European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00042.840.0906.000
Spruch:
a) Die Revision der Beklagten wird – soweit sie sich gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils im Betrag von 105.143,49 S sA richtet – zurückgewiesen;
b) Der Revision des Zweitklägers wird insoweit Folge gegeben, als der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens von 4 % vom 1. Dezember 1980 bis 25. Jänner 1982 hinsichtlich des Betrags von 238.248,56 S aufgehoben und dem Gericht erster Instanz die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen wird; insoweit sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Die restliche Abweisung des 4%igen Zinsenbegehrens vom 1. Dezember 1980 bis 25. Jänner 1982 bleibt als unbekämpft unberührt;
2.) zu Recht erkannt:
Im Übrigen wird den Revisionen des Zweitklägers und der Beklagten nicht Folge gegeben und das Teilurteil des Berufungsgerichts bestätigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin wurde bei dem am 22. Mai 1980 von F***** verschuldeten Verkehrsunfall in L***** schwer verletzt.
Der Zweitkläger machte verschiedene, ihm von der Erstklägerin abgetretene Ersatzansprüche gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des von F***** gelenkten PKWs geltend, worunter ein Schmerzengeld von 280.000 S und Besuchskosten von 6.968 S enthalten waren. Die Erstklägerin hatte ein Feststellungsbegehren gestellt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wandte die mangelnde Aktivlegitimation des Zweitklägers ein und bestritt die erhobenen Ansprüche auch der Höhe nach.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren der Erstklägerin statt, sprach dem Zweitkläger den Betrag von 377.123,20 S sA zu und wies ein Mehrbegehren von 64.665 S sA ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und gelangte unter Hinweis darauf, dass die Entscheidung des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren und im abweisenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen rechtskräftig erledigt wurde, zu folgendem Teilurteil: Bestätigung des Zuspruchs des Betrags von 238.248,56 S sA, Abänderung durch Abweisung eines weiteren Betrags von 33.731,20 S sA, Abänderung eines 4%igen Zinsenbegehrens vom 1. Dezember 1980 bis 25. Jänner 1982 aus 398.940 S und Aufhebung hinsichtlich eines Betrags von 105.143,44 S sA. Dem Aufhebungsbeschluss wurde kein Rechtskraftvorbehalt angefügt.
Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richten sich die Revision des Zweitklägers und der Beklagten. Der Zweitkläger begehrt den Zuspruch weiterer 15.731,20 S sA im Bereich der vom Gericht zweiter Instanz diesbezüglich vorgenommenen Abänderung des Ersturteils und wendet sich teilweise auch gegen den abweisenden Zinsenausspruch. Der Beklagte beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde und inkludiert in sein Begehren nach dem Anfechtungsantrag ausdrücklich auch den aufhebenden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung in der Höhe von 105.143,49 S sA. Insoweit war jedoch die Revision mangels Rechtskraftvorbehalts gemäß § 519 Abs 1 Z 3 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Die Revisionen sind in der Hauptsache nicht berechtigt; im Zinsenausspruch erweist sich die Revision des Zweitklägers jedoch als gerechtfertigt.
Die Vorinstanzen gingen bei den hier noch relevanten Fragen von nachstehendem, im erstgerichtlichen Urteil im Detail dargestellten Sachverhalt aus:
Die Erstklägerin trat ihre Leistungsansprüche aus dem Unfall an den Zweitkläger ab (AS 256).
Die Erstklägerin erlitt beim Unfall ein Schädel‑Hirn‑Trauma im Sinne einer leichten Gehirnerschütterung mit einer Rissquetschwunde am Hinterhaupt, einen Zusammenstauchungsbruch des 1. und 2. Lendenwirbels mit vorübergehender Störung der Blasenentleerung und leichter Sensibilitätsstörung in der Analregion, Rissquetschwunden bzw tiefreichende Hautabschürfungen im Bereiche beider Kniegelenke und einen Bluterguss an der Außenseite des linken Hüftgelenks mit nachfolgendem „Serom“.
