Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit dem Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5.6.1984, S 37/84-1, der Anschlußkonkurs eröffnet. Gemäß § 78 Abs 2 KO wurden davon die Post- und Telegraphendirektion in Linz und das Post- und Telegraphenamt Steyr verständigt. In der Folge wurden sämtliche für die Gemeinschuldnerin bestimmte Postsendungen - soferne es sich nicht um gerichtliche oder sonstige amtliche Briefsendungen handelte, die mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung an die Gemeinschuldnerin trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen waren - dem Masseverwalter ausgehändigt.
Mit dem am 30.1.1989 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die Gemeinschuldnerin die Aufhebung der Postsperre. Sie brachte dazu im wesentlichen vor, daß fünf Jahre nach der Konkurseröffnung kein Grund mehr für die Postsperre bestehe, weil seit vier Jahren sämtliche Vermögenswerte der Gemeinschuldnerin "versilbert" seien.
Der vom Erstgericht zur Stellungnahme aufgeforderte Masseverwalter sprach sich gegen die Aufhebung der Postsperre aus, weil ohne sie eine ordnungsgemäße Abwicklung des Konkursverfahrens nicht gewährleistet sei. Bei Wegfall der Postsperre sei es fraglich, ob bestimmte Schriftstücke, insbesondere des Finanzamtes, unverzüglich an den Masseverwalter, weitergeleitet würden. Darüber hinaus seien in Ansehung der Konkursmasse noch Prozesse anhängig, wobei Zustellungen rechtswirksam nur an den Masseverwalter erfolgen könnten.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung der Postsperre ab. Es vertrat die Ansicht, daß die Sicherungsmaßnahme der Postsperre dem Masseverwalter ermöglichen soll, seinen Pflichten und Befugnissen nachzukommen und die ihm übertragene Geschäftsführung auszuüben. In erster Linie müsse der Masseverwalter selbst beurteilen können, ob die Sicherungsmaßnahme der Postsperre noch zweckdienlich sei oder nicht. Da sich der Masseverwalter gegen die Aufhebung der Postsperre ausgesprochen und dafür sachliche Gründe vorgebracht habe, sehe sich das Erstgericht nicht veranlaßt, die Postsperre aufzuheben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gemeinschuldnerin Folge, änderte den erstgerichtlichen Beschluß ab und gab dem Antrag auf Aufhebung der Postsperre statt. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Beschwerdegegenstand, über den es entschieden hat, S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Aufhebung der Postsperre keine oberstgerichtliche Judikatur bestehe. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß nunmehr, 5 Jahre nach der Konkurseröffnung, die Gefahr einer für die Gläubiger nachteiligen Ausnutzung der Posteingänge durch die Gemeinschuldnerin bzw den Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, nur mehr gering sei. Auch das mit der Strafsache gegen Dr.H*** befaßte Gericht habe mitgeteilt, daß gegen die Aufhebung der Postsperre im persönlichen Konkurs desselben kein Einwand bestehe. Eine Abwägung der der Postsperre noch zukommenden Schutzfunktion gegen die Interessen der Gemeinschuldnerin an der Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses lasse jene wichtiger erscheinen; es sei darauf Bedacht zu nehmen, daß die Postsperre auch die Sendungen an die - selbst nicht im Konkurs befindliche - persönlich haftende Gesellschafterin betrifft. Der Masseverwalter habe nicht nur die gesamte an die Gemeinschuldnerin adressierte, sondern auch die an ihre Komplementärin gerichtete Post zu öffnen und zu lesen. All dies sei aber nicht mehr erforderlich, weil die Schutzfunktion der Postsperre bereits im wesentlichen erreicht worden sei und auch die in Betracht kommenden Ämter sich längst auf den Zustellungsmodus an den Masseverwalter eingestellt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Masseverwalters, in welchem er die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt. Die österreichische Konkursordnung kenne kein Antragsrecht des Gemeinschuldners auf Aufhebung der Postsperre. Bei der Interessenabwägung könne kein Briefgeheimnis zugunsten einer juristischen Person berücksichtigt werden. Es dürfe nicht vom Zufall abhängen, ob die in Betracht kommenden Ämter die Zustellungen weiterhin an den Masseverwalter vornehmen würden. Die Briefe der M*** B*** GmbH habe der Masseverwalter ohnedies nicht geöffnet, sondern weitergeleitet.
