Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.858,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Umsatzsteuer und keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte unternahm am 1. Juli 1983 zusammen mit Franz S*** in Kottingbrunn einen Einbruchsversuch. Dabei kam es zur Abgabe von Schüssen, durch die Helmut W*** getötet wurde. Der Beklagte wurde rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, in Gesellschaft mit S*** als Beteiligter das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen sowie das Vergehen des unbefugten Besitzes und Führens einer Faustfeuerwaffe begangen zu haben. S*** und der Beklagte kannten sich seit ca. 12 Jahren. Sie kamen überein, sich durch Einbruchsdiebstähle Geld zu verschaffen. S*** stahl zu diesem Zweck zunächst einen PKW, um diesen bei den Einbrüchen zu verwenden. Der Beklagte fuhr darin mit. Beim ersten gemeinsamen Einbruch am 30. November 1982 hatten die beiden noch keine Waffen mit. Bei einem Einbruch am 9. Dezember 1982 erbeuteten sie einen Revolver Smith & Wesson und einen Colt je mit Munition. Der Beklagte übernahm die erstgenannte Waffe, S*** behielt den Colt. Bei allen späteren Einbrüchen und Einbruchsversuchen waren der Beklagte und S*** damit bewaffnet. Die Waffen waren dabei geladen, jedoch gesichert. Der Beklagte hatte den Revolver auch sonst immer geladen bei sich; er war ein "Waffennarr" und machte auch Schießübungen.
Die von S*** und dem Beklagten besprochene Vorgangsweise bei den Einbrüchen war so, daß abseits gelegene, nach Möglichkeit unbewohnte Objekte gewählt wurden oder solche, in denen momentan niemand anwesend war. Hinsichtlich der erbeuteten Waffen war ausgemacht, daß diese zu den jeweiligen Einbrüchen mitgenommen werden. S*** sagte zum Beklagten, er nehme die Waffe mit, um allfällige Verfolger durch Warnschüsse abzuhalten. Der Beklagte sagte hierauf zu S***, er möchte den sehen, der ihm weiter nachrenne, wenn er in die Luft oder in den Boden schieße. Am 7. Jänner 1983 vor dem Einbruchsversuch bei W*** gab es keine neuerliche Absprache. Der Beklagte nahm jedoch an, S*** habe so wie er selbst die erbeutete Waffe eingesteckt. An diesem Tag nach 17 Uhr - es war schon dunkel - versuchten sie den Einbruch bei W***. Über Aufforderung des S*** legte sich der Beklagte auf einer Seite des Hauses im Garten auf die Lauer, um aufzupassen, ob jemand komme. Tatsächlich kam nach etwa einer Minute ein PKW, in dem sich Helmut W*** mit seiner Familie und einem Hund befand. Die Gattin W*** bemerkte als erste, daß ein Einbruch im Gange war. W*** kommandierte dem Hund "faß". Der Hund lief zum Beklagten und verbellte ihn. Hierauf sprang der Beklagte auf und über den Gartenzaun auf die Straße, um davonzulaufen. Der Hund verfolgte ihn und in einem Abstand von 2 bis 3 m auch Helmut W***. Der Beklagte gab zwei Schüsse in die Luft ab, um W*** und den Hund von der Verfolgung abzuschrecken. W*** blieb hierauf etwas zurück, während der Hund weiterhin versuchte, den Beklagten zu beißen. Nach zwei gezielten Schüssen blieb der getroffene Hund liegen. Unterdessen war S*** von der Eingangstür, die er aufzubrechen versucht hatte, weggeeilt. Er versuchte zuerst zum PKW zu laufen, änderte dann aber die Richtung und lief in die gleiche Richtung, in die sich der Beklagte entfernt hatte. Dabei wurde er von W*** bemerkt, der ausrief: "Da ist ja noch einer". Daraufhin zog S*** seine Waffe und gab zunächst etwa 3 m von W*** entfernt einen Schuß in den Boden ab. W*** leistete der Aufforderung des S***, zu verschwinden, nicht Folge, sondern ging auf S*** los. Hierauf gab S*** einen zweiten Schuß in Richtung W*** ab. Er wollte W*** nicht töten, nahm aber in Kauf, ihn zu treffen. Es kam zu einem Handgemenge, wobei S*** noch zwei Schüsse auf W*** abgab. Nach dem vierten Schuß (einem angesetzten Schuß) fiel W*** zu Boden. Er war insgesamt dreimal getroffen worden, wobei alle drei Schüsse für sich tödlich waren.
