OGH 8Ob529/84

OGH8Ob529/8414.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton L*****, vertreten durch Dr. Brigitta Weis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Elfriede L*****, vertreten durch Dr. Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 126.000,‑ ‑ S) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1983, GZ 43 R 2080/83‑30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom (richtig) 31. Jänner 1983, GZ 6 C 11/82‑16, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00529.840.0214.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

Mit Vergleich vom 27. 10. 1972 verpflichtete sich Anton L*****, seiner Ehefrau Elfriede L***** ab 1. 1. 1973 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der Höhe von 2.400 S 12mal jährlich wertgesichert zu bezahlen und ihr an Kosten des von ihr eingeleiteten Unterhaltsprozesses den Betrag von 4.200 S zu ersetzen (31 C 634/72 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien). Am 22. 12. 1978 schlossen die Streitteile in dem von Elfriede L***** gegen ihren (nunmehr) geschiedenen Ehegatten eingeleiteten Verfahren 28 C 1142/78 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien einen Vergleich, in dem 1.) festgestellt wurde, daß der monatliche Unterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin Anton L*****s auf Grund des zu 31 Cg 634/72 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien am 27. 10. 1972 abgeschlossenen Vergleiches durch die zwischenzeitig eingetretene Valorisierung ab Dezember 1978 3.537 S monatlich beträgt und daß derzeit ein Unterhaltsrückstand von 99.400 S und an kapitalisierten Wertsicherungsbeträgen von 46.558 S, somit insgesamt 145.958 S unberichtigt aushaftet und sich 2.) der Beklagte verpflichtete, der Klägerin beginnend mit 5. 1. 1979 einen Unterhalt von 3.000 S monatlich zu bezahlen; zur Abdeckung des bisher aufgelaufenen Unterhaltsrückstandes und der künftig aus dem Vergleich zu 31 C 634/72 fällig werdenden Wertsicherungsbeträgen und des monatlich laufenden weiteren Unterhaltsrückstandes trat der Beklagte unwiderruflich die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses zu der Ö*****-Aktiengesellschaft zustehenden Abfertigungsansprüche bis zur Höhe des dann aushaftenden gesamten Unterhaltsrückstandes an die Klägerin ab (Punkt 3.). Schließlich verpflichtete sich noch Anton L*****, die Gerichts- und Vergleichsgebühren zu tragen (Punkt 4.) und der Klägerin einen Kostenbeitrag von 3.000 S in Raten zu bezahlen (Punkt 5.).

Mit der am 23. 2. 1982 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen seine geschiedene Ehegattin eingebrachten Klage begehrte Anton L***** die Feststellung, daß der Anspruch der Beklagten ihm gegenüber aus dem gerichtlichen Vergleich vom 27. 10. 1972, AZ 31 C 634/72 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien sowie aus dem gerichtlichen Vergleich vom 22. 12. 1978, AZ 28 C 1142/78 desselben Gerichtes erloschen sei. Der Anspruch seiner geschiedenen Frau aus den genannten Unterhaltsvergleichen sei unwirksam, weil sich die Verhältnisse seit Vergleichsabschluß wesentlich geändert hätten; aus diesem Grund und auch infolge geänderter Gesetzeslage habe die Beklagte ihm gegenüber keinen Unterhaltsanspruch mehr. In der Tagsatzung vom 19. 5. 1982 änderte der Kläger das Klagebegehren im Sinne der Feststellung, daß der Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 22. 12. 1978, erloschen sei. Außerdem stellte er ein Eventualbegehren, wonach die „beklagte Partei“ schuldig sei, anstelle des mit Vergleich vom „22. 12. 1978, 30 C 1142/78“ festgehaltenen Unterhaltes von 3.000 S, nunmehr einen Unterhalt von 1.500 S der „Klägerin“ monatlich zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Haupt- und Eventualbegehrens, weil sich die Verhältnisse seit Vergleichsabschluß nicht wesentlich verändert hätten. Das dem Vergleich vom 22. 12. 1978 vorangegangene Verfahren habe lediglich der Durchsetzung der Unterhaltsbeiträge bzw. Valorisierungsbeträge aus dem Vergleich vom 27. 10. 1972 gedient. Im übrigen habe für die Berechnung des Unterhaltes der bisherige Vergleich als Anspruchsgrundlage weiter bestehen sollen.

Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch das Eventualbegehren ab.

Nachdem aus einer Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten bekannt geworden war, daß gegen den Kläger ein Exekutionsverfahren wegen Unterhaltsleistungen beim Bezirksgericht Floridsdorf anhängig ist, schaffte das Erstgericht diese Akten bei und traf daraus im wesentlichen folgende Feststellungen:

Am 19. 2. 1982 wurde vom Bezirksgericht Floridsdorf der nunmehrigen Beklagten auf Grund des Vergleiches vom 22. 12. 1978 „30 Cg 421/78 dieses Bezirksgerichtes Floridsdorf“ (richtig: 22. 12. 1978, 30 C 1142/78 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) wider den nunmehrigen Kläger die Exekution zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 6.000 S aus rückständigem Unterhalt für Jänner und Februar 1982 und 3.000 S monatlich Unterhalt ab 1. 3. 1982 die Gehaltsexekution von Dienstbezügen bewilligt. Die vorliegende Klage wurde am 23. 2. 1982 eingebracht.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der Titelschuldner, wenn er behaupte, der Anspruch sei erloschen oder gehemmt, dies durch eine Klage (§ 228 ZPO) solange feststellen lassen könne, als auf Grund des vollstreckbaren Titels noch nicht Exekution bewilligt worden sei. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung werde, sofern der Titelgläubiger diese Rechtslage bestreite, immer gegeben sein; denn es könne dem Titelschuldner nicht zugemutet werden, es auf eine Exekution ankommen zu lassen und dann erst vielleicht einen Oppositionsprozeß zu führen. Nach Bewilligung der Exekution sei jedoch nur die Klage nach § 35 EO, nicht mehr jedoch die Feststellungsklage wegen Erlöschens des Anspruches zulässig. Da die vorliegende Klage nach Bewilligung der Exekution eingebracht worden sei, sei sie abzuweisen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ergänzte das erstgerichtliche Verfahren durch Verlesung des gesamten Exekutionsaktes des Bezirksgerichtes Floridsdorf (11 E 2528/72) sowie des Aktes 31 C 634/72 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien und traf daraus über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende Feststellungen:

Der Exekutionsbewilligungsbeschluß vom 19. 2. 1982 wurde der Gerichtskanzlei am selben Tag zur Ausfertigung übergeben; er wurde den Drittschuldnern (PVA der Angestellten Wien und Ö***** Aktiengesellschaft) und der verpflichteten Partei am 24. 2. 1982 zugestellt.

Der in der Berufung vorgetragenen Rüge, das Erstgericht hätte die vorliegende negative Feststellungsklage von Amts wegen in eine Oppositionsklage umdeuten oder den Kläger zu einer solchen Klagsänderung anleiten müssen, erwiderte das Berufungsgericht, daß der Kläger anwaltlich vertreten sei und daher die beiden Klagearten auseinanderhalten könne. Es habe daher keine Veranlassung zu einer Anleitung des Klägers in der nun gewünschten Richtung bestanden. Da der Kläger eindeutig eine Feststellungsklage erhoben und aufrecht erhalten habe, habe auch kein Grund für eine amtswegige Berichtigung des Klagebegehrens bestanden. Im übrigen könne sich die Anleitungspflicht (§ 432 ZPO) und die Erörterungspflicht (§ 182 Abs 1 ZPO) nie gegen den erklärten Willen der Partei richten. Es falle aber auf, daß das Klagebegehren seinem Wortlaute nach auf das Erlöschen sämtlicher Ansprüche aus dem Vergleich vom 22. 12. 1978 gerichtet sei, während nach der Klagserzählung offensichtlich nur der Punkt 2) jenes Vergleiches betroffen werden solle. Diese Unstimmigkeit wäre mit den Parteien zu erörtern gewesen, zumal auch das angefochtene Urteil in seinem Spruch darauf gerichtet sei, daß sämtliche Ansprüche der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei aus dem Vergleich vom 22. 12. 1977 (richtig: 1978) umfaßt werden. Da das angefochtene Urteil jedoch nur zum Punkt 2) dieses Vergleiches eine Begründung enthielte, sei schon aus diesem Grunde eine Aufhebung unvermeidlich gewesen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben, ob tatsächlich der gesamte Vergleich vom Klagebegehren umfaßt sei oder - wie es den Anschein habe - nur dessen Punkt 2). Das Erstgericht werde auf Grund der Ergebnisse dieser Erörterung die klagende Partei zu einer richtigen Fassung des Klagebegehrens anzuleiten haben (§ 182 Abs 1 und 2 ZPO).

