European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00503.85.0425.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit den Beschlüssen P 23/70‑49 und 55 setzte das Erstgericht die Alois und Anton S* gewährten Unterhaltsvorschüsse rückwirkend herab und stellten sie in der Folge ein. Diese Beschlüsse wurden vom Rekursgericht bestätigt. Mit den Beschlüssen ON 63 und 64 stellte das Erstgericht fest, daß Alois S* S 4.450,‑ und Anton S* S 11.200,- an Unterhaltsvorschüssen zu Unrecht bezogen hätten. Es wurde ihnen der Auftrag erteilt, den Übergenuß in Teilbeträgen rückzuerstatten. Die Erhebungen hätten ergeben, daß Alois und Anton S* von der Lehrlingsentschädigung nur monatlich S 500,- zu ihrem Unterhalt beigesteuert hätten. Bei Alois S* hätten jedoch für den Unterhalt S 2.693,- bzw. S 2.743,-, bei Anton S* S 2.520,- bzw. S 3.216,- und S 3.361,- herangezogen werden müssen. Es gehe nicht an, daß der Großteil der Lehrlingsentschädigung für andere Zwecke verbraucht werde.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des als besonderer Sachwalter einschreitenden Jugendamtes Z* Folge. Es änderte die angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichtes dahin ab, daß es feststellte: Ein Anspruch auf Ersatz der Vorschüsse, die zu Unrecht von Alois S* für die Monate August 1982 bis August 1983 mit S 4.450,‑ und von Anton S* für die Monate Juli 1981 bis August 1983 mit S 11.200,‑ bezogen wurde, besteht nicht. Das Rekursgericht vertrat folgende Auffassung:
Unbestritten seien Vorschüsse zu Unrecht gezahlt worden. Die rückwirkende Herabsetzung habe dies mit sich gebracht. Nach § 22 UVG seien solche zu Unrecht gezahlte Vorschüsse vom Kind zurückzuzahlen, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verbraucht wurden. Im vorliegenden Fall sei nach den Angaben der Mutter von einem solchen Verbrauch auszugehen. Eine subsidiäre Ersatzpflicht nach § 22 Abs. 1 UVG sei mangels entsprechender Voraussetzungen auszuschließen.
In dem dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz erhobenen Revisionsrekurs wird dahin argumentiert, daß Alois und Anton S* im fraglichen Zeitraum bereits selbsterhaltungsfähig waren, weshalb Unterhaltsvorschüsse begrifflich nicht mehr für den Unterhalt der Kinder verwendet werden konnten. Darüber hinaus sei zu prüfen, ob nicht die Mutter oder das Jugendamt eine gröbliche Vernachlässigung der Mitteilungspflicht treffe. Es werde daher die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes beantragt. Dazu war zu erwägen:
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil die Beschränkung des Rechtsmittelzuges durch § 15 Abs. 3 UVG nicht für Beschlüsse über den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gilt; solche Beschlüsse sind vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG anfechtbar (JBl. 1980, 209; RZ 1979/60, S 207; 1 Ob 665, 682, 683/81; 6 Ob 520/82 auch SZ 52/69 ua). Vor der sachlichen Behandlung des Rechtsmittels war jedoch noch zu prüfen gewesen, ob der minderjährige Alois und der erst im Zuge des Verfahrens großjährig gewordene Anton S* rechtswirksam vertreten waren. Diese Frage wurde dadurch geklärt, daß der inzwischen großjährig gewordene Anton S* nachträglich das Verfahren über die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses genehmigte (ON 75) und für den mj. Alois S* Johann B* zum Kollisionskurator bestellt wurde, der sich ebenfalls mit dem bisherigen Verfahren über die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses einverstanden erklärte (ON 76).
Im übrigen war zu erwägen:
Die von dem Revisionsrekurswerber herangezogene Judikatur EFSlg. 39.014 ua, daß nach dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu Unrecht bezogene Unterhaltsvorschüsse auf keinen Fall „für den Unterhalt des Kindes“ im Sinne des § 22 Abs. 1 UVG verbraucht werden konnten, läßt sich – wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (3 Ob 548/84; 3 Ob 551/84 ua) mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers (RV 5 BlgNR XIV. GP zu § 22 UVG) nicht vereinen. Danach sollten zu Unrecht bezogene Vorschüsse dann nicht erstattet werden müssen, wenn sie wie ein irrtümlich bezahlter Gehalt oder Ruhegenuß redlich verbraucht wurden. Da in den in der Regierungsvorlage dazu zitierten Entscheidungen SZ 13/262 und EvBl. 1965/2 (ähnlich auch seither Lehre und Rechtsprechung z.B. Wachter in Strasser FS 179 oder EvBl. 1984/69), darauf abgestellt wird, daß der Empfangsberechtigte durch den Überzug zur erhöhten Ausgabe veranlaßt wird, führt nicht nur der gutgläubige Verbrauch zu Beträgen, die dem notwendigen Mindestunterhalt entsprechen, sondern jeder gutgläubige Verbrauch zu Unterhaltszwecken schlechthin zum Ausschluß der Kondiktion. Dem Gesetzgeber kann also nicht unterstellt werden, daß er hier von einem Regelunterhalt oder den Rentenrichtsätzen ausgehen wollte.
