European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00036.23M.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben. Der Rekurs der Schuldnerin gegen den erstgerichtlichen Beschluss wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 19. 9. 2019 das Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss vom 2. 12. 2019 leitete das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte einen Treuhänder.
[2] Die jetzigen Revisionsrekurswerber, zwei Gläubiger, beantragten am 27. 1. 2023, „dem [Treuhänder] aufzutragen, dem ausgewiesenen Rechtsvertreter der Gläubiger Akteneinsicht in die von Seiten der Schuldnerin dem [Treuhänder] in Erfüllung des Auftrages ON 68 vorgelegten Unterlagen zu gewähren“.
[3] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.
[4] Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Schuldnerin den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Antrag der Gläubiger vom 27. 1. 2023 abgewiesen wird. Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der zwei Gläubiger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Rekurs der Schuldnerin nicht Folge gegeben wird.
Rechtliche Beurteilung
[6] Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses ist der Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben und der Rekurs der Schuldnerin zurückzuweisen:
[7] Gemäß § 84 Abs 1 IO hat das Insolvenzgericht die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu überwachen. Es kann ihm (ua) Weisungen erteilen.
[8] Nach ständiger Rechtsprechung gilt bei der Erteilung einer Weisung in Ermangelung einer Sonderregelung grundsätzlich der Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 Satz 2 IO. Hiervon ist der Insolvenzverwalter, nicht hingegen der Schuldner ausgenommen (8 Ob 147/19d [Pkt 2.2.] mwN).
[9] Die Vorschrift des § 84 IO – und damit auch die eingeschränkte Anfechtbarkeit von Insolvenzverwaltern erteilten Weisungen – gilt nach § 157b Abs 5 Satz 1 IO für Treuhänder entsprechend.
[10] Der erstgerichtliche Beschluss war eine Weisung iSd § 84 Abs 1 iVm § 157b Abs 5 IO an den Treuhänder. Die Schuldnerin war folglich nicht legitimiert, gegen diesen Beschluss zu rekurrieren (RIS‑Justiz RS0065208; RS0114471).
[11] Entscheidet das Rekursgericht über einen Rekurs, den es als unzulässig zurückzuweisen gehabt hätte, meritorisch, so ist sein Beschluss nichtig. Ein solcher Beschluss ist aus Anlass eines gegen ihn erhobenen Revisionsrekurses aufzuheben und unter einem der unzulässigerweise erhobene Rekurs zurückzuweisen (zB 1 Ob 156/06g [Pkt I.3]; 2 Ob 33/22z [Rz 7–13]; für das Revisionsverfahren: 17 Ob 1/19z [Pkt 2.]).
[12] Auf die Frage allfälliger anderer Möglichkeiten, den Treuhänder aus einer rechtswidrigen Vorgehensweise in Anspruch zu nehmen, war nicht einzugehen.
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