Grundsätzlich war es Plan und Absicht des Beklagten und des S***, zu flüchten, wenn sie bei einer Tat überrascht würden. Sollten sie überrascht werden, beabsichtigten sie, die mitgeführten Waffen zu verwenden, um etwaige Verfolger abzuschrecken. Sollte sich aber durch Abgabe solcher Schreckschüsse die Flucht nicht als möglich herausstellen, waren sie auch bereit und hatten sie die Absicht, mit diesen Waffen auf das Hindernis zu schießen. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin unter Hinweis auf die im § 12 OHilfeG (BGBl. 1972/288) normierte Legalzession vom Beklagten den Ersatz an die Witwe des W*** nach diesem Gesetz erbrachter Leistungen in der Höhe des Klagsbetrages; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten bezüglich aller künftig nach diesem Gesetz an die Witwe und den Sohn des W*** zu erbringenden Leistungen gerichtetes Feststellungsbegehren.
Die Klägerin stützte dieses Begehren im wesentlichen darauf, daß der Beklagte und S*** vorsätzlich und nach einem gemeinsamen Plan gehandelt hätten; nach den Vorschriften der §§ 1301, 1302 ABGB hafte daher auch der Beklagte für den durch den Tod des W*** eingetretenen Schaden. Der Höhe nach ist das Leistungsbegehren der Klägerin nicht mehr strittig; auch ihr Feststellungsinteresse bezüglich künftig an die Witwe des Getöteten zu erbringender Leistungen ist unbestritten.
Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, es sei richtig, daß er sich am 7. Jänner 1983 zusammen mit S*** in Kottingbrunn an einem bewaffneten Einbruchsversuch durch Leistung von Aufpasserdiensten beteiligt habe. Dabei habe er eine Waffe bei sich geführt. Er habe beabsichtigt, für den Fall, daß er überrascht werden sollte, in die Luft zu schießen, um einen allfälligen Widerstand zu überwinden oder zu verhindern. W*** sei nur durch die Schüsse des S*** getötet worden. Das Verhalten des Beklagten sei in keiner Weise ursächlich für den Tod des W*** gewesen. Eine Tötung des W*** durch vorsätzlich und gemeinschaftlich handelnde Täter liege nicht vor. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich dahin, die im § 1301 ABGB geforderte Gemeinschaftlichkeit zwischen dem Beklagten und S*** sei dadurch gegeben, daß vom Strafgericht bindend ausgesprochen worden sei, der versuchte Einbruchsdiebstahl bei W*** sei vom Beklagten in Gemeinschaft mit S*** und unter Mitführung von Waffen vorgenommen worden, um damit den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern, was S*** dann auch getan habe. Das Mitführen von Waffen, getragen von der gemeinsamen Absicht und Bereitschaft, sie zu verwenden, um den Widerstand einer Person zu überwinden, stelle eine psychische Solidarität und Beihilfe dar, die den §§ 1301 und 1302 zweiter SatzABGB unterstellt werden könne. Die Abgabe der Schüsse durch S*** auf W*** sei als vorsätzlich zu qualifizieren.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes in Ansehung des Feststellungsbegehrens bezüglich künftiger Leistungen der Klägerin an den Sohn des W*** im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab; im übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichtes. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, nicht S 300.000,-- übersteigt. Die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sei zulässig.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß der Zivilrichter nur an den verurteilenden Teil eines Straferkenntnisses gebunden sei. Er könne auch einen für den Verurteilten ungünstigeren Tatbestand als der Strafrichter annezmen. Wenn der Erstrichter im vorliegenden Fall festgestellt habe, daß der Beklagte und S*** - sollte sich herausstellen, daß durch Abgabe von Schreckschüssen (etwa in die Luft) die Flucht nicht ermöglicht werden könne - auch bereit gewesen seien und die Absicht gehabt hätten, mit ihren Waffen auf das Hindernis zu schießen, widerspreche dies nicht der Vorschrift des § 268 ZPO.
Es sei davon auszugehen, daß der Beklagte und S*** übereingekommen seien, sich durch Einbruchsdiebstähle Geld zu verschaffen, die bei einem Einbruch erbeuteten Waffen geladen und gesichert zu den jeweiligen Einbrüchen mitzunehmen und, sollte sich durch Abgabe von Schreckschüssen eine Flucht nicht als möglich herausstellen, auch bereit gewesen seien und die Absicht gehabt hätten, mit diesen Waffen auf ein Hindernis zu schießen. Durch diesen gemeinsamen Entschluß bzw. Plan stehe jeder der beiden Beteiligten auch mit dem Schaden in Beziehung, den der andere unmittelbar angerichtet habe. Entscheidend sei, daß der Beklagte und S*** eine allenfalls erforderlich werdende Flucht nicht nur durch Schüsse in die Luft oder in den Boden, sondern auch durch solche auf das Hindernis durchzusetzen bereit gewesen seien. Da dieses Einverständnis gegeben gewesen sei, sei auch das Verhalten des Beklagten für den Schaden ursächlich geworden, denn er habe durch seine Teilnahme am gemeinsamen Plan zu dessen Ausführung mittelbar beigetragen; er müsse daher für die daraus entstandenen Folgen einstehen.
