der Beklagte seine Mahlzeiten überhaupt auswärts bei einer gewissen Frau B*** ein.

Seit drei Jahren besteht zwischen den Streitteilen keine Geschlechtsgemeinschaft mehr. Die Klägerin unterhielt vor rund vier Jahren mit einem gewissen Herrn V*** ehewidrige und eheberecherische Beziehungen. Dies führte zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen der Streitteile und war auslösendes Moment für das schikanöse Verhalten des Beklagten (zB Zahlung jeder einzelnen Mahlzeit). In der Folge wurde die Klägerin gegen den Beklagten auch tätlich, zB warf sie ihm einen nassen Fetzen ins Gesicht.

Wenn die Klägerin einmal abends einen Gasthausbesuch macht oder am Samstag eine Stammtischrunde besucht, werden ihr vom Beklagten Vorhaltungen gemacht. Er kommt in das Lokal nach und stänkert die Klägerin vor den Gästen an.

Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Der Oberste Gerichtshof bestätigte in seiner Entscheidung 8 Ob 571/88 die Scheidung der Ehe aus dem beiderseitigen Verschulden der Streitteile, hob die Vorentscheidungen aber im übrigen zur Prüfung der Frage auf, ob ein gleichteiliges Verschulden der Streitteile oder ein überwiegendes Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe anzunehmen sei. Um beurteilen zu können, in welchem Ausmaß das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin mit V*** zur weiteren Zerrüttung der Ehe beitrug, werde vorerst der Grad der Zerrüttung der Ehe durch die Vernachlässigung der Unterhaltspflicht des Mannes und die Gewichtigkeit des Verschuldens des Mannes daran zu prüfen und zu ermitteln sein, wie sich im Laufe der Ehe das Verhalten des einen Ehegatten auf dasjenige des anderen auswirkte. Im zweiten Rechtsgang traf das Erstgericht noch folgende Feststellungen:

Bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung hatte der Beklagte Schulden, von denen er zunächst seiner Gattin keinerlei Mitteilung machte. In den Siebzigerjahren pachtete der Beklagte eine Tankstelle, mußte aber den Ausgleich anmelden. Während der ganzen Dauer der Ehe gab der Beklagte der Klägerin nie ein regelmäßiges Wirtschaftsgeld. Die Klägerin - sie arbeitet seit dem Jahre 1964 als Vertragsbedienstete beim Land S*** und verdient derzeit rund S 10.000 - mußte die Fixkosten des Haushaltes wie Strom und Telefon selbst finanzieren. Der Beklagte arbeitete bis zum 14.8.1986 bei F***, wo er insgesamt 7 1/2 Jahre tätig war und dort einen durchschnittlichen Nettolohn von S 12.000 bezog. In der Folge war der Beklagte durch 1 1/2 Jahre arbeitslos. Derzeit ist der Beklagte praktisch nur halbtägig beschäftigt, wobei er im Verfahren P 28/84 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld seine halbtägige Beschäftigung damit motivierte, daß er auf Grund des anhängigen Scheidungsverfahrens, des Aufteilungsverfahrens und des Pflegschaftsverfahrens laufend bei verschiedenen Gerichten zu Verhandlungen erscheinen müsse und daher nicht mehr arbeiten könne. Während der aufrechten Ehe tätigte er zeitweise Anschaffungen, er kaufte eine Waschmaschine, eine Wohnecke und richtete eine Dusche ein.

Die Streitteile verbrachten nie einen gemeinsamen Urlaub. Das Verhältnis des Beklagten zu seinem Sohn ist gut, das zu seiner Tochter ist schlecht. So klagte er sie auf Zahlung eines Betrages von S 4.670,90, weil sie Kleidungsstücke von seinem Geld gekauft hat. Am 20.4.1987 versetzte der Beklagte der Klägerin Schläge; ein diesbezügliches Strafverfahren endete mangels Strafwürdigkeit der Tat mit Freispruch.

Zwischen den Streitteilen wird seit rund drei Jahren nicht mehr gesprochen. Der Beklagte kommt spätabends nach Hause; es bestehen derzeit keinerlei Gemeinsamkeiten mehr.

Auf Grund dieses ergänzten Sachverhalts sprach das Erstgericht aus, daß die Streitteile ein gleichteiliges Verschulden am Scheitern der Ehe trifft.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die festgestellten aklatanten und krassen Unterhaltsverletzungen des Beklagten, insbesondere auch gegenüber seinen Kindern, die zeitlich bereits vor dem ehebrecherischen Verhältnis der Klägerin anzusetzen seien, habe die Ehe der Streitteile bereits vor dem Ehebruch der Klägerin tiefgreifend zerrüttet. Wenn auch ein Ehebruch als schwerwiegende Verfehlung zu werten sei, so trete das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe doch nicht so weit in den Hintergrund, daß es bei der Verschuldensabwägung nicht mehr ins Gewicht fiele. Das Ausbrechen der Klägerin aus der Ehe müsse zumindest teilweise auch als Reaktionshandlung auf das Verhalten des Beklagten angesehen werden. Bei sorgfältiger Abwägung des Verhaltens beider

Streitteile - einschließlich der bereits im ersten Rechtsgang festgestellten Eheverfehlungen - erscheine die Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden beider Teile gerechtfertigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, daß das überwiegende Verschulden der Klägerin am Scheitern der Ehe festgestellt werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionswerber versucht vielmehr unter diesen Berufungsgründen in Wahrheit die Beweiswürdigung der Unterinstanzen in unzulässiger Weise zu bekämpfen. Soweit er meint, ihm sei nur eine geringfügige Unterhaltsverletzung anzulasten, weil nur wegen eines Bagatellbetrages gegen ihn Unterhaltsexekution eingeleitet worden sei, unterliegt er offensichtlich einem Rechtsirrtum. Eine Unterhaltsverletzung liegt nicht nur dann vor, wenn gegen den Schuldner Exekution geführt werden muß. Die Exekutionsführung setzt einen rechtskräftigen Exekutionstitel auf Grund einer Klage der Ehegattin oder eines Antrages auf Unterhaltsfestsetzung der mj.Kinder voraus; Voraussetzung einer erfolgreichen Klage oder eines solchen Antrages ist die vorangegangene Unterhaltsverletzung. Eine solche - und zwar eine eklatante und krasse - Unterhaltsverletzung liegt nach den getroffenen Feststellungen vor: Der Beklagte gab der Klägerin während der ganzen Dauer der Ehe nie regelmäßig ausreichendes Wirtschaftsgeld, sodaß sie bereits Anfang 1984 gezwungen war, zur Sicherstellung des Unterhaltes der Kinder gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Rechtsrüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt, weil sie - wie der Revisionswerber selbst deponiert - nicht von den festgestellten, sondern von den von ihm gewünschten Feststellungen ausgeht. Er konzediert selbst, daß dann, wenn diese Feststellungen "auf verfahrensrechtlich einwandfreie Weise zustandegekommen wären", der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes wohl gefolgt werden müsse (Revision S 3 unten). Eine Befassung des Obersten Gerichtshofes mit der rechtlichen Beurteilung scheidet daher aus. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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