In den ersten Tagen nach dem Unfall bestanden starke Schmerzen, ebenso kurzfristig im Zuge der ersten Mobilisierungsversuche. Bei der Beurteilung der Schmerzperioden musste berücksichtigt werden, dass die Klägerin wochenlang flach im Bett liegen, strikte Bettruhe einhalten und danach noch etwa zwei Monate ein Stahlspangenmieder tragen musste. Zwischendurch und anschließend bestanden mittelgradige und leichtergradige Schmerzen mit abklingender Intensität. Zusammengefasst bestanden 15 Tage starke Schmerzen, 35 Tage mittlere Schmerzen und 120 Tage leichte Schmerzen.
Während der stationären Anstaltsaufenthalte wurde die Erstklägerin laufend von ihren Familienangehörigen besucht. Im L***** erfolgte dies täglich. Im R***** und im M***** wurde die Erstklägerin von ihrem Ehemann mit dem privaten PKW besucht, wobei sie dieser mehrere Male über das Wochenende heimbrachte und anschließend wieder zurückführte. Insgesamt absolvierte der Ehegatte der Erstklägerin mit seinem PKW zu Besuchszwecken eine Fahrstrecke von 3.656 km.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass die Aktivlegitimation des Zweitklägers infolge der Abtretung der Leistungsansprüche durch die Erstklägerin gegeben sei. Als Schmerzengeld hielt es den Betrag von 265.000 S für angemessen und gelangte zu Besuchskosten von 10.968 S.
Auch das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass aufgrund der getroffenen Feststellungen in Verbindung mit den Aussagen der Erstklägerin, der Verständigung von der Zession, dem Forderungsschreiben des Zweitklägers an die Beklagte und der Originalinkassozession die Aktivlegitimation des Zweitklägers unzweifelhaft gegeben sei. Als Schmerzengeld hielt das Berufungsgericht jedoch bloß einen Betrag von 250.000 S für angemessen. Von den Besuchsfahrten von 10.236,80 S sei überdies die Teilzahlung von 4.000 S abzuziehen, sodass nur der Betrag von 6.236,80 S gebühre. Da der Zweitkläger eine frühere Einmahnung der Schadenersatzforderungen nicht behauptet habe, und eine solche auch nicht festgestellt worden sei, gebührten nur Zinsen ab dem der Klagezustellung folgenden Tag.
1.) Zur Revision des Zweitklägers:
a) Der Zweitkläger erachtet ein Schmerzengeld von 265.000 S und nicht bloß von 250.000 S als angemessen. Das Berufungsgericht hat jedoch eingehend dargestellt, von welchen Grundsätzen es bei der Bemessung des Schmerzengeldes ausging. Es hat sich dabei an die ständige Judikatur gehalten, wonach das Schmerzengeld den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen erfassen soll. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes sind die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (8 Ob 127/83; 2 Ob 23/84 uza). Zutreffend ging das Gericht zweiter Instanz davon aus, dass bei Bedachtnahme auf die dargelegten Grundsätze und auf die in einzelnen Fällen bisher zugesprochenen Beträge den zwar schweren aber nicht übermäßig gravierenden Unfalls‑ und Verletzungsfolgen der Erstklägerin ein Schmerzengeld von 250.000 S angemessen ist.
b) Bei den zugesprochenen Besuchskosten bemängelt der Zweitkläger, dass die Berufung der Beklagten auf diese Schadenspost nicht gehörig eingegangen sei. Dies ist jedoch nicht richtig. Die Berufungsschrift enthält in AS 263 eingehende Ausführungen zu diesem Fragenkomplex, denen sich das Berufungsgericht hinsichtlich des Kilometergeldes, das in Rechnung zu stellen war, auch teilweise anschloss. Auch diese in Wirklichkeit eine Verfahrensrüge darstellenden Ausführungen der Revision sind daher nicht stichhältig (§ 510 Abs 3 ZPO).
