OGH 8Ob41/23x

OGH8Ob41/23x27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des J*, wegen Bestellung eines Kollisionskurators, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kollisionskurators gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. März 2023, GZ 15 R 64/23x‑46, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00041.23X.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurswird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Aufgrund der Erbfolge nach seinem im Jahr 2019 verstorbenen Vater ist der Betroffene zu 1/3 Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Reihenhaus befindet. Die Mutter und gewählte Erwachsenenvertreterin des Betroffenen war aufgrund der Erbfolge zu 1/6 Eigentümerin dieser Liegenschaft, hat ihren Anteil aber bereits unentgeltlich an den Neffen des Verstorbenen übertragen. Dem Gericht wurde ein Kaufvertrag vorgelegt, mit welchem der Betroffene, vertreten durch die von ihm gewählte Erwachsenenvertreterin, seinen Liegenschaftsanteilan den Neffen des Verstorbenen zum Preis von 206.453,33 EUR überträgt, wie dies einer innerhalb der Familie im Jahr 2019 getroffenenmündlichen Vereinbarung entspricht.

[2] Das Erstgericht bestellte einen Kollisionskurator, weil angesichts der familiären Verflechtungen eine Interessenkollision vorliege. Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos auf, weil die Bestellung eines Kollisionskurators schon mangels Kollision im formellen Sinn unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs desKollisionskurators zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Der gewählte Erwachsenenvertreter ist nach § 1034 Abs 1 Z 3 ABGB gesetzlicher Vertreter. Nach § 277 Abs 2 ABGB ist ein Kurator zu bestellen, wenn die Interessen einer schutzberechtigten Person dadurch gefährdet sind, dass in einer bestimmten Angelegenheit ihre Interessen jenen ihres gesetzlichen Vertreters oder jenen einer ebenfalls von diesem vertretenen anderen schutzberechtigten Person widerstreiten (Kollision). Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Kollision im formellen und materiellen Sinn. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn der gesetzliche Vertreter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht (RIS‑Justiz RS0058177). Die Beurteilung der Frage, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators vorliegen, ist immer eine solche des Einzelfalls und bildet daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0127193).

[5] 2. Die vom Revisionsrekurswerber relevierte Frage, ob für die Bestellung eines Kollisionskurators eine Kollision im materiellen Sinn ausreicht, wurde von der Rechtsprechung bereits beantwortet. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass auch außerhalb von Doppelvertretung und Insichgeschäft bei Widerstreit mit einem unmittelbaren Eigeninteresse des gesetzlichen Vertreters das Vorliegen eines Kollisionsfalls gegeben sein kann (RS0058177 [T4, T8]). Eine solche Kollision kann sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzteres geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen (RS0058177). Das Rekursgericht hätte sich daher nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass keine formelle Kollision vorliege. Damit ist für den Revisionsrekurswerber aber nichts gewonnen.

[6] 3. Bis zum 2. Erwachsenenschutzgesetz war in § 271 Abs 2 ABGB noch ausdrücklich vorgesehen, dass kein Kollisionskurator zu bestellen ist, wenn eine Gefährdung der Interessen der schutzberechtigten Person nicht zu besorgen ist und die Interessen dieser Person vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können. Der Gesetzgeber des 2. Erwachsenenschutzgesetzes hat diesen Hinweis bei der Neuformulierung des § 271 ABGB nicht übernommen, weil es sich dabei lediglich um eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes handelt, dass bei fehlender Gefährdung kein Kollisionskurator zu bestellen ist, gleichzeitig aber auch darauf hingewiesen, dass eine Gefährdung auch weiterhin nicht vorliegt, wenn das Gericht die Interessen der vertretenen Person im Rahmen einer amtswegigen Prüfung ausreichend wahrnehmen kann (6 Ob 7/20b unter Verweis auf ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  48; Stefula in KBB7 § 277 ABGB Rz 7 ua). Da die Veräußerung des Liegenschaftsanteils nach § 167 Abs 3 iVm § 258 Abs 4 ABGB jedenfalls der Genehmigung des Gerichts bedarf, ist eine Gefährdung der Interessen des Betroffenen beim Verkauf des Liegenschaftsanteils im vorliegenden Fall auszuschließen, weshalb schon aus diesem Grund kein Kollisionskurator zu bestellen war, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts im Ergebnis nicht korrekturbedürftig ist.

[7] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte