Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die hierin der Revisionsrekurswerberin erteilte Anweisung, der D***** 155,16 EUR zu überweisen, ersatzlos aufgehoben wird.
Text
Begründung
Die am 27. 6. 2007 Verstorbene war Inhaberin eines Privatkontos bei der Revisionsrekurswerberin (einer Bank). Am 28. 6. 2007 ging auf diesem Konto eine Rentenzahlung der D***** (in der Folge: Rentenversicherung) von 155,16 EUR für die Zeit vom 1. 7. bis zum 31. 12. 2007 ein.
Nach Auskunft der Revisionsrekurswerberin hatte das Konto am Todestag der Kontoinhaberin einen Sollstand von 3,85 EUR aufgewiesen. Mit 10. 8. 2007 (Datum der Auskunft der Revisionsrekurswerberin) ergab sich - unter Berücksichtigung der oben genannten Buchung, einer Abbuchung vom 5. 7. 2008 in Höhe von 137,33 EUR (Empfänger: PVA) und „nach Buchung von Zinsen, Spesen und Gebühren" - „ein Kontostand von 13,98 Haben".
Weitere Aktiva sind im Verlassenschaftsverfahren nicht hervorgekommen.
Mit Beschluss vom 30. 11. 2007 sprach das Erstgericht aus, dass die Abhandlung unterbleibe, da die Aktiven des Nachlasses 4.000 EUR nicht übersteigen (Punkt 1). Ferner wies es die Revisionsrekurswerberin an, die nicht nachlasszugehörige Rente von 155,16 EUR an die Auszahlerin rückzuüberweisen (Punkt 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem von der angewiesenen Bank gegen Punkt 2 der erstgerichtlichen Entscheidung erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Bank berufe sich zu Unrecht auf Punkt C Z 6 Abs 1 der AGB österreichischer Sparkassen. Nach dieser Bestimmung werde das Kreditinstitut, sobald es vom Ableben eines Kunden Kenntnis erhalte, Dispositionen aufgrund eines Beschlusses des Abhandlungsgerichts oder der Einantwortungsurkunde zulassen. Verfügungen nur durch den Kontoinhaber oder seinen Rechtsnachfolger zuzulassen, würde jegliche Verfügung unmöglich machen, weil die Kontoinhaberin tot sei und ihr Erbe und Rechtsnachfolger an einer Leistung, die ihr zu Lebzeiten nicht zugestanden sei und die nicht in den Nachlass falle, kein Eigentum erwerbe.
Anders als in der im Rekurs zitierten Entscheidung 2 Ob 20/03k - dort sei es um einen Buchungsfehler und um eine Stornierung im Verhältnis zwischen der Rentenversicherung und der Bank gegangen - handle es sich hier um eine banktechnisch korrekte Überweisung einer Leistung, auf die die mittlerweile Verstorbene keinen Anspruch mehr gehabt habe. Deshalb habe das Abhandlungsgericht die Rücküberweisung der Leistung angeordnet. Dem Einwand, die Bank werde im Ergebnis verpflichtet, dem Nachlass einen Kredit einzuräumen, sei entgegenzuhalten, dass der Verstorbenen die Leistung nicht zugestanden sei und die Bank aus einer derartigen Leistung keinen wirtschaftlichen Nutzen für sich selbst ziehen könne. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zu derartigen, in der Praxis „mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftretenden" Fällen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen einer Korrektur bedarf. Er ist auch berechtigt. Der angefochtenen Verfügung des Erstgerichts fehlt es nämlich an einer rechtlichen Grundlage.
Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin - ab diesem Zeitpunkt ist als Kontoinhaber der ruhende Nachlass anzusehen (Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II² 1/54) - wies das in Rede stehende Konto einen Negativsaldo auf. Erst einen Tag später ging die für einen Zeitraum nach dem Tod der Erblasserin gewidmete Zahlung der Rentenversicherung von 155,16 EUR ein, der jedoch eine Woche später eine Abbuchung von 137,33 zugunsten der PVA folgte, sodass letztlich - nach Buchung von Zinsen, Spesen und Gebühren - nur mehr ein Guthabenstand von 13,98 EUR verblieb. Es braucht hier nicht erörtert zu werden, welche Rückforderungs- bzw Ersatzansprüche der Rentenversicherung (sei es nun gegen den ruhenden Nachlass oder gegen die Bank) aufgrund ihrer nach dem Tod der Erblasserin und daher rechtsgrundlos bewirkten Zahlung zustehen. Jedenfalls ist das Verlassenschaftsgericht nicht berechtigt, insofern einen Ausgleich zwischen den Beteiligten vorzunehmen und die Begleichung entstandener (und hier im Übrigen auch strittiger) Forderungen anzuordnen. Für eine solche Befugnis des Verlassenschaftsgerichts fehlt es im Gesetz an jeglicher Grundlage. Der Entscheidung 4 Ob 201/99h ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Im damals zu beurteilenden Fall, in dem der Nachlass einem Gläubiger an Zahlungsstatt überlassen wurde, ging es um die Ermittlung des zu überlassenden Nachlasses. Dabei war vom Verlassenschaftsgericht die Frage zu klären, ob ein tatsächlich vorhandener Bargeldbetrag, der aus einer nach dem Tod der Erblasserin bewirkten Pensionsleistung stammte, in den Nachlass fällt oder nicht. Dieser Fall ist jedoch mit der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zu vergleichen, in der weder zum Todeszeitpunkt der Erblasserin noch später (nennenswerte) Aktiven vorhanden waren bzw sind und das Verlassenschaftsgericht die Begleichung einer (strittigen) Forderung der Rentenversicherung gegen die kontoführende Bank (mangels eines am Konto befindlichen Guthabens aus deren Vermögen) anordnete. Für eine solche Anordnung des Verlassenschaftsgerichts fehlt allerdings - wie schon ausgeführt - eine rechtliche Grundlage, sodass sie in Stattgebung des Revisionsrekurses ersatzlos aufzuheben war.
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