OGH 8Ob550/86 (8Ob551/86)

OGH8Ob550/86 (8Ob551/86)19.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***-AUSTRIA GesmbH, Rotenturmstraße 5-9, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Georg R***, Brauereibesitzer, Braunauerstraße 12, 4950 Altheim, vertreten durch Dr. Florian Lackner, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen Zustimmung zu einer Bauführung (S 100.000,-) und Feststellung (S 100.000,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 17.Dezember 1985, GZ R 348/85-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Bezirksgerichtes Mauerkirchen vom 27.August 1985, GZ C 135/85 -9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 385,80) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, der Errichtung eines zweiten Tankstellen-Daches mit Pumpeninsel und einer Erweiterung des Shops im vorhandenen Tankstellengebäude auf der Liegenschaft EZ 865, Grundbuch Weirading des Bezirksgerichtes Mauerkirchen zuzustimmen (Punkt 1). Weiters beantragte sie die Feststellung, daß das zwischen den Streitteilen aufgrund des Bestandvertrages vom 9. bzw. 19.5.1967 und des Nachtrages vom 1.4. bzw. 5.7.1977 bestehende Bestandverhältnis hinsichtlich der oben genannten Liegenschaft den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG unterliegt (Punkt 2). Der Beklagte habe als Alleineigentümer der gegenständlichen Liegenschaft seine ursprünglich erteilte Zustimmung zur beabsichtigten Bauführung gegenüber der Baubehörde, Marktgemeinde Altheim, telefonisch zurückgezogen, obwohl die geplanten Änderungen in den vertraglichen Vereinbarungen über die Errichtung und den Betrieb einer Tankstellenanlage samt Nebenanlagen durch die Klägerin Deckung fänden. Im Hinblick auf die geplante umfangreiche Investition habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß dieses Bestandverhältnis den Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG unterliege. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es handle sich um ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Bestandverhältnis, mit dem der Klägerin lediglich eine vorübergehende Nutzung der in Bestand gegebenen Fläche bis 31.12.1985 ermöglicht werden sollte. Das Bestandverhältnis unterliege somit allenfalls der Übergangsbestimmung des § 49 MRG und sei demnach nur bis längstens 31.12.1986 kündigungsgeschützt. Der Beklagte brachte zu C 166/85 des Bezirksgerichtes Mauerkirchen die gerichtliche Aufkündigung des Bestandvertrages für 31.12.1985 ein. Nach Erhebung von Einwendungen wurde dieses Verfahren vom Erstgericht mit diesem Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Punkt 2 des Klagebegehrens statt und stellte demgemäß fest, daß das Bestandverhältnis zwischen den Parteien den §§ 30 bis 33 MRG unterliege. Es traf im wesentlichen nachstehende Feststellungen:

Mit dem Vertrag vom 9.5.1967 einschließlich eines Nachtrages vom 1.4.1977 vermietete der Beklagte das ursprünglich unbebaute Grundstück Nr.681/2 Wiese, EZ 865 Grundbuch Weirading, im Ausmaß von 1749 m 2 an die Klägerin zur Errichtung sowie zum Betriebe einer Tankstellenanlage samt Nebenanlagen. Der Vertrag wurde bis 31.12.1985 geschlossen, wobei sich das Bestandverhältnis jeweils um ein Jahr verlängern sollte, falls es nicht sechs Monate vor Ablauf mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt würde. Nach den getroffenen Vereinbarungen ist die Klägerin zur Weitervermietung sowie im Fall der Beendigung des Bestandverhältnisses zur Entfernung der gesamten Betriebsanlagen berechtigt. Auf Wunsch des Beklagten hat die Klägerin die Kesselgrube bzw. den Kessel gegen einen möglichen Einbruch dieser Grundstücksstelle abzusichern. Außerdem kann der Beklagte bei Beendigung des Bestandverhältnisses die Übernahme der Betriebsanlagen zum halben Marktwert der oberirdischen Baulichkeiten verlangen. Im Jahr 1967 bzw. einige Jahre später wurde von der Klägerin auf dem Bestandobjekt ein ebenerdiges Tankstellengebäude mit der Außenabmessung 7,2 x 11,5 m - ua mit einem 15 m 2 großen Kundenraum (Shop) sowie ein 4,4 m 2 großer Wellblechschuppen als Lagerraum und eine überdachte Zapfsäuleninsel errichtet. Unterirdisch wurden ua insgesamt 4 Tanks a 10.000 l, sowie je ein Tank zu 5.000 l und 20.000 l für Treibstoff, Ofenheizöl und Altöl errichtet. Bei einem vom Pächter der Klägerin erzielten Treibstoffumsatz von zuletzt 544.915 l sowie einen Shop-Umsatz von S 262.180,-- - jeweils im Jahr 1984 - leistet die Klägerin einen wertgesicherten monatlichen Nettomietzins von derzeit S 3.715,94. Während die Gewinnspanne beim Shop-Umsatz zwischen 30 - 40 % liegt, beträgt die Gewinnspanne pro Liter Treibstoff etwa 0,40 Schilling. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß wegen der Vermietung eines ursprünglich unbebauten Grundstückes die Kündigungsschutzbestimmungen der §§ 30 bis 33 MRG zwar nicht unmittelbar, wohl aber analog anwendbar seien. Es liege hier die gleiche Interessenlage wie bei der Vermietung eines Grundstückes zur Errichtung eines Superädifikates zu Wohnzwecken vor, sodaß bei Vorliegen des Erfordernisses einer (relativ) dauernden Nutzung der errichteten Anlage zu Geschäftszwecken die Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen der §§ 30 bis 33 MRG zu bejahen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Rechtlich sei auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 607/84 und auf die Lehrmeinung Bydlinskis zu verweisen. Darin, daß der vorliegende Bestandvertrag am 31.12.1985 enden soll, sei kein Unterschied zur zitierten Entscheidung zu sehen, weil sich der Bestandvertrag jeweils um ein Jahr verlängert, falls er nicht 6 Monate vor Ablauf gekündigt wird. Dies entspreche im übrigen § 29 Abs 3 letzter Satz MRG. Dafür, daß die Tankstellenanlage bloß ein Provisorium sein sollte, gebe es keine Anhaltspunkte. Eine analoge Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen wäre nur dann zu verneinen, wenn die auf dem gemieteten Grundstück vom Mieter errichteten Geschäftsräumlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber den anderen von ihm darauf errichteten Anlagen gänzlich in den Hintergrund treten (5 Ob 607/84). Bei einem aus den erstgerichtlichen Feststellungen ableitbaren jährlichen Gewinn aus den im Kundenraum gemachten Umsätzen von rund S 80.000,-- gegenüber einem Gewinn von knapp S 220.000,-- aus dem Treibstoffverkauf sei diese Voraussetzung jedoch nicht gegeben. Daß der Tankstellenbetrieb von einem Pächter geführt werde, könne nicht zu einem Verlust des Kündigungsschutzes führen, weil diese Berechtigung im Punkt VIII des Mietvertrages ihre Deckung fände.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt den Standpunkt, daß der Bestandvertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde und daher die auf der Vorentscheidung 5 Ob 607/84 beruhenden Erwägungen der Vorinstanzen auf ihn nicht zuträfen. Die Absicht der Parteien sei immer darauf gerichtet gewesen, das Bestandverhältnis am 31.12.1985 enden zu lassen. Die Ansicht Bydlinskis, daß der kündigungsgeschützte Teil Kündigungsschutz für den ganzen Mietgegenstand begründe, sei unrichtig. Im übrigen sei das überwiegende Interesse der Klägerin am Treibstoffverkauf und nicht am "Shop" gelegen. Dazu war zu erwägen:

Im Gegensatz zur Ansicht des Revisionswerbers ist die von den Vorinstanzen zitierte und von ihm selbst relevierte Entscheidung 5 Ob 607/84 = RdW 1985, 367 - der in der Zwischenzeit weitere Erkenntnisse wie 1 Ob 704/85 und 6 Ob 517/85 folgten - auf den vorliegenden Fall voll anwendbar. Ebenso wie in der zitierten Vorentscheidung liegt auch hier eine die analoge Anwendung des § 1 MRG rechtfertigende Raummiete vor, weil die Klägerin auf dem Grundstück des Beklagten eine Tankstelle samt dazugehörigen Tankanlagen und damit unmittelbar zusammenhängender Verkaufsräumlichkeit ("Shop") errichtet hat. Schon im Hinblick auf den im Jahr 1984 im Verkaufsraum erzielten Umsatz von S 262.180,-- kann keine Rede davon sein, daß dieser gegenüber den Erträgen der übrigen Anlagen gänzlich in den Hintergrund getreten sei. Im übrigen ist zwar richtig, daß der vorliegende Bestandvertrag "bis zum 31.12.1985 geschlossen" wurde; schon das Berufungsgericht verwies jedoch darauf, daß sich das Bestandverhältnis nach dem im Vertragstext klar zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien jeweils um ein Jahr verlängern sollte, falls es nicht 6 Monate vor Ablauf mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt würde. So wie in der zitierten Vorentscheidung ist demnach auch hier einerseits von dem Vorliegen einer Raummiete auszugehen und andererseits auf § 1 Abs 2 Z 3 MRG zu verweisen, wonach aus dem unmittelbaren Anwendungsbereich dieses Gesetzes nur Mietverträge ausscheiden, die durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen, sofern die ursprüngliche oder verlängerte vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr nicht übersteigt. Zu den weiteren Ausführungen der Revision genügt es, auf die eingehende Begründung der in der RdW 1985, 367 abgedruckten Vorentscheidung zu verweisen.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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