Die Abgabe der Schüsse auf W*** - der letzte Schuß war angesetzt - sei vorsätzlich erfolgt. Gemäß §§ 1301, 1302 zweiter SatzABGB hafte der Beklagte daher mit S*** zur ungeteilten Hand. Das OHilfeG sehe Leistungen an Kinder eines Getöteten unter anderem bis zum 18. Lebensjahr und bei Schul- oder Berufsausbildung längstens bis zum 26. bzw. 27. Lebensjahr vor. Der Sohn des Getöteten sei selbsterhaltungsfähig. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Aufwendungen hinsichtlich des Sohnes des Getöteten sei daher zu verneinen. Das diesbezügliche Feststellungsbegehren sei daher abzuweisen, während das übrige Klagebegehren berechtigt sei. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die Bejahung der Kausalität und Mithaftung des Beklagten für den vom Komplizen verursachten Schaden in Fällen wie dem vorliegenden noch nicht genügend ausgeforscht erscheine.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie in ihrem klagsstattgebenden Teil aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichtes Folge gegeben werde"; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.
Der Beklagte behauptet das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, führt aber nicht aus, welcher der drei in dieser Gesetzesstelle angeführten Tatbestände seiner Meinung nach vorliegen soll. Tatsächlich erschöpfen sich die Ausführungen des Beklagten zu diesem Revisionsgrund in im Revisionsverfahren unzulässigen Angriffen auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist weder so mangelhaft, daß seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte, noch ist es mit sich selbst im Widerspruch noch sind für die Entscheidung keine Gründe angegeben. Die vom Beklagten behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt daher nicht vor.
Soweit der Beklagte versucht, seiner Rechtsrüge einen anderen als den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt zu unterstellen, ist sein Rechtsmittel nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, erweist sich die Rechtsrüge als unberechtigt.
Gemäß § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u.dgl. dazu beigetragen haben. Gemäß § 1302 ABGB haften in einem solchen Falle, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt worden ist, alle für einen und einer für alle.
Solidarhaftung der Mitwirkenden tritt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung bei vorsätzlichem gemeinschaftlichen Handeln unabhängig davon ein, welcher der Mitwirkenden den Erfolg letztlich unmittelbar herbeiführte (siehe dazu Bydlinski in JBl 1959, 11 f;
Koziol, Haftpflichtrecht2 I 297 f; SZ 13/193; EvBl 1958/162;
EvBl 1968/358; SZ 43/141; JBl 1986, 579 mwN). Die Möglichkeiten der Mitwirkung anderer an einem von einer Person verursachten Schaden sind im § 1301 ABGB nicht erschöpfend aufgezählt. Dieser Bestimmug ist auch jedes psychische Zusammenwirken zu unterstellen, das einen Kausalitätsverdacht begründet, der in Verbindung mit dem schweren Grad des Verschuldens, nämlich Vorsatz, ausreicht, den in dieser Weise Beteiligten haftbar zu machen; er wäre nur freizustellen, wenn er beweisen könnte, daß sein Verhalten keine conditio sine qua non für den Schadenseintritt war, daß also der andere auch ohne psychische Unterstützung den Schaden herbeigeführt hätte (Koziol aaO 297; ähnlich Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1302).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatten der Beklagte und S*** den gemeinsamen Plan, sich erforderlichenfalls den Fluchtweg freizuschießen; die Abgabe der tödlichen Schüsse auf W*** durch S*** erfolgte vorsätzlich. Das in der Fassung des gemeinsamen Planes gelegene psychische Zusammenwirken rechtfertigt es unter diesen Umständen im Sinne obiger Rechtsausführungen, den Beklagten mit der Haftung für den von S*** unmittelbar verursachten Schaden zu belasten. Daß S*** auch ohne die psychische Unterstützung des Beklagten den Schaden herbeigeführt hätte, wurde weder behauptet noch bewiesen (vgl. SZ 13/193).
Das Urteil des Berufungsgerichtes entspricht somit der Sach- und Rechtslage. Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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