c) Hinsichtlich der vom Gericht zweiter Instanz erst ab 26. Jänner 1982, dem Tag nach der Klagezustellung zugesprochenen Zinsen, rügt die Revision jedoch zu Recht, dass von Voraussetzungen ausgegangen worden wäre, die „in Widerspruch zu den Ergebnissen des Verfahrens erster Instanz stehen“ bzw das diesbezügliche Vorbringen des Zweitklägers zu Unrecht nicht berücksichtigten: Schon in der Klage (AS 6) wurde darauf verwiesen, dass die Beklagte am 26. November 1980 aufgefordert wurde, Schadenersatz zu leisten. Das Erstgericht unterließ es jedoch, diesbezüglich entsprechende Feststellungen zu treffen. Solche wird es aber schon deshalb nachzuholen haben weil nach ständiger Rechtsprechung der Anspruch auf die gesetzlichen Verzugszinsen lediglich objektiven Verzug, also kein Verschulden des Zahlungspflichtigen an der Verzögerung der Leistung voraussetzt ( Wolf in Klang 2 VI, 177; Koziol‑Welser 6 I 177, 190; HS 220; 4 Ob 40/83 uza). Dies hat zur Folge, dass sich das Erstgericht mit der Zinsenfrage im noch offen gebliebenen Umfang auseinanderzusetzen haben wird. Insbesondere werden Feststellungen zu treffen sein, ob und in welchem Ausmaß die eingeklagten Forderungsbeträge bereits vor der Klagezustellung eingemahnt wurden und welche Ersatzposten bzw Ersatzpostenteile etwa von einer solchen Mahnung betroffen wurden.
In der Hauptsache war der Revision des Zweitklägers jedoch der Erfolg zu versagen.
2.) Zur Revision der Beklagten:
a) Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten haben die Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt, dass die Erstklägerin ihre Ersatzansprüche (ausgenommen den bei ihr verbliebenen Feststellungsanspruch) aus dem Unfall an den Zweitkläger zum Inkasso abgetreten hat. Das Berufungsgericht verwies dabei auf die Aussage der Erstklägerin, auf die Verständigung von der Zession der Beklagten und auf das bereits oben behandelte Forderungsschreiben, dem auch die Originalinkassozession angeschlossen war. Dafür, dass die Zession – wie die Beklagte behauptet – nur erfolgte, um der Erstklägerin Zeugenstellung zu verschaffen, findet sich in den Feststellungen der Vorinstanzen kein Anhaltspunkt. Die Ausführungen der Revision zu diesem Punkt sind somit nicht stichhältig.
b) Die Beklagte strebt die Herabsetzung des Schmerzengeldes auf 200.000 S an. Sie vermag jedoch mit der Behauptung, dass den schweren Verletzungen der Erstklägerin psychogene Überlagerungen und eine Rentenneurose unterstellt werden müsste, kein Argument aufzuzeigen, das ihren Standpunkt stützt. Es gilt hier das gleiche wie bereits oben ausgeführt wurde, wonach die Verletzungen und die damit verbundenen Unbilden der Erstklägerin jedenfalls schwerer Natur, wenn auch nicht überaus gravierender Art waren. Das Berufungsgericht hat dem Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen der Erstklägerin mit der zuerkannten Summe zutreffend Rechnung getragen.
c) Die weiteren Ausführungen der Beklagten betreffen behauptete Verfahrensmängel, die nicht vorliegen, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO); oder sie beziehen sich auf den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts und sind daher im Hinblick auf die Unzulässigkeit seiner Bekämpfung nicht zu behandeln.
d) Gegen die Heranziehung des amtlichen Kilometergeldes als Richtlinie für die Ausmittlung der Besuchsfahrtenauslagen des Ehegatten der Erstklägerin durch das Berufungsgericht bringt die Beklagte vor, dass ihrem Zugeständnis nach nur ein Betrag von 2 S pro Kilometer anzunehmen sei. Dem ist zu erwidern, dass kein Grund dafür vorliegt, den gängigen Kilometerpreis im vorliegenden Fall niedriger einzuschätzen, als dies das Berufungsgericht unter Hinweis auf die amtlichen Richtlinien als Vergleichsbasis vorgenommen hat. Die gegenteiligen Ausführungen der Revision vermögen nicht zu überzeugen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der Beklagten war somit der Erfolg zur Gänze zu versagen.
Der Zurückweisungsbeschluss Punkt 1.)a) hatte keinen Kostenzuspruch zur Folge, weil die Gegenseite auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels in diesem Belang nicht hingewiesen hat. Die Kostenvorbehalte beruhen auf § 52 ZPO bzw §§ 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO.
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