Zur Frage, ob auf Grund der Exekutionsführung die vorliegende Feststellungsklage zulässig sei oder ob eine Oppositionsklage erhoben hätte werden müssen, führt das Berufungsgericht zunächst aus, daß hievon nur der Punkt 2) des genannten Vergleiches aus dem Jahre 1978 betroffen sein könnte. Sofern die anderen Ansprüche aus diesem Vergleich in Frage kämen, welche - dem Klagebegehren nach - von der Feststellungsklage umfaßt seien, stünde das zu 11 E 2528/82 des Bezirksgerichtes Floridsdorf geführte Exekutionsverfahren einer Klagsführung in Form einer negativen Feststellungsklage in keinem Fall entgegen. Der Berufungssenat vertrete jedoch die Auffassung, daß auch die bewilligte Gehaltsexekution der vorliegenden Feststellungsklage ihre Zulässigkeit nicht nähme, sofern nur der Punkt 2) des Vergleiches aus dem Jahre 1978 betroffen sei. „Für eine dahingehende Rechtsansicht sei eine Rechtfertigung nicht zu erkennen.“ Sie liege in niemandes wohlverstandenem Interesse und fordere in ihrer Konstruktion geradezu zum Widerspruch heraus. Einerseits werde sehr zu Recht gelehrt und judiziert, daß der Unterhaltsverpflichtete nicht warten müsse, bis gegen ihn eine Exekution eingeleitet sei, und er schon vorher eine negative Feststellungsklage erheben könne, anderseits könne der Gläubiger in jedem beliebigen Verfahrensstadium das gesamte Prozeßergebnis durch die Erwirkung einer Exekutionsbewilligung vernichten. Eine an sich sinnvolle Klagsführung unter dieses Damoklesschwert zu stellen, erscheine wohl nicht sachgerecht. Nicht erkennbar sei, welche zwingenden Gründe eigentlich für ein solches Ergebnis sprechen könnten. Vom Wegfall des Rechtsweges könne wohl nicht gesprochen werden. Sollte etwa der plötzliche Eintritt einer unheilbaren Zuständigkeit angenommen werden? Soweit es das Rekursgericht zu überblicken vermöge, sei in diesem Zusammenhange nie dargelegt worden, worin die Substanz der plötzlich nicht mehr gegebenen Zulässigkeit eigentlich gelegen sein sollte. Zwingende dogmatische Gründe für dieses Ergebnis seien nicht erkennbar. Die ersatzlose Vernichtung eines erarbeiteten Verfahrens, das bis zum Schlusse der mündlichen Streitverhandlung gediehen sein könne, um denselben Verfahrensstoff in einem anderen, im wesentlichen themengleichen Verfahren neu durchzuführen, ja es geradezu zu wiederholen, müsse als unökonomisch und jedermanns Interesse widerstreitend angesehen werden. Nicht nur, daß eine dogmatische oder eine zwingende oder gar wünschenswerte Notwendigkeit für das hier abgelehnte Ergebnis nicht zu erkennen sei, ergäbe sich auch vom Gesetzestext her keine Notwendigkeit für das hier abgelehnte Ergebnis. Insbesondere sei eine Ausschlußwirkung dem § 35 EO selbst nicht zu entnehmen. Soweit im Abs 1 ausgeführt werde, daß „zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde“, sei darin nur die naturgemäße zeitliche Umschreibung enthalten, nicht aber, daß darüber hinaus ein Angriff auf den Titel nicht stattfinden könne. Positivrechtlich spräche dagegen auch die Aufzählung der Bekämpfungsmöglichkeit der Titel im § 42 Abs 1 Z 1 EO die neben der Oppositionsklage (angeführt unter Z 5) aufgezählt seien.

