Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird nicht Folge gegeben. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die im Punkt 2. angeordnete Räumung binnen vier Wochen zu erfolgen hat; im übrigen wird der rekursgerichtliche Beschluß bestätigt. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung
Die am 31. Juli 1960 zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 15. September 1983, 3 Cg 216/83-10, aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners rechtskräftig geschieden. Der Antragsgegner ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 205 KG Aigen mit dem darauf errichteten Wohnhaus Aigen Nr. 82.
Die Antragstellerin beantragte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens in der Weise, daß ihr an der bisherigen Ehewohnung in Admont, Aigen 82, das lebenslängliche Fruchtgenußrecht eingeräumt und dieses im Umfang eines lebenslänglichen kostenlosen Wohnrechtes ob der Liegenschaft EZ 205 KG Aigen Grundbuch Liezen intabuliert sowie, daß ihr der gesamte Hausrat zugewiesen werde. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrages. Nach verschiedentlichen Anordnungen im ersten und zweiten Rechtsgang, die im nunmehrigen Revisionsrekursverfahren nicht mehr relevant sind, gelangte das Erstgericht unter Berücksichtigung der vom Obersten Gerichtshof bestätigten Auffassung des Rekursgerichtes, wonach zunächst die Begründung eines schuldrechtlichen Verhältnisses der Nutzung des Hauses Aigen Nr. 82 zu erwägen sei, im dritten Rechtsgang zu folgendem Ergebnis:
Die Nutzung des Hauses Aigen 82 erfolgt im Rahmen eines Mietverhältnisses zwischen dem Antragsgegner als Bestandgeber und der Antragstellerin als Bestandnehmerin nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes. Das Erstgericht legte weiters den Mietzins unter Berücksichtigung verschiedentlicher Verhältnisse in diversem Umfang fest und verpflichtete den Antragsgegner, das Haus bis 1. Dezember 1985 zu räumen. Es traf hiezu nachstehende Feststellungen:
Die beiden volljährigen ehelichen Kinder Rudolf und Karin E***, die im Haus Admont, Aigen 82, wohnen, zahlen monatlich ein Kostgeld von je S 1.500,--. Karin E*** hilft ab und zu bei der Zahlung der Betriebskosten mit. Sie ist Vertragsbedienstete beim Land Steiermark, während Rudolf E*** jun. als Werksarbeiter in der V*** Alpine, Werk Liezen, arbeitet. Die Antragstellerin schläft derzeit mit ihrem Sohn Rudolf E*** im Parterre im kleinen Zimmer, während Karin E*** mit ihrer Tochter und ihrem jüngeren Bruder Markus in der Mansarde schläft. Das große Zimmer im ersten Stock sowie das Wohnzimmer im Parterre werden derzeit vom Antragsgegner benützt.
Am 4. Juli 1985 kam es neuerlich zu einer Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Da die vom Antragsteller bestellten Kohlen nicht im Stall deponiert werden konnten und vor diesem abgeladen wurden, beschimpfte und bespuckte er die Antragstellerin, die sich zurückzog, um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Es kommt allgemein nach wie vor zu Zwischenfällen zwischen den Streitteilen, sobald der Antragsgegner betrunken ist. Seit Jänner 1984 werden die Betriebskosten (Müllabfuhr, elektrische Energie, Wassergebühr und Haushaltsversicherung) mit Ausnahme der Grundsteuer und der Feuerversicherung von der Antragstellerin getragen. Die Klärgrube schöpft der Antragsgegner selbst aus. Die Betriebskosten betragen monatlich inklusive der Versorgung mit elektrischer Energie rund S 1.200,--. Für den Antragsgegner besteht derzeit die Möglichkeit, im Ledigenheim in absehbarer Zeit eine Garconniere zu bekommen, die allerdings von zwei Personen gemeinsam benützt werden muß. Dafür wird er monatlich rund S 2.400,-- zahlen müssen.
