OGH 8Ob30/17w

OGH8Ob30/17w30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ulf P*****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Bank *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 82.472,09 EUR sA, im Verfahren über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Jänner 2017, GZ 5 R 147/16y‑17, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2016, GZ 56 Cg 215/12d‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00030.17W.0530.000

 

Spruch:

Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das vom Obersten Gerichtshof am 10. Mai 2017 zu 3 Ob 28/17i gestellte Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen.

 

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Die Beklagte ist eine Bank mit Sitz in London und einer Zweigniederlassung in Deutschland. Sie ist Emittentin der Schuldverschreibung „X*****“. Diese Schuldverschreibung wurde von institutionellen Investoren gezeichnet und am Sekundärmarkt weiterverkauft. Der Rückzahlungsbetrag und damit der Wert des Zertifikats richtet sich nach einem Index, der aus einem Portfolio von mehreren Zielfonds gebildet wird. Dieses Portfolio sollte von der X***** GmbH errichtet und verwaltet werden, deren Trading Manager und Fonds Advisor seinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft zu kriminellen Handlungen nutzte und deshalb im Jahr 2011 wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Die Zertifikate sind wertlos.

Der Kläger brachte vor, er habe als Verbraucher im Sinne des KSchG am 29. 10. 2007 42,52 Anteile des „X*****“ erworben. Er begehrt mit seiner beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage von der Beklagten die Zahlung von 82.472,09 EUR Zug um Zug gegen Übergabe der Wertpapiere, in eventu die Feststellung, dass ihm die Beklagte für jenen Schaden hafte, der ihm aus der Investition in dieses Wertpapier entstanden sei oder in Zukunft entstehen werde. Die Beklagte habe sich in den Anleihebedingungen auch zu einem Sekundärmarkt verpflichtet, sodass sie nicht nur als Emittentin, sondern auch als Händler und Marketmaker in Bezug auf die Wertpapiere aufgetreten sei.

Dem Kläger stünden aus der Anleihe selbst und aus dem Anleihenerwerb vertragliche Erfüllungsansprüche gegen die Beklagte zu. Außerdem hafte sie ihm deliktisch wegen irreführender Prospektangaben sowie vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Rechtsmissbrauch.

Die Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichts Wien begründete der Kläger mit Art 15 und Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001. Die Beklagte habe planmäßig österreichische Investoren angesprochen und als Erwerber der Anleihe gewinnen wollen. Der Kläger habe seinen Wohnsitz im Sprengel des angerufenen Gerichts, das Handelsgericht Wien sei daher sowohl international als auch örtlich und sachlich zuständig. Dieses Gericht sei aber auch für deliktische Schadenersatzansprüche zuständig, weil der Erfolg der schädigenden Handlung am Wohnsitz des Klägers eingetreten sei.

Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Es lägen weder die Voraussetzungen des Art 15 Nr 1 lit c, noch die des Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 vor.

Die Zuständigkeit für den eventualiter erhobenen Schadenersatzanspruch sei zu verneinen, weil sich der Klage nicht entnehmen lasse, dass sich der Schaden auf einem Bankkonto im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verwirklicht habe.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Der Kläger habe keinen Sachverhalt behauptet, aus dem sich der Abschluss eines Vertrags unmittelbar mit der Beklagten ergeben könnte. Fraglich sei, ob er sich auf den Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 5 Nr 1 EuGVVO 2001 berufen könne. Dieser knüpfe entweder am schon verwendeten tatsächlichen Erfüllungsort, oder sonst am rechtlichen Erfüllungsort für die verletzte Vertragsleistung an. Der rechtliche Erfüllungsort sei im vorliegenden Fall sowohl nach den Anleihebedingungen, als auch nach Art 4 EVÜ in Deutschland gelegen.

Die Anwendung des Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 sei nach der Rechtsprechung des EuGH ausgeschlossen, wenn – wie hier – behauptete Ansprüche aus einem Vertrag Gegenstand des Verfahrens seien.

In seinem Revisionsrekurs strebt der Kläger den Ausspruch an, dass das angerufene Gericht international und örtlich zuständig sei.

Die Beklagte hat eine Rechtsmittelbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig. Über seine Berechtigung wird aber erst nach dem Einlangen der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 28/17i zu entscheiden sein.

In jenem Verfahren hat der Oberste Gerichtshof dem Europäischen Gerichtshof am 10. 5. 2017 folgende Frage gestellt:

„Ist nach Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen für außervertragliche Ansprüche wegen Prospekthaftung dann, wenn

- der Anleger seine durch den mangelhaften Prospekt verursachte Anlageentscheidung an seinem Wohnsitz getroffen hat

- und er aufgrund dieser Entscheidung den Kaufpreis für das am Sekundärmarkt erworbene Wertpapier von seinem Konto bei einer österreichischen Bank auf ein Verrechnungskonto bei einer anderen österreichischen Bank überwiesen hat, von wo der Kaufpreis in der Folge im Auftrag des Klägers an den Verkäufer überwiesen wurde,

(a) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Anleger seinen Wohnsitz hat,

(b) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale jener Bank liegt, bei der der Kläger sein Bankkonto hat, von dem er den investierten Betrag auf das Verrechnungskonto überwiesen hat,

(c) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale der Bank liegt, bei der sich das Verrechnungskonto befindet,

(d) nach Wahl des Klägers eines dieser Gerichte zuständig,

(e) keines dieser Gerichte zuständig?“

Das vorliegende Verfahren betrifft einen vergleichbaren Sachverhalt.

Aus prozessökonomischen Gründen ist das vorliegende Verfahren daher zu unterbrechen.

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