Entgegen der vom Masseverwalter vertretenen Rechtsansicht war der Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen die Abweisung ihres Antrages auf Aufhebung der Postsperre zulässig, weil im Konkursverfahren Beschlüsse des Gerichtes erster Instanz grundsätzlich anfechtbar sind (vgl Bartsch-Pollak KO3 I 372 iVm II 25), soweit nicht im Gesetz für einzelne Fälle etwas anderes bestimmt ist oder dem Rekurs das für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers mangelt (EvBl. 1968/165; SZ 45/106 ua). Beide Ausnahmen sind nicht gegeben. Eine ausdrückliche, den Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen die Abweisung ihres Antrages auf Aufhebung der Postsperre ausschließende Bestimmung fehlt. Im Hinblick auf den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Briefgeheimnissses, ist dem Gemeinschuldner ein Rechtsschutzinteresse daran zuzuerkennen, daß die in § 78 Abs 2 KO selbst vorgesehene Aufhebung der Postsperre während des Konkursverfahrens dann erfolgt, wenn keine Notwendigkeit mehr zu dem - zwar im Gesetz vorgesehenen - Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht besteht. Demgemäß ist umgekehrt auch der Masseverwalter zum Revisionsrekurs gegen eine Verfügung nach § 78 Abs 2 KO berechtigt (siehe SZ 13/246). Durch Artikel 8 MRK und Artikel 10 StGG in Verbindung mit
Artikel 149 B-VG wird die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses geschützt, soweit nicht (wie in dem hier zu beurteilenden Fall) auf Grund eines richterlichen Befehles in Gemäßheit der bestehenden Gesetze etwas anderes zu geschehen hat (Artikel 10 StGG) bzw soweit es sich nicht um eine Maßnahme handelt, die in einer demokratischen Gesellschaft ua für das wirtschaftliche Wohl des Landes oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 MRK). Es besteht also nach den genannten im Verfassungsrang stehenden Normen das geschützte Grundrecht (auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses) nicht unbeschränkt und unabhängig von Rechten anderer. In jedem einzelnen Fall ist daher zu prüfen, inwieweit die Postsperre bis zur Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses aufrecht erhalten werden muß (Bartsch-Pollak, KO3, I 372), um deren Zweck zu erreichen, nämlich zu verhindern, daß der Gemeinschuldner einlangende Poststücke seinen Gläubigern entziehe oder diesbezüglich sonstige dieselben schädigenden Verfügungen treffe (Lehmann, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, 501) und daß dem Masseverwalter, dem das Verfügungsrecht während des Konkurses anstelle des Eigentümers über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zukommt, keine wichtigen Hinweise, die aus der eingehenden Post entnommen werden könnten, vorenthalten bleiben, insbesondere nicht solche, die bisher noch unbekannte Vermögenswerte des Gemeinschuldners oder Verfügungen desselben über solche betreffen (siehe Kuhn-Uhlenbruck KO10 1453). Im Interesse dieser Umstände nimmt der Gesetzgeber in Kauf, daß die für den Gemeinschuldner eingehende sogenannte Privatpost ebenfalls vom Masseverwalter gelesen wird. Dem Rekursgericht ist daher darin zu folgen, daß in jedem Verfahrensstadium abzuwägen ist, ob das verfassungsgesetzlich geschützte Briefgeheimnis schwerer wiegt als die dargestellten Interessen der Konkursgläubiger.
In dem hier zu beurteilenden Fall ist jedoch die Gemeinschuldnerin eine Kommanditgesellschaft, deren existenzbedingende Tätigkeit sich vor der Auflösung durch die Konkurseröffnung auf den Betrieb eines Handelsgewerbes erstreckte, und die sich nun im insolvenzrechtlichen Liquidationsstadium befindet, so daß der Schutz einer "Privatsphäre" der Gesellschaft selbst von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl Kramer in Straube, HGB, Rz 14 zu §§ 343, 344 mwN); die für die Gesellschaft eingehende Post kann sich daher regelmäßig nur auf das vom Konkurs erfaßte Gesellschaftsvermögen beziehen, so daß die Kenntnis des entsprechenden Schriftverkehrs für den Masseverwalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben auch notwendig ist.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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