Spruch:
Aus Anlaß der Revision wird das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit mit dieser Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens, die Vereinbarung gemäß § 55 a Abs.2 EheG vom 18.März 1981 sei nichtig, bestätigt wurde, aufgehoben; im gleichen Umfang wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Nichtigkeitsklage zurückgewiesen. In diesem Umfang werden die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Rechtsmittelverfahren gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 18.März 1981, Sch 10/81, geschieden. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung wurde am 18.März 1981 auch eine Vereinbarung gemäß § 55 a Abs.2 EheG vorgelegt und unterfertigt. Sowohl den Scheidungsbeschluß als auch die Vereinbarung gemäß § 55 a Abs.2 EheG bekämpft der Kläger mit Nichtigkeitsklage. Er macht geltend, daß sich erst nach der Scheidung durch die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens, welches seinem Vertreter am 10.Juli 1984 zugestellt worden sei, herausgestellt habe, daß er am 18.März 1981 aufgrund einer tiefgreifenden Schizophrenie weder geschäfts- noch handlungsfähig gewesen sei, und überdies unter Medikamenteneinfluß gestanden habe. Er fechte daher den Scheidungsbeschluß sowie die abgeschlossene Vereinbarung gemäß § 55 a Abs.2 EheG aus dem Nichtigkeitsgrund des § 529 Abs.1 Zahl 2 ZPO an. Es wird das Begehren gestellt, den Beschluß sowie die Vereinbarung für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Ehescheidung voll geschäfts- und prozeßfähig gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da der Kläger im Scheidungsverfahren prozeßfähig gewesen sei und keines Vertreters bedurft habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, soweit damit die Abweisung des Klagebegehrens, daß die Vereinbarung gemäß § 55 a Abs.2 EheG vom 18.März 1981 nichtig sei, bekämpft wurde, in der Hauptsache nicht Folge, wobei es aussprach, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und die Revision gemäß § 502 Abs.4 Z.1 ZPO nicht zulässig sei; die Prozeßkosten wurden in diesem Umfang gemäß § 51 Abs.2 ZPO gegenseitig aufgehoben.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Die Beklagte hat in der ihr gemäß § 508 Abs.2 ZPO vom Obersten Gerichtshof freigestellte Revisionsbeantwortung beantragt, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß der Revision waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Nichtigkeitsklage zurückzuweisen. Das Erstgericht hat das ausschließlich auf § 529 Abs.1 Z.2 ZPO gestützte, auf Nichtigerklärung der von den Streitteilen im Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht Kufstein am 18.März 1981 geschlossenen Vereinbarung nach § 55 a Abs.2 EheG gerichtete Begehren mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger im Scheidungsverfahren prozeßfähig gewesen sei.
Das Gericht zweiter Instanz hat in diesem Umfang der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes bestätigt, weil zwar diesbezüglich das streitige Verfahren zulässig sei, die vom Kläger eingebrachte Klage aber nicht nur ausdrücklich als Nichtigkeitsklage bezeichnet sei, sondern sich auch auf den Grund des § 529 Abs.1 Zahl 2 ZPO stütze. Nichtigkeitsklagen seien aber nur gegen gerichtliche Entscheidungen zulässig und nicht gegen gerichtliche Vergleiche oder gegen eine Vereinbarung im Sinne des § 55 a Abs.2 EheG. Das Erstgericht habe daher die Klage, soweit geltend gemacht werde, die Vereinbarung der Streitteile sei nichtig, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung deshalb für nicht zulässig erklärt, weil die Ansicht, daß mit einer Nichtigkeitsklage im Sinne von § 529 ZPO lediglich gerichtliche Entscheidungen, nicht aber Vereinbarungen oder Vergleiche angefochten werden könnten, in Lehre und Judikatur einhellig vertreten werde.
Da der Kläger seine Klage ausdrücklich als Nichtigkeitsklage bezeichnet und ausschließlich auf die Bestimmung des § 529 Abs.1 Z.2 ZPO gestützt hat, war das Klagebegehren nur unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. SZ 42/138 u.a.).
Das Berufungsgericht hat mit seiner in Urteilsform ergangenen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage jedoch eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes, der Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zukommt, abweichend von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst, sodaß die außerordentliche Revision zuzulassen war. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage nur gegen gerichtliche Entscheidungen zulässig ist, nicht aber gegen Vergleiche (SZ 22/52, EvBl.1962/86, JBl.1976, 489 ua.; Fasching, ZPR Rz 2038, 1332, 1362) und damit auch nicht gegen eine Vereinbarung nach § 55 a Abs.2 EheG. Ist aber eine Nichtigkeitsklage nicht gegen eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, gerichtet (§ 529 Abs.1 ZPO), ist sie nicht zulässig (Fasching, ZPR Rz 2084) und wäre daher bereits vom Erstgericht mit Beschluß zurückzuweisen gewesen. Da auch das Berufungsgericht die unzulässige Nichtigkeitsklage nicht mit Beschluß zurückgewiesen, sondern die aus materiellen Gründen erfolgte Abweisung durch das Erstgericht bestätigt hat, auf das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen aber in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist (vgl. SZ 47/99, EvBl.1972, 78 ua.), waren vom Revisionsgericht die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und gemäß § 543 ZPO die Nichtigkeitsklage durch Beschluß zurückzuweisen (JBl.1954,98, Fasching, Kommentar IV 558, Anm.1 zu § 543 ZPO und derselbe in ZPR Rz 2091). Aus Anlaß der Revision war daher wie im Spruch zu erkennen. In analoger Anwendung des § 51 Abs.2 ZPO waren die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens (betreffend Berufung und Revision) gegenseitig aufzuheben.
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