Von Jänner bis Juni 1985 verdiente der Antragsgegner unter Berücksichtigung aller aliquoten Anteile aus Urlaubsgeld, Weihnachtsremuneration und Treuegeld netto durchschnittlich S 14.477,12.
Rechtlich verwies das Erstgericht auf die bisherigen Verfahrensergebnisse der einzelnen Rechtsgänge, wonach davon auszugehen sei, daß der Antragstellerin die alleinige Nutzung des Hauses Admont, Aigen 82 zuzuweisen ist. Dies sei im gegebenen Fall durch die Begründung eines Mietverhältnisses zu verwirklichen, wobei der Mietzins so festzulegen sei, daß er den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin entspricht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners teilweise Folge und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in einzelnen hier nicht mehr relevanten Punkten und im besonderen auch dahin, daß die Nutzung des Hauses Aigen Nr. 82 im Rahmen eines Mietverhältnisses zwischen den Parteien erfolgt, traf aber nachstehende vom erstinstanzlichen Beschluß teilweise abweichende Anordnungen:
1.1. Das Mietverhältnis kann jederzeit einvernehmlich oder durch die Bestandnehmerin einseitig durch Kündigung aufgelöst werden.
1.2. Der Bestandgeber kann das Mietverhältnis nur aus wichtigen Gründen im Sinne des § 30 MRG aufkündigen. Als wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen (§ 30 Abs. 2 Z 13 MRG)
a) wenn die Bestandnehmerin sich wieder verheiratet oder eine Lebensgemeinschaft eingeht;
b) wenn die Bestandnehmerin das gesamte Haus oder einzelne Räume weitervermietet;
c) wenn der derzeit 10-jährige und im Hause wohnende eheliche Sohn des Bestandgebers und der Bestandnehmerin, Markus, geboren am 18. Februar 1975, selbsterhaltungsfähig wird oder das Haus Aigen 82 schon vorher verläßt und anderweitig seine Unterkunft nimmt;
d) beim Tod der Bestandnehmerin.
1.3. Der Mietzins beträgt, solange die Bestandnehmerin keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, monatlich S 100,-- und ist erstmals mit dem auf die tatsächliche Räumung des Hauses durch den Bestandgeber folgenden Monatsersten fällig, künftig an jedem Ersten des Monats im vorhinein.
1.4. Nimmt die Bestandnehmerin eine Erwerbstätigkeit an, so erhöht sich der Mietzins auf 15 % ihres Jahresdurchschnittseinkommens einschließlich der eventuell vom Bestandgeber zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge. Dieser erhöhte Mietzins ist jährlich nachträglich zum 31. Dezember abzurechnen, wobei die Bestandnehmerin monatlich vorschüssig 15 % ihres monatlichen Nettoeinkommens (einschließlich allfälliger Unterhaltsleistungen) zu bezahlen hat.
1.5. Die für das Haus 8911 Admont, Aigen 82, anfallenden Betriebskosten i.S. des § 21 Abs. 1 MRG (z.B. Wassergebühr, Gebühren für Rauchfangkehrung, Kanalräumung, Unratabfuhr), jedoch mit Ausnahme der in Zahl 4 bis 6 dieser Bestimmung genannten Kosten, trägt die Bestandnehmerin zur Gänze, wobei die Abrechnung durch eine Jahrespauschalverrechnung (§ 21 Abs. 3 MRG) erfolgt.
1.6. Die von der Liegenschaft EZ 205 KG Aigen Grundbuch Liezen zu entrichtenden öffentlichen Abgaben (§ 21 Abs. 2 MRG, z.B. Grundsteuer), sowie die Kosten für allfällige Versicherungen gemäß § 21 Abs. 1 Z 4 bis 6 MRG (z.B. Feuer-, Haftpflicht-, Sturmschadenversicherung) trägt der Bestandgeber zur Gänze.
1.7. Die Möglichkeit eines Eintrittsrechtes beim Tod der Bestandnehmerin (§ 14 MRG) wird ausdrücklich ausgeschlossen.
2.) Rudolf E*** ist verpflichtet, die bisherige Ehewohnung in 8911 Admont, Aigen 82, bis spätestens 1. Dezember 1985 zu verlassen und sie Hildegard E*** geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben; dies alles bei sonstiger Exekution.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung in den hier relevanten Punkten dahin, daß die Rechtsposition der Antragstellerin durch ein grundsätzlich unbefristetes Mietverhältnis, das aus bestimmten Gründen aufgekündigt werden kann, besser gesichert sei, als durch ein von vornherein befristetes Mietverhältnis. Die Antragstellerin selbst habe ihre Wiederverheiratung bzw. das Eingehen einer Lebensgemeinschaft als Kündigungsgrund akzeptiert. Der minderjährige Markus werde im Jahr 1994 das 19. Lebensjahr vollenden. Würde man der Antragstellerin ein vollkommen unbefristetes Wohnrecht einräumen, so wäre der Antragsgegner gezwungen, bis zu ihrem Tod bzw. ihrer Wiederverheiratung zu warten, bevor er das von seinen Eltern ererbte Haus beziehen kann. Eine solche Regelung - der Antragsgegner sei 48 Jahre alt, die Antragstellerin 44 Jahre - würde den Antragsgegner unbillig stark und lange belasten. Auch wenn man der Antragstellerin auf Grund des unleidlichen Verhaltens des Antragsgegners und auf Grund des gerichtsbekannten Umstandes, daß sie derzeit mit dem minderjährigen Markus in Admont keine Wohnung finden würde, ein Wohnrecht am Haus einräumt, so stellten sich diese Argumente, "nachdem der minderjährige Markus selbsterhaltungsfähig geworden ist oder das Haus Aigen 82 schon vorher verläßt und anderweitig Unterkunft nimmt", als nicht mehr so schwerwiegend dar, daß der Antragstellerin nicht zugemutet werden könnte, sich um eine andere Wohnung umzusehen, wie dies der Antragsgegner bereits jetzt tun müsse. Der Räumungstermin sei mit 1. Dezember 1985 zu belassen, weil sich das Verfahren ohnehin schon seit mehr als zwei Jahren hinzieht und dem Antragsgegner zugemutet werden kann, sich nunmehr um eine Wohnung umzusehen, dies umso mehr, als ihm von seinem Dienstgeber, wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, eine konkrete Wohnmöglichkeit angeboten werde.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Punkt 1.2.c) dahin abzuändern, daß dieser zu entfallen habe. Auch der Antragsgegner erhebt Revisionsrekurs, in welchem er die Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses dahin beantragt, daß ihm ein Zimmer im Haus zur Nutzung überlassen und der Räumungstermin erst mit spätestens 1. Dezember 1986 festgesetzt werde. Auch die Kostenentscheidung wird bekämpft und hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt.
In den Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Parteien, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
1.) Zum Revisionsrekurs der Antragstellerin:
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof in seinem den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes bestätigenden Beschluß 8 Ob 525/85 darlegte, blieb die abschließende Rechtsgestaltung des vom Rekursgericht in Erwägung gezogenen Nutzungsrechtes der Antragstellerin am Haus Aigen 82 den Ergebnissen des nächsten Rechtsganges vorbehalten. Im Gegensatz zum Erstgericht erachtete es das Rekursgericht darnach als unbillig, wenn der Antragstellerin ein lebenslanges Mietrecht an dem vom Antragsgegner von seinen Eltern ererbten Haus eingeräumt bliebe. Diese Auffassung wird zwar von der Antragstellerin als äußerst unbillig bezeichnet; sie trägt aber den rechtlichen Verhältnissen am Haus ebenso Rechnung wie der Tatsache, daß für die Dauer des Heranwachsens des jüngsten Sohnes der Streitteile unter Berücksichtigung der übrigen familiären Verhältnisse eine kontinuierliche und gedeihliche Entwicklung des Familienlebens der Antragstellerin und ihrer das Haus mit ihr teilenden ehelichen Kinder gewahrt bleibt. Dies entspricht dem bereits in SZ 53/81 herausgearbeiteten Grundsatz, daß bei der vorzunehmenden Rechtsgestaltung alle vorhersehbaren künftigen Interessenlagen in die Billigkeitserwägungen miteinzubeziehen sind. Auch wird damit auf das Wohl der Kinder ebenso Bedacht genommen, wie dem Umstand Rechnung getragen, daß nach dem Abschluß der abzusehenden familiären Entwicklung das Haus des Antragsgegners wiederum in sein freies Verfügungsrecht gelangen kann. Der Antragstellerin bleibt Gelegenheit genug, die Entwicklung ihrer Lebensverhältnisse unter Einbeziehung ihrer Unterhaltsrechte gegenüber dem Antragsgegner zeit- und wunschgerecht zu steuern. Ihre entgegenstehenden Ausführungen sind daher nicht stichhältig, weshalb ihrem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen war.
2.) Zum Revisionsrekurs des Antragsgegners:
Der Antragsgegner zieht die Feststellung der Vorinstanzen in Zweifel, daß er in absehbarer Zeit wohnversorgt sein kann. Er wirft die allgemein prekäre Lage bei der V*** in die Waagschale und folgert daraus, daß seine Wohnversorgung in Zukunft "fast als ausgeschlossen bezeichnet werden" müsse. Den Parteien ist es jedoch verwehrt, im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens im Revisionsrekurs Neuerungen geltend zu machen (EFSlg. 47.395 u.a.). Ebenso ist die Bekämpfung der tatsächlichen Grundlagen, von denen die Vorinstanzen ausgingen, im Revisionsrekursverfahren ausgeschlossen (SZ 54/149; 8 Ob 586/85 u. z.a.). Geht man aber von den getroffenen Feststellungen aus, bestehen aus dem Gesichtspunkt der Wohnversorgung des Antragsgegners keine Bedenken gegen die rekursgerichtliche Entscheidung. Es ist aber zu berücksichtigen, daß bei Aufrechtbleiben des von den Vorinstanzen festgesetzten Räumungstermines der Antragsgegner sofort nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung (§ 233 AußStrG) aus dem Haus ausziehen müßte; dies würde einerseits eine durchaus vermeidbare Härte bedeuten und wäre andererseits nicht geeignet, das ohnedies angespannte Verhältnis zwischen den Parteien in zweckdienlicher Weise zu entschärfen. Demgemäß erscheint es den erhobenen Verhältnissen am besten angepaßt, den Räumungstermin, bis zu welchem der Antragsgegner aus dem Haus auszuziehen hat, wie im Spruch festzusetzen. Dagegen, daß ihm weiterhin die Nutzung eines Zimmers im genannten Haus eingeräumt bleiben möge, haben die Vorinstanzen begründete Bedenken geäußert. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, wonach sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten insbesondere dann möglichst wenig berühren sollen, wenn zwischen ihnen - wie im vorliegenden
Fall - tiefgreifende persönliche Differenzen bestehen (RZ 1983/16 S 66; 8 Ob 525/85 u.a.).
Soweit sich der Antragsgegner schließlich gegen die Kostenentscheidung des Gerichtes zweiter Instanz wendet, ist ihm zu erwidern, daß § 232 Abs. 2 AußStrG keinen Weg zu deren Anfechtung eröffnet (SZ 54/149; EFSlg. 47.403 u.z.a.). Seinem Revisionsrekurs war somit - von der Festsetzung des endgültigen Räumungstermines abgesehen - der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die gegenseitige Kostenaufhebung des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 234 AußStrG.
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