Im vorliegenden Fall mußte den Kindern bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin nicht schon auf Grund offenkundiger Umstände auffallen, daß keinesfalls mehr ein Unterhaltsvorschuß gebühren könne. Gerade Lehrlingsentschädigungen dienen auch der Abdeckung der Kosten der Berufsausbildung. Ein Lehrling gilt nach allgemeinem Urteil noch nicht als voll selbsterhaltungsfähig. Ein Laie kann daher nicht annehmen, daß ihm ab einer bestimmten Höhe der Lehrlingsentschädigung auf keinen Fall mehr zusätzlich noch ein paar hundert Schilling Unterhaltsvorschuß gebühren können (3 Ob 551/84 ua). Zutreffend ging das Rekursgericht daher davon aus, daß eine Rückzahlungspflicht bezogener und verbrauchter Unterhaltsvorschüsse von Anton und Alois S* nicht besteht. Mit Recht verwies das Gericht zweiter Instanz darauf, daß für Unterhaltszwecke sowohl die monatlichen Zahlungen von S 500,‑ an Unterhaltsvorschuß als auch der monatliche Beitrag jedes Lehrlings von S 500,‑ verwendet worden seien; mit diesen Beträgen hätten die Unterhaltsbedürfnisse jedoch nicht gedeckt werden können. Es ist daher davon auszugehen, daß mit dem Rest der Lehrlingsentschädigung ein weiterer wesentlicher Teil des Unterhaltsbedarfes von den Lehrlingen selbst bestritten wurde. Es bleibt daher zu untersuchen, ob die Mutter oder die Bezirksverwaltungsbehörde wegen Verletzung einer Mitteilungspflicht zum Ersatz heranzuziehen sind. Gemäß § 22 Abs. 1 UVG tritt die Haftung der genannten Personen nur ein, wenn diese die Gewährung der Vorschüsse durch unrichtige Angaben im Antrag oder durch Verletzung der Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig veranlaßt haben. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und damit auffallender Weise vernachlässigt wurde, wenn also ein Versehen gegeben ist, das mit Rücksicht auf die Schwere und Häufigkeit nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorkommt (EvBl. 1979/235).
Bei der Mutter scheidet grobe Fahrlässigkeit schon nach den obigen Darlegungen von vornherein aus. Im übrigen ist davon auszugehen, daß das Erstgericht durch die am 14. 12. 1982 bei ihm eingelangte Mitteilung des Bezirksjugendamtes Kenntnis davon erlangte, daß Anton und Alois S* entsprechende Lehrlingsentschädigungen erhalten (AS 99 ff), weshalb eine zusätzliche Verpflichtung der Mutter, ebenfalls nach § 21 UVG vorzugehen, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bestand (vgl. 1 Ob 682/80 = EFSlg. 36.580; 2 Ob 521/84 ua). Es bestand aber auch keine weitere Verpflichtung des Jugendamtes, das Gericht auf den bereits mitgeteilten Einstellungsgrund hinzuweisen. Im übrigen kann der Bezirksverwaltungsbehörde auch hinsichtlich der relativ kurzen vor dem 14. 12. 1982 liegenden Zeitspanne nicht grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Sie konnte immerhin davon ausgehen, daß die sehr niedrigen Unterhaltsbeträge auch noch nach Beginn der beiden Lehrverhältnisse zusätzlich zu den Lehrlingsentschädigungen gebührten, und sie konnte weiter annehmen, daß das Gericht allenfalls von sich aus eine Erhebung über eine allfällige Lehrlingsentschädigung durchführen werde. Dazu kommt, daß die Kinder durch die Berufsausbildung erhöhte Auslagen hatten, so daß die Bezirksverwaltungsbehörde noch nicht ungewöhnlich nachlässig handelte, wenn sie nicht sofort eine Meldung an das Gericht erstattete, obschon dies für ein Amt grundsätzlich nicht unzumutbar wäre und im § 21 UVG durchaus davon ausgegangen wird, daß dem Gericht unverzüglich jeder Grund für eine Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse mitzuteilen ist. Es läge daher hier allenfalls Fahrlässigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde, jedenfalls aber keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.
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