Auch die gegebene Judikatur spräche für den hier vorliegenden Fall nicht zwingend für das vom Erstgericht gewonnene Ergebnis. Die vorliegende Judikatur sei, insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt, ab welchem eine Oppositionsklage erhoben werden könne und damit möglicherweise die Erhebung einer Feststellungsklage nicht mehr zulässig wäre, uneinheitlich (vgl. hiezu: § 35 EO: „Im Zuge des Exekutionsverfahrens“, Materialien zu den Zivilprozeßgesetzen I, S 475: „Im Zuge befindliches Exekutionsverfahren“; GlUNF 5216: „Vor Bewilligung der Exekution“; GlUNF 5284: „Exekution im Zuge“; SZ IX/28; „Einleitung der Exekution“; SZ 19/43: „Beantragung der Exekution“; ÖRZ 1961, 26: „Beginn der Exekution“; JBl 1956, S. 453: „Exekutionsführung“). Im übrigen sei nicht zu ersehen, daß durch die Schaffung des § 35 EO der Oppositionsklage eine Ausschlußwirkung in der Form habe eingeräumt werden sollen, daß ihre Zulässigkeit eine negative Feststellungsklage unzulässig machen würde. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Exekutionsordnung habe vielmehr davon ausgegangen werden können, daß der eine Rechtsbehelf nicht durch den anderen ausgeschlossen sei. Die Wortwahl des § 35 Abs. 1 EO „Im Zuge des Exekutionsverfahrens“ könne daher nicht dahin verstanden werden, daß hiedurch eine Feststellungsklage unzulässig wäre. Diese Wortwahl (vgl. Materialien zu den Zivilprozeßgesetzen I, S. 475 f.: Rechtsmittel gegen eine „Im Zuge befindliche Exekution“) habe vielmehr zum Ausdruck bringen sollen, daß es um einen Rechtsbehelf des Verpflichteten gehe. Dabei werde auch die im deutschen Bereich bestehende Streitfrage betreffend die örtliche Zuständigkeit für Feststellungsklagen eine Rolle gespielt haben (vgl. hiezu §§ 666 und 707 alte DZPO und RG 38, 428 und 45, 344). Die Wortinterpretation liefere also ebenso wie der historische Befund keine zwingenden Anhaltspunkte in der Weise, daß die Oppositionsklage eine negative Feststellungsklage unzulässig mache. Soweit ersichtlich, seien die ersten Entscheidungen in dieser Frage im Jahre 1910 ergangen. GlUNF 5216 gehe dabei davon aus, daß vor Bewilligung der Exekution eine Feststellungsklage zulässig sei, während GlUNF 5284 eine solche Feststellungsklage auch dann für zulässig hielte, wenn die Exekution im Zuge, dem Feststellungskläger aber noch nicht bekannt sei. Eben dieser Fall liege aber dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde. In der Folge sei in ZBl. 1926, Nr. 311, davon ausgegangen worden, daß für den Fall der Zulässigkeit der Oppositionsklage eine negative Feststellungsklage dann möglich sei, wenn ein „besonderes“ rechtliches Interesse vorliege, daß der Untergang des Anspruches ohne Rücksicht auf die geführte Exekution festgestellt werde. Diese Entscheidung (immer neu betriebene Unterhaltsraten betreffend) sei von Petschek dahingehend kritisiert worden, daß es kein „Drängen“ auf den Weg des Oppositionsprozesses geben solle und gebe. Petschek führe auch aus (ZBl. 1926, S. 868), daß das Gesetz zur Normierung einer Rangordnung keinen Anlaß gehabt habe, weil in Mühen und Kosten keiner dieser Rechtsbehelfe vor dem anderen etwas voraus habe. Das Berufungsgericht teile diese Auffassung. Unabhängig davon, wie das Konkurrenzverhältnis gesehen werde (vgl. SZ 9/28: solange eine Feststellungsklage anhängig ist, bedarf es keiner Oppositionsklage), sei davon auszugehen, daß eine zulässigerweise eingebrachte negative Feststellungsklage auch dann zulässig bleibe, wenn nach ihrer Einbringung eine Oppositionsklage zulässig geworden sei. Von einem Monopol der Oppositionsklage, welches die Feststellungsklage aufzähre, könne keine Rede sein (vgl. Petschek zu ZBl. 1938, Nr. 135). Berücksichtige man diese Umstände und die Tatsache, daß eine einheitliche Abgrenzung in zeitlicher Hinsicht den vorliegenden einschlägigen Entscheidungen nicht mit Deutlichkeit entnommen werden könne, so sei wohl der leitende Gedanke in den Vordergrund zu stellen, daß zunächst dem Kläger bei Einbringung der negativen Feststellungsklage bekannt sein müsse, ob ein Exekutionsverfahren anhängig sei. Die zu GlUNF 2584 geäußerten Überlegungen erschienen daher in der Richtung am sachgerechtesten, daß es darauf ankomme, ob dem Feststellungskläger die Exekution habe bekannt sein können (der Festlegung eines absoluten Zeitpunktes, wie etwa bei der Konkurseröffnung, bedürfe es im vorliegenden Falle nicht). Der Berufungssenat vertrete daher die Auffassung, daß die vorliegende Feststellungsklage zulässigerweise erhoben worden sei, weil dem Kläger erst einen Tag nach Erhebung der Feststellungsklage der Exekutionsbewilligungsbeschluß zugestellt worden sei. Damit sei die Feststellungsklage aber auch zulässig geblieben (vgl. Fasching III 53). Von diesen Überlegungen ausgehend sei eine Ergänzung des Beweisverfahrens nicht vermeidbar. Schließlich brachte das Berufungsgericht noch zum Ausdruck, daß die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO gegeben seien, weil der vorliegenden Rechtsfrage erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit zukomme und eine einheitliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diesen unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen sind bei ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, daß es sich bei der vorliegenden Klage um eine negative Feststellungsklage, gerichtet unter anderem auf die Feststellung des gänzlichen oder teilweisen Erlöschens eines Unterhaltsanspruches, über den ein Exekutionstitel vorliegt, handelt. Sie haben hiezu die Ansicht vertreten, daß eine solche nach Bewilligung einer Exekution im Hinblick auf die Bestimmung des § 35 EO nicht mehr zulässig sei, das Gericht zweiter Instanz allerdings mit der Modifikation, daß die Feststellungsklage noch so lange möglich sei, als der Kläger nicht von der Bewilligung der Exekution Kenntnis erlangt habe.

Die Ansicht, daß hier eine „gewöhnliche“ Feststellungsklage vorliegt, kann jedoch nicht geteilt werden. Gegenstand der vorliegenden Klage ist nach dem gesamten Vorbringen nur der titelmäßige Anspruch betreffend künftige Unterhaltsbeiträge. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann nicht angenommen werden, daß mit dieser Klage auch weitere Ansprüche aus dem Exekutionstitel betroffen sein sollten. Sollte der Kläger tatsächlich solche weiteren Ansprüche aus dem Exekutionstitel mit der vorliegenden Klage bekämpfen wollen, so müßte dem entgegengehalten werden, daß er diesbezüglich bisher überhaupt keine ein weiteres Begehren rechtfertigende Behauptungen aufgestellt hat.

Erfolgt eine Verurteilung zu künftigen Unterhaltsleistungen (§ 406 ZPO), so werden nachträgliche Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes von der Rechtskraft nicht erfaßt, weil sich die materielle Rechtskraft nur auf jene Sachlage bezieht, wie sie im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung vorlag. Solche Sachverhaltsänderungen ermöglichen vielmehr eine neue Klage ( Fasching , Lehrbuch, Rz 1531; SZ 40/120 u.v.a.) oder ‑ falls der Anspruch nicht auf den ordentlichen Rechtsweg gehört - einen neuen Antrag im Verfahren außer Streitsachen. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu die Ansicht vertreten, daß der Erfolg eines solchen Begehrens (Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung; allenfalls „auf Null“) einer teilweisen oder gänzlichen Aufhebung des der Exekution zugrunde liegenden Titels durch rechtskräftige Entscheidung im Sinne des § 39 Abs 1 Z 1 EO gleichkommt, sodaß die Exekution in analoger Anwendung dieser Bestimmung in Verbindung mit § 41 EO antragsmäßig einzuschränken oder einzustellen ist (EvBl 1975/124 = EFSlg 23.239; ebenso Fasching a.a.O.). Die in dieser - in einem Außerstreitverfahren ergangenen - Entscheidung vertretene Rechtsansicht, gilt für jede Art gerichtlicher Entscheidungen, somit auch für im Streitverfahren ergehende Urteile, die eine neue Regelung eines laufenden Unterhaltsanspruches wegen geänderter Verhältnisse zum Gegenstand haben. Diese Grundsätze sind sinngemäß auch dann anzuwenden, wenn es sich bei dem Exekutionstitel um einen Vergleich betreffend die im § 406 Satz 2 ZPO genannten Ansprüche handelt und die Anwendung der Umstandsklausel nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, weil auch die Bereinigungswirkung des gerichtlichen Vergleiches in geänderten Verhältnissen ihre Grenzen findet (vgl. Fasching II 966) und der Charakter des gesetzlichen Unterhaltsanspruches bei einer Unterhaltsvereinbarung über das Ausmaß einer durch das Gesetz begründeten Unterhaltspflicht erhalten bleibt. Da somit diese Klagen auf Aufhebung bzw. Teilaufhebung eines Exekutionstitels gerichtet sind, stellen sie sich nicht als „gewöhnliche“ Feststellungsklagen dar, sondern als besonderer Rechtsbehelf in bezug auf die Sonderregelung des § 406 Satz 2 ZPO. Ob bei der Geltendmachung eines solchen Begehrens (- nach Bewilligung einer Exekution zur Hereinbringung der titelmäßig geschuldeten Unterhaltsbeträge -) eine Konkurrenz zwischen einer „Herabsetzungsklage“ und der Oppositionsklage (§ 35 EO) besteht - wie dies Fasching annimmt ( Fasching , Lehrbuch, Rz 1532) - braucht hier nicht erörtert zu werden; denn mit der vorliegenden Klage wird nach dem gesamten Vorbringen und dem Klagebegehren die gänzliche oder teilweise Aufhebung des Exekutionstitels im Sinne der vorstehenden Ausführungen begehrt, was sich wohl schon daraus zweifelsfrei ergibt, daß der Kläger bei Erhebung der Klage von der Unterhaltsexekution auf Grund des bekämpften Titels gar keine Kenntnis hatte. Der Klagesführung stand daher die Bestimmung des § 35 EO nicht entgegen. Diese Ansicht hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig vertreten. Da das Erstgericht - von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend - es unterlassen hat, auf die vom Kläger behauptete Änderung der tatsächlichen Verhältnisse einzugehen, hat das Berufungsgericht zu Recht die Ergänzung des Beweisverfahrens als unvermeidlich erachtet, auf welche Entscheidung der Oberste Gerichtshof als bloße Rechtsinstanz auch keinen Einfluß nehmen könnte.

Damit erweist sich aber der Rekurs als